Region Heidelberg

Wer wird die katholischen Groß-Pfarreien leiten?

In sieben Jahren wird es in der Erzdiözese Freiburg nur noch 36 Groß-Pfarreien mit jeweils einem leitenden Pfarrer geben. Der Auswahlprozess läuft.

10.06.2023 UPDATE: 10.06.2023 06:00 Uhr 4 Minuten, 39 Sekunden
Managementkoffer oder Seelsorge-Kelch? Leitende Pfarrer katholischer Großpfarreien erhalten Zusatzaufgaben, wissen die Priester der bisherigen Seelsorgeeinheiten in der Region. Fotos: privat

Von Felix Hüll

Region Heidelberg. Was machen eigentlich die leitenden katholischen Priester aus den Seelsorgeeinheiten der Region, wenn ihr bisheriger Sprengel bis 2030 in den neuen Groß-Gemeinden der Erzdiözese Freiburg aufgeht? Diese Frage hat schon den einen oder anderen Kommunalpolitiker beschäftigt bei der Überlegung, wer dann auf katholisch-kirchlicher Seite der örtliche Ansprechpartner sein wird. Aber auch die Priester selbst machen sich Gedanken zu ihrer Arbeitsplatzzukunft.

Der Prozess

Von den 1010 Pfarreien in 224 Seelsorgeeinheiten der Erzdiözese Freiburg werden bis in sieben Jahren nur noch 36 Groß-Pfarreien mit jeweils einem leitenden Pfarrer übrig bleiben. Nach Auskunft von Bistumssprecher Marc Mudrak sollen die Bewerbungsverfahren für die Stellen dieser leitenden Pfarrer in den 36 neuen Pfarreien im vierten Quartal dieses Jahres stattfinden. "Somit kann davon ausgegangen werden, dass Ende dieses Jahres auch die Namen der Priester feststehen, die die Leitung der neuen Pfarreien übernehmen werden." Wann sie jeweils ihre Stelle antreten, werde im Einzelfall geklärt, wohl 2024/2025.

Die Abwägung

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Nicht alle Leiter der bisherigen Seelsorgeeinheiten in der Region Heidelberg werden sich um eine der künftigen Leitungsstellen bewerben. So blickt etwa Pfarrer Karlheinz Gaiser von der Seelsorgeeinheit St. Hildegund im Steinachtal seiner Verabschiedung aus dem Amt entgegen, die im Juli ansteht. Und der für Spechbach mit zuständige Leiter der Seelsorgeeinheit Waibstadt, Pfarrer Joachim Maier, schließt für sich eine solche Bewerbung aus, "weil ich auch in Zukunft noch Seelsorger sein und ich mir die Verantwortung für eine Großpfarrei nicht aufbürden möchte".

Maier gibt zu bedenken, dass sich die Vertreter der Kommunen, Verbände und Vereine die Größe der künftigen Pfarreien zwar heute schon vorstellen könnten, "aber was für Auswirkungen dies hat, wird sich erst mit der Zeit zeigen." Für viele sei der Pfarrer vor Ort erster Ansprechpartner gewesen, wenn es um Angelegenheiten mit der katholischen Kirche ging. "Dies wird sich ändern, weil der eine leitende Pfarrer kein Supermann ist und sich nicht aufteilen kann," so Maier.

Der Erzbischof

Das scheint auch Erzbischof Stephan Burger und der Diözesanleitung bewusst zu sein. So gilt etwa als Voraussetzung für einen leitenden Pfarrer eine Dienstzeit von mindestens zehn Jahren sowie das erfolgreiche Ablegen der zweiten Dienstprüfung. Laut Erzbistumssprecher Mudrak sind Hauptaspekte bei den Kriterien zur Stellenbesetzung Kompetenzen und Erfahrung in der Leitung und Führung, eine pastorale Ausrichtung sowie die Stellungnahmen des Pfarrgemeinderats und des Seelsorgeteams. Mudrak: "Ebenso ist die Teilnahme an einem Qualifizierungsprogramm Pflicht, das derzeit eigens entwickelt wird."

Die Qualifikation

Bei diesem Qualifizierungsprogramm sollen 50 Interessenten aus den Reihen der aktuell 706 Priester der Erzdiözese – darunter jene 211 der schon jetzt eine Seelsorgeeinheit leitenden Pfarrer – speziell in Qualifikationen geschult werden, die Voraussetzung fürs Ausüben dieser Großgemeinden-Leitungsfunktion sind. Gedacht ist dabei an Fähigkeiten wie die Leitung im Team, Entscheidungs- und Konfliktfähigkeit, Kommunikation, Offenheit sowie Innovationsdenken.

Die bislang selbstständige Pfarrei Christkönig in Eppelheim war es schon seit dem Zusammengehen mit elf weiteren Pfarreien zur Stadtkirche Heidelberg gewohnt, dass der leitende Pfarrer, bislang Johannes Brandt, nicht vor Ort residierte. Mit der Kirchenentwicklung 2030 wird aus den zwölf Pfarreien der Stadtkirche Heidelberg die neue, einheitliche Pfarrei "Heilig Geist", deren Leitung, wie von Mudrak beschrieben, aus dem Prozess hervorgehen wird.

So wird dies laut dem Sprecher auch für die anderen Neu-Pfarreien sein: Wer leitender Pfarrer in den Zukunftsgemeinden mit den jeweiligen Arbeitstiteln sein wird, entscheidet sich erst noch, das gilt für "Weinheim" mit dem Steinachtal sowie Dossenheim mit Pfarrer Ronny Baier, "Wiesloch-Ost" mit Leimen, Nußloch, Sandhausen und Pfarrer Arul Lourdu, "Kraichgau" mit der Seelsorgeeinheit Neckartal, Elsenz und Spechbach und den Pfarrern Tobias Streit sowie Joachim Maier.

