Den Katholiken steht ein Umbruch bevor
Die Zusammenlegung zu 36 Pfarreien bringt tiefgreifende Veränderungen in der Region. Nun sind die Gläubigen selbst gefordert.

Von Felix Hüll
Region Heidelberg. Die Aufgabe ist klar: Aus 1010 Pfarreien in 224 Seelsorgeeinheiten sollen in der katholischen Erzdiözese Freiburg ab 2026 nur noch 36 Pfarreien werden. Der Weg dorthin heißt "Kirchenentwicklung 2030". Der Umgestaltungsprozess wirkt sich auch auf die Gemeinden in der Region Heidelberg aus. Wo sie sich dabei aktuell befinden, hat die RNZ in den derzeit noch bestehenden Dekanaten rings um Heidelberg erfragt – