Schriesheim

Das Haus "Edelstein" ist Geschichte

Am Mittwoch zogen die letzten Bewohner aus. Grund für die Verzögerung waren zwei Coronafälle.

06.05.2022 UPDATE: 06.05.2022 18:28 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden
Im „Edelstein“ wohnen seit Mittwoch keine Bewohner mehr, aber noch acht Mitarbeiter. Foto: Dorn

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Am Mittwoch zogen die letzten Bewohner aus dem Haus "Edelstein" aus, das bestätigten das Landratsamt und Betreiber Hubertus Seidler auf RNZ-Anfrage. Damit hat Seidler, wenn auch mit etwas zeitlichem Verzug, die Verfügung der Heimaufsicht erfüllt, das Seniorenheim zum 30. April zu schließen. Die Verzögerung von vier Tagen rührte von zwei Coronafällen im "Edelstein"; Seidler hatte vor fünf Wochen noch vermutet, dass so die Schließung des "Edelstein" in weite Ferne rücken könnte. Aber dem war nicht so, denn die Infektion breitete sich nicht aus.

Technologische Revolution: Am 11. Juni 2003 gab es erstmals einen Fernseher im „Edelstein“. Foto: Dorn

Alle bisherigen Bewohner – zuletzt 30 – seien in anderen Heimen in der Region untergekommen, allerdings kaum in Schriesheim selbst. Das Haus "Stammberg" habe nur eine Person untergebracht. Den knapp 40 Beschäftigten, darunter relativ viele Schwerbehinderte, wurde unterdessen zum 30. Mai gekündigt. Acht von ihnen wohnen noch im "Edelstein", das gerade ausgeräumt wird und bald "besenrein übergeben wird". Deren Stimmung sei niedergeschlagen, "sie lassen an der Politik kein gutes Haar", so Seidler. In einer Vollversammlung am Donnerstag erklärte er die Situation – und sagte, wie es mit ihnen weitergehen wird. Einige sollen in anderen Häusern unterkommen – das "Stammberg" übernimmt wohl ein paar –, aber es gibt auch eine Hoffnung auf einen Neuanfang: Denn Seidler hat den Bauantrag für das neue "Edelstein" am alten Standort gestellt: Der soll, zumindest nach seinen Angaben, auf der nächsten Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt (ATU) am Montag, 16. Mai, beraten werden.

Hintergrund

> Das "Haus Edelstein" hat eine bewegte Vergangenheit, zunächst war es zur vorletzten Jahrhundertwende ein Kurhotel – was man von der Talstraße aus noch gut sehen kann. Seinen Namen erhielt das Haus von einer markanten Felsgruppe auf dem Gipfel des Ölbergs, die 1919 bei

[+] Lesen Sie mehr

> Das "Haus Edelstein" hat eine bewegte Vergangenheit, zunächst war es zur vorletzten Jahrhundertwende ein Kurhotel – was man von der Talstraße aus noch gut sehen kann. Seinen Namen erhielt das Haus von einer markanten Felsgruppe auf dem Gipfel des Ölbergs, die 1919 bei einer unbeabsichtigten Sprengung im Steinbruch in sich zusammenstürzte. 1925 kaufte die AB-Gemeinschaft (Evangelischer Verein für innere Mission Augsburgischen Bekenntnisses) das Hotel und machte es zu einem Jugendheim.

Auf Dauer konnte die Jugend alleine das Haus aber nicht finanzieren. 1934 kamen die ersten Dauergäste. Während des Zweiten Weltkriegs fanden viele Ausgebombte hier eine Unterkunft und blieben bis ins Alter – und zwar als eine Gemeinschaft, weswegen man sich hier mit "Bruder" oder "Schwester" anredete. 1967 entstand der große Anbau mit neuer Küche, Aufzug und Pflegeabteilung: Das Haus Edelstein entwickelte sich zu einem Alten- und Pflegeheim. 1984 übernahm Hausvater Dieter Ehrismann die Heimleitung, dem 2005 Myrta Constabel folgte.