Die Nachbarn

Nicht zur Erzdiözese Freiburg gehört die katholische Pfarrei Herz-Jesu im hessischen Neckarsteinach. Sie ist Teil des "Pastoralraums Neckartal" im Bistum Mainz. Dort findet das Bilden größerer Einheiten in anderem Rhythmus und nach anderen Abläufen statt als in Baden. Vor Ort ist der Karmeliterpater Sijoy Peter Thevarakatt Leiter des Seelsorgeteams. Das Neckartal (Neckarsteinach, Hirschhorn, Bad Wimpfen) soll langfristig eineinhalb Seelsorger-Stellen behalten.



Pfarrer Tobias Streit ist bereit, Leitungsaufgaben anzugehen

Pfarrer Tobias Streit, Leiter der Seelsorgeeinheit Neckar-Elsenz, hat sich am Auswahlprozess für künftige leitende Pfarrer der neuen katholischen Großgemeinden beteiligt. "Es ist spannend", sagt Streit. Um Fragen nach seiner künftigen Verwendung beantworten zu können, sei es noch zu früh. Streit: "Aber ich bin sicher, dass irgendwo ein Platz für mich sein wird."

Tobias Streit. Foto: Alex

Jetzt ab Juni finde das Interessenbekundungsverfahren statt. Dazu seien alle Pfarrer ab dem Weihejahrgang 2016 eingeladen, sich bei der Personalabteilung zu melden. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, werde er wissen, wie es mit ihm erst einmal grundsätzlich weitergehen wird. Erzbischof Stephan Burger und die Diözesanleitung haben alle leitenden Pfarrer zu einem Austausch eingeladen. "Ich selbst war vor einigen Wochen in Freiburg und habe mit zahlreichen Mitbrüdern ebenfalls erfahren, wie die Planungen sind."

Der große Prozess der Kirchenentwicklung wird laut Streit zahlreiche Veränderungen auch beim Personal in den Gemeinden bringen. "Derzeit wird geschaut, wie hauptamtliche Mitarbeitende in der neuen Pfarrei tätig sein können." Das hänge von vielen Faktoren ab.

Neben dem leitenden Pfarrer brauche es auch viele andere Pfarrer, für die viele Einsatzperspektiven denkbar seien – neben Sonderseelsorgestellen (Krankenhaus, Jugendarbeit, Gefängnis, Militär etc.) werden laut Streit Pfarrer auch im Seelsorgeteam mitarbeiten.

Zu seinen Beweggründen, sich um eine Stelle als leitender Pfarrer in einer künftigen Großgemeinde in der Größe bisheriger ganzer Kirchenbezirke beziehungsweise Dekanate zu bewerben, erklärt Streit auf RNZ-Nachfrage: "Ich bin noch relativ jung. Und ich habe mir gesagt, dass ich gerne die Kirche mitgestalten möchte. Es liegt so viel Potenzial und so viel Engagement in den einzelnen Gemeinden. Außerdem finde ich es großartig, wie viele Menschen ihr Herzblut für die Kirche einsetzen. Ich staune, dass so vieles möglich ist, wenn man sich auch auf Veränderungen und neue Ideen einlässt."

Streit hat viele Anliegen, für die er sich engagieren möchte. "Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Mir liegt die Jugendarbeit sehr am Herzen. Wie schaffen wir es, dass unsere Kirche auch bei jungen Menschen eine Rolle spielt? Streit sagt, momentan sehe er eine große Herausforderung darin, wie die Kirchenentwicklung 2030 alle Beteiligten herausfordert. "Wir sind derzeit dabei, die verschiedenen Themengruppen zu erarbeiten. Ich frage mich, ob wir es schaffen, diese Themenvielfalt überhaupt alle in diesem Zeitraum bearbeiten zu können. Dazu braucht es viele, viele Menschen."

Ein ehrlicher Blick in die Gemeinden mache deutlich, dass schon jetzt viele Menschen am Limit seien. Streit: "Diejenigen, die sich in den Gemeinden engagieren, sind meist in mehreren Gremien, Gruppierungen oder Kreisen. Und irgendwann ist natürlich die kostbare Zeit auch begrenzt." Es sei wichtig, darauf zu achten, dass der ganze Vorgang die Leute nicht überfordere. "Wenn wir ehrlich sind, sind 16 Gemeinden für einen einzigen Pfarrer schon zu viel. Das erlebe ich jederzeit hautnah in unserer Kirchengemeinde."

In den vergangenen knapp zwei Jahren habe sich sehr vieles in der Kirchengemeinde geändert. Streit: "Wir wachsen glücklicherweise immer mehr zusammen." Die verschiedenen Gruppierungen vernetzten sich immer mehr und Beispiele zeigten, wie man das auch erlebbar machen könne. "Es ist mir ein großes Anliegen, dass man nicht nur über den ganzen Prozess meckert und nur auf den Problemen beharrt. Mir ist wichtig, dass Chancen und viele tolle Effekte auch erkannt und genutzt werden."

Kirche solle vor Ort spürbar und erlebbar sein. Dabei dürfe man sich nicht nur auf die großen Orte konzentrieren, sondern müsse auch die Kleineren bedenken. Ob auch künftig wie bisher in allen – auch den kleineren – Kirchen Eucharistiefeiern stattfinden, kann Streit derzeit aber nicht abschätzen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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