Sandhausen

Das ist Georg Kletti zum Abschied als Bürgermeister wichtig

Sandhausen Bürgermeister scheidet nach 16 Jahren aus dem Amt des Bürgermeisters. Im RNZ-Interview blickt er zurück.

27.06.2021 UPDATE: 28.06.2021 06:00 Uhr 4 Minuten, 58 Sekunden
Dazu, was er künftig beruflich macht, will sich Georg Kletti noch nicht äußern, privat freut er sich auf mehr Zeit mit der Familie. Seinem Nachfolger Hakan Günes wünscht er alles Gute. Foto: Alex

Von Nicolas Lewe

Sandhausen. Nach 16 Jahren geht in Sandhausen eine Ära zu Ende: Am heutigen Montag, 28. Juni, wird Georg Kletti (CDU) seine letzte Gemeinderatssitzung als Bürgermeister leiten. Sich für eine dritte Amtszeit – also weitere acht Jahre – zur Wahl zu stellen, hatte der 54-jährige Vater zweier 12 und 13 Jahre alter Töchter frühzeitig ausgeschlossen. Am kommenden Donnerstag, 1. Juli, wird Georg Kletti aus dem Amt verabschiedet. Anschließend wird sein gewählter Nachfolger Hakan Günes (CDU) als neuer Rathauschef vereidigt. Die RNZ hat zum Abschied ein Gespräch mit Georg Kletti geführt, in dem dieser gewohnt offenherzig über die Höhen und Tiefen seiner Amtszeit spricht.

Herr Kletti, neben Ihrer Parteizugehörigkeit gibt es eine weitere Parallele zu Bundeskanzlerin Angela Merkel – Sie wissen, was gemeint ist?

Ja, sie ist wie ich 2005 ins Amt gewählt worden und für sie ist ebenfalls nach 16 Jahren Schluss. Ich kann Ihnen versichern, es gab keine Absprache zwischen ihr und mir.

Wie fühlt es sich für Sie persönlich an, nach 16 Jahren an der Spitze des Rathauses aus dem Amt zu scheiden?

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Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mit Leib und Seele Bürgermeister war. Es ist daher ein Abschied mit Wehmut, aber wo etwas endet, fängt vielleicht auch etwas Neues an.

Hand aufs Herz: Was hat Sie dazu bewegt, nicht noch einmal anzutreten?

Ich bin seit insgesamt 27 Jahren in der Kommunalpolitik in Sandhausen aktiv, elf Jahre als Gemeinderat, 16 Jahre als Bürgermeister. Du musst einfach wissen, wann Schluss ist. Bei aller Begeisterung für das Amt hat dieses auch seine Schattenseiten. Oft ist man nicht Gestalter, sondern Getriebener, eine Geisel des eigenen Terminkalenders. Dabei bleibt vieles auf der Strecke, meine Familie, meine beiden Töchter, meine Mutter.

Heißt das, Sie lassen es jetzt etwas ruhiger angehen? Wie sehen Ihre Pläne aus? Wo arbeiten Sie ab dem 1. Juli?

Wer mich kennt, weiß: Freizeitorientierte Schonhaltung ist für mich keine Option. Ich habe mich noch nicht konkret entschieden, was ich beruflich mache. Es gibt mehrere Angebote, zum jetzigen Zeitpunkt will ich mich dazu allerdings nicht äußern.

Blick zurück: Gibt es ein kommunales Projekt der vergangenen 16 Jahre, das Sie für Sandhausen als besonders wichtige Errungenschaft erachten?

Klassische Leuchtturmprojekte gab es nicht. Der Schwerpunkt lag darauf, die vorhandene Infrastruktur zu erhalten. In 16 Jahren sind fast 100 Millionen Euro in die Sanierung der vorhandenen Infrastruktur geflossen, unter anderem in die Sanierung der Sporthallen. Aktuell werden die Hardtwaldhalle und das Friedrich-Ebert-Schulzentrum saniert, alleine Letzteres kostet acht Millionen Euro. Auch das Lehr-Schwimmbecken und das Walter-Reinhard-Stadion wurden saniert. Was an Kanälen und Frischwasserleitungen gemacht wird, sieht der Bürger oft gar nicht. Neu hinzugekommen sind in meiner Amtszeit ein weiterer kommunaler Kindergarten, ein kleines Gewerbegebiet im Osten unserer Gemeinde, und das Baugebiet "Große Mühllach II" wurde erschlossen.

Ein Sandhäuser Leuchtturm mit bundesweiter Strahlkraft ist der SV Sandhausen, der bei Ihrem Amtsantritt 2005 noch in der Oberliga spielte. Heute ist der SVS etablierter Zweitligist – wie haben Sie die Entwicklung erlebt?

Der SVS hat eine sehr dynamische Entwicklung durchgemacht; zu Beginn meiner Amtszeit hätte ich das nicht für möglich gehalten. Für Sandhausen ist der Verein ein enormer Imagegewinn. Die geografische Beschreibung "Sandhausen bei Heidelberg" braucht es heute nicht mehr.

Und wann haben Sie erkannt, dass der SVS als "Aushängeschild" der Gemeinde nicht automatisch nur ein Segen ist?

Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Mit dem Aufstieg vom semiprofessionellen in den Profibereich kamen die entsprechenden Auflagen der Deutschen Fußball Liga. Und dann galt: Entweder du setzt die vorgegebenen Infrastrukturerweiterungen um oder du erhältst keine Lizenz für den Spielbetrieb. Wir als Gemeindeverwaltung mussten über die Änderung von bestehenden Bebauungsplänen abstimmen, was angesichts der oft kleinen Zeitfenster nicht immer einfach war. Froh bin ich sagen zu können: Eine Fan-Problematik gibt es bei uns nicht. Auch bei den gegnerischen Fans gab es keine Negativ-Erscheinungen, etwa dass sie uns den Ort kurz und klein geschlagen hätten.

Was war Ihre wichtigste Entscheidung als Bürgermeister?

Die gibt es nicht. Alle Entscheidungen sind wichtig. Wichtig ist es aber, auch einmal unpopuläre Entscheidungen treffen zu können. Ein Beispiel: Wir haben mit dem FEG ein Gymnasium mit rund 1000 Schülern. Als es den Schwenk von G9 auf G8 gab, lastete ein Riesen-Druck auf dem Gemeinderat und mir, so nach dem Motto: Ihr kriegt kein Fördergeld für den Bau der notwendigen Infrastruktur, aber ihr müsst das trotzdem machen. Wir haben den Elternvertretern zunächst Nein gesagt. Die Gemeinde hat dann eine Resolution an den Landtag verabschiedet und ein Jahr später gab es ein Förderprogramm, bei dem wir berücksichtigt wurden. Im Nachhinein war das der richtige Schritt, es ging schließlich um eine sechsstellige Summe. Das Warten hat sich gelohnt, was aber nicht einfach war, weil der Druck von außen – auch über Leserbriefe – groß war.

War das die nervenaufreibendste Phase Ihrer Amtszeit?

Nein. Mit Abstand am nervenaufreibendsten war der zehnjährige Kampf um die L600. Das Thema eines möglichen Rückbaus hat mir wirklich viele schlaflose Nächte bereitet. Gott sei Dank haben wir es geschafft, diesen ideologisch gesteuerten Unsinn zu verhindern. Für den innerörtlichen Verkehr hätte der Rückbau fatale Folgen gehabt.

Finanzpolitisch liegt die Gemeinde fast schon traditionell in ruhigem Fahrwasser – wie wichtig sind für einen Bürgermeister ausgeglichene Haushalte?

In der Tat steht Sandhausen gut da, im Kernhaushalt sind wir schuldenfrei. Ein ausgeglichener Haushalt ist nicht nur mir und dem Gemeinderat wichtig, auch schon unsere Vorgänger haben darauf großen Wert gelegt. Ich persönlich habe mir bei jeder Investitionsentscheidung die Frage gestellt: Was würde ich tun, wenn es mein Geld wäre? Für mich geht es hier um die Verantwortung gegenüber kommenden Generationen.

Was sind die größten Herausforderungen eines Bürgermeisters in einer Gemeinde wie Sandhausen mit ihren rund 15.300 Einwohnern?

Grundsätzlich unterschieden sich die Herausforderungen in einer Gemeinde unserer Größenordnung nicht so sehr von größeren oder kleineren Kommunen. Dennoch: Gewisse Entwicklungen betrachte ich als sehr kritisch. Größere Projekte bekommt man heute nicht mehr so leicht durch wie vor 16 Jahren. Die im Gemeinderat gefällten Entscheidungen werden immer mehr durch Bürgerinitiativen ausgehöhlt. Ich sehe darin eine große Gefahr. Volksvertreter sind die Gemeinderäte und nicht diejenigen, die so laut schreien, dass es dir vorkommt, als wären sie die 100 Prozent. Oftmals sind die Gegner ideologisch gesteuert. Nehmen wir als Beispiel die Erweiterung des Nachwuchsleistungszentrum für den SV Sandhausen. Für die Erweiterung gab es einen ganz klaren Gemeinderatsbeschluss. Das hat ein Jahr lang niemanden interessiert, bis sich dann die Bürgerinitiative formiert hat. Jetzt sind wir wieder zurück auf "Los" und keinen Schritt weiter. Wenn diese Entwicklung weitergeht, geht nicht mehr viel in den Kommunen.

Was werden Sie ab dem 1. Juli am meisten vermissen?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung. Außerdem die zwei frisch aufgesetzten Tassen Kaffee, die mir meine Sekretärin Marion Kral jeden Morgen an den Schreibtisch serviert hat.

Und worauf freuen Sie sich in der Zeit als "Bürgermeister a. D." besonders?

Auf Zeit für Dinge, für die es wegen meines Amtes keine Zeit gab. In erster Linie für meine beiden Töchter Lotte und Paula. Des Weiteren habe ich mir ein Fahrrad bestellt – mit E-Antrieb, weil dadurch die Reichweite größer wird.

Sie haben vermutlich schon viele Gespräche mit Ihrem Nachfolger Hakan Günes geführt und es werden noch einige folgen – was ist Ihr wertvollster Rat für seine Zeit als Rathauschef?

Wir kommunizieren fast täglich miteinander, haben auch einige Termine zusammen wahrgenommen und es haben bereits mehrere Übergabe-Gespräche stattgefunden. Das Bürgermeisteramt erfordert viele Attribute. Was es aber vor allem anderen braucht, ist Geradlinigkeit. Irgendwer kommt immer aus der Hecke und sagt, es passt ihm nicht. Wenn man von etwas wirklich überzeugt ist, muss man bereit sein, als Bürgermeister sein Kreuz durchzudrücken. Ansonsten wird man am Nasenring der unterschiedliche Bedürfnisse von rechts nach links gezogen. Andererseits muss man aber auch kompromissbereit sein und Dinge abwägen. Und: Man darf auch nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen.

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