Unterdessen hatte 1990 die Trägerschaft des Heimes gewechselt: von der AB-Gemeinschaft zum Evangelischen Verein der Inneren Mission (Karlsruhe). Als Constabel 2018 in den Ruhestand verabschiedet wurde, begann eine ganz neue Epoche: Die Senioren-Wohnstift Bühl (SWB), eine Privatfirma von Hubertus Seidler, übernahm Ende 2016 das Seniorenheim – und plante einen Neubau, der allerdings auf Kritik in der Kommunalpolitik und der Anwohner traf, weil der zu massiv ausgefallen war. Im Juli 2020 wurden Pläne bekannt, dass das "Edelstein" mit einem Neubau auf das Gärtner-Gelände an der B 3 ziehen wird. Diese zerschlugen sich aber Ende 2021. hö

[-] Weniger anzeigen

Doch auf der Tagesordnung dieser Sitzung steht, zumindest bisher, noch kein Antrag auf einen "Edelstein"-Neubau. Der soll, wie von Seidler angekündigt, von einst 100 Plätzen auf 80 abgespeckt werden – und entsprechend optimistisch ist er: "Uns wurde zugesagt, dass ein Neubau möglich ist, wenn wir ihn reduzieren. Und das haben wir getan. Am 16. Mai schlägt die Stunde der Wahrheit." Dann will er auch mit mehreren Beschäftigten im Ausschuss sein, um sein Anliegen zu vertreten. Allerdings hatte der Gemeinderat bereits im Februar einen Aufstellungsbeschluss, also den ersten Schritt zu einem Bebauungsplan, gefasst: Demnach ist hier in Zukunft ein Wohngebiet vorgesehen, allerdings gilt für die alte Nutzung als Seniorenheim Bestandsschutz. Und auch für den Eigentümer, den Evangelischen Verein (siehe Hintergrund), schlägt dann die Stunde der Wahrheit: Er muss sich entscheiden, ob er die Pläne eines "Edelstein"-Neubaus unterstützt oder das Gelände an die Stadt verkauft.

Im Juli 2009 wurde ein großes Sommerfest gefeiert – mit „Gast“ Charlie Chaplin. Fotos: Dorn

Unterdessen ist weiter in der Schwebe, ob das alte Heim bald für ukrainische Kriegsflüchtlinge genutzt werden kann: "Ich habe dem Landrat, dem Bürgermeister und den Parteien geschrieben, dass wir zur Verfügung stehen. Aber niemand hat geantwortet. Dabei eignet sich das ,Edelstein’ hervorragend, gerade für ukrainische Senioren. Aber niemand scheint interessiert zu sein. In Schriesheim wartet man wohl lieber auf Container am Festplatz."

Auch interessant
Schriesheim: "Edelstein"-Schließung steht wegen Corona auf der Kippe
Schriesheim: Warum ein traditionsreiches Altenheim schließen muss
Schriesheim/Hirschberg: Auf dem Gärtner-Gelände soll ein Pflegeheim errichtet werden
Schriesheim: Beim Thema Impfpflicht schwant Pflegeheimen nichts Gutes
Ende einer Epoche: Ende September 2018 wurde Heimleiterin Myrta Constabel verabschiedet.  Foto: Dorn

Neues gibt es auch vom NH-Hotel bei Leutershausen (aber auf Schriesheimer Gemarkung): Es wird jetzt doch kein Flüchtlingsheim, wie Seidler unlängst angekündigt hatte. Er wollte ursprünglich die seit Oktober 2020 leer stehende Immobilie kaufen, sie erst zu einer Unterkunft und dann langfristig zu einer Einrichtung für Betreutes Wohnen machen. Diese geplante Nutzungsänderung sei aber "sehr schwierig", und schließlich haben sich die Eigentümer vor vier Wochen entschieden, das NH-Hotel wiederzueröffnen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.