Windpark Greiner Eck: Bürgerinitiative gibt den Kampf nicht auf
Sie hofft auf den Europäischen Gerichtshof - Anwalt der Bürgerinitiative hat überraschend sein Mandat niedergelegt

Das erste Windrad, mit einem Teleobjektiv auf der Greiner Kuppe aufgenommen. Die BI will weiter dagegen kämpfen - wenn nötig vor dem Europäischen Gerichtshof. Foto: Lilek-Schirmer
Von Nikolas Beck
Neckarsteinach. Das, was die Bürgerinitiative Greiner Eck (BI) mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern wollte, ist inzwischen Realität. Die Türme der Windräder oberhalb von Grein ragen in die Höhe, die erste Anlage steht laut Windparkplaner Jürgen Simon kurz davor, in Betrieb genommen zu werden. Dies löse bei den BI-Mitgliedern aber nicht in erster Linie Frustration aus, erklärt Sprecherin Maria Lilek-Schirmer: "Vielmehr ist das Entsetzen darüber ungebrochen, wie schonungs- und rücksichtslos der politische Wille zum Ausbau der Windkraft sein Ziel auf beängstigende Weise verfolgt, und wie willfährig die nachgeordneten Behörden dem entsprechen." Der Vorwurf der BI: Bestehende Schutzgesetze für Mensch, Tier, Landschaft und Denkmäler seien zurechtgebogen worden und fänden ihren Niederschlag auch in der Genehmigung der Anlagen am Greiner Eck. Gegen diese Genehmigung kämpft die BI seit beinahe einem Jahr auch vor Gericht.
Hintergrund
Neckarsteinach. (nb) "In meiner Brust schlagen zwei Herzen", schmunzelt Jürgen Simon. Wer Windparks baut, der sollte mit viel Wind eigentlich sehr gut leben können. Das Greiner Eck hat man einst sogar als den windhöffigsten Standort im ganzen Odenwald ausgemacht. Und
Neckarsteinach. (nb) "In meiner Brust schlagen zwei Herzen", schmunzelt Jürgen Simon. Wer Windparks baut, der sollte mit viel Wind eigentlich sehr gut leben können. Das Greiner Eck hat man einst sogar als den windhöffigsten Standort im ganzen Odenwald ausgemacht. Und ausgerechnet das verzögert dort momentan die Fertigstellung der fünf Windräder. "Es läuft nicht alles rund", räumt Simon ein. Zwar habe man das Ziel immer noch fest im Blick - spätestens im März sollen alle fünf Windräder in Betrieb sein: "Schnee und Wind halten uns im Moment aber ein bisschen auf."
Für die Montage der Rotorblätter in 135 Meter Höhe muss es nahezu windstill sein. Das ist es am Greiner Eck aber nur selten. Das Anbringen der Rotorblätter am ersten Windrad musste daher schon Anfang Dezember überwiegend bei Nacht - wenn die Windgeschwindigkeiten geringer sind - vonstatten gehen. Die erste Anlage sei inzwischen aber fertig. Es laufen sogenannte Inbetriebnahmearbeiten. Wenn alle Einstellungen und Test erfolgreich waren, werde man voraussichtlich in acht bis 14 Tagen auch die erste Kilowattstunde Strom ins öffentliche Netz einspeisen, so Simon. Momentan seien die Blätter aus dem Wind gedreht, die Anlage trudelt also lediglich vor sich hin.
Kräne könnten vereisen
Die anderen Anlagen sind indes noch nicht so weit. Und zurzeit muss man sich auf Vorarbeiten am Boden beschränken, etwa die Montage der Maschinenhäuser. Ein weiteres Problem neben dem Wind sei, dass die Großkräne bei diesen Witterungsverhältnissen nicht arbeiten können, erklärt Jürgen Simon. Die Umlenkrollen könnten vereisen. Daher sind die Kräne zurzeit abgelegt. Am erst nachträglich genehmigten fünften Windrad laufen derweil die Bewehrungsarbeiten für das Fundament. Der Planer ist aber zuversichtlich, dass es nächste, spätestens übernächste Woche auch mit den Arbeiten in der Höhe weitergehen kann.
Es sei auch vielmehr der Baufortschritt, mit dem man sich zurzeit befasse. Weniger die laufende Klage der Bürgerinitiative Greiner Eck (siehe Artikel links). Man müsse sich auch immer fragen, was man den Arbeitern zumuten könne, so Simon. Für den Hersteller der fünf Windräder, die Firma Enercon, seien portugiesische Monteure im Einsatz. Diese hätten auch zwischen den Jahren arbeiten können. Man habe ihnen aber ermöglichen wollen, Weihnachten und den Jahreswechsel in der Heimat zu feiern. In dieser Zeit wäre die Witterung freilich kein Problem gewesen.
Mit Blick auf den fortschreitenden Bau des Windparks ein Kampf mit nur überschaubarem Erfolg? Maria Lilek-Schirmer widerspricht, verweist auf die seit 2014 bestehende Arbeit der BI: "So haben wir immerhin eine 17-monatige Verzögerung des Baus bewirken, ein geschütztes Feuchtbiotop im Bereich des vor Kurzem ebenfalls genehmigten fünften Windrads retten sowie schallreduzierende Maßnahmen an allen Windrädern erreichen können."
Rückblick: Im Februar 2016 hatte das Regierungspräsidium Darmstadt (RP) den Windpark in einem FFH-Gebiet ohne vorherige Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt. Dagegen reichte ein BI-Mitglied Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Darmstadt ein. Da das RP die Genehmigung unter Sofortvollzug gestellt hatte, wurde zeitgleich ein Eilantrag gestellt, der auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzielte. Sprich: Einen vorläufigen Baustopp bewirken sollte. Dieser Eilantrag wurde erst im September abgelehnt, woraufhin die BI beim hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) Beschwerde eingelegt hatte. "Deren Bescheid erwarte man nun mit Spannung", so Lilek-Schirmer.
Das laufende Verfahren werde aber auch bei einer Ablehnung konsequent weiterverfolgt. Daran ändert offensichtlich auch die Tatsache nichts, dass Dominik Storr, der bisherige Anwalt der BI, überraschend sein Mandat niedergelegt hat, und die BI die Kanzlei wechseln musste. Auf dessen Internetseite heißt es: "Kanzlei Storr beendet Mandat ,Windindustriepark Greiner Eck’." Entsprechende Presseanfragen seien daher nicht mehr an die Kanzlei Storr zu richten.
Auch interessant
"Die Niederlegung des Mandats hat aktuell keine rechtlichen Auswirkungen, weil die Beschwerde bereits begründet worden ist", erklärt VGH-Sprecher Harald Pabst auf RNZ-Anfrage. Zu einem möglichen Entscheidungszeitpunkt konnte er allerdings keine Auskunft geben. Ein Erfolg der Beschwerde hätte laut Pabst zur Folge, "dass der Bau beziehungsweise der Betrieb des Windparks bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ganz oder teilweise - je nach Entscheidung im Beschwerdeverfahren - einzustellen wäre".
Dass der Windpark trotz aller Widerstände demnächst in Betrieb gehen soll, kann die BI aber nicht entmutigen. "Wir mussten durchaus einkalkulieren, dass die Windräder eventuell auch gebaut würden", sagt die Sprecherin. "Es gänzlich auszuschließen, wäre blauäugig gewesen." Jedoch habe man durchaus die Hoffnung gehabt, dass der juristische Weg einen schnellen Baustopp bewirken könne. "Aber uns war von Anfang an klar, dass wir einen langen Atem brauchen würden." Dennoch räumt sie ein, dass die letzten Monate und Jahre kräftezehrend waren. Wenn der Bau der Anlagen schon nicht zu verhindern war, dann wollen die Windpark-Gegner zumindest die befürchteten Auswirkungen auf Fauna, Flora und Menschen so gering wie möglich halten. Während der Bauphase sei dies durch das Aufzeigen von missachteten Nebenbestimmungen geschehen, in der Betriebsphase sollen die Windräder Abschaltzeiten unterliegen, erklärt Lilek-Schirmer.
Klage beim Verwaltungsgericht und Beschwerde beim VGH hin oder her, die Hoffnungen der BI ruhen mehr denn je auf dem Europäischen Gerichtshof: "Da müssen wir hin, dazu müssen wir aber erst die landesinternen Instanzen durchlaufen", so Lilek-Schirmer. Denn die Mitglieder der Bürgerinitiative sind überzeugt: "Mit Genehmigung und Bau der Windräder wurden verbindliche europäische Naturschutzrichtlinien verletzt." Ideal wäre daher ein Abbau der Anlagen und die Rückführung der zerstörten Flächen in den geschützten FFH-Status, so die BI-Sprecherin.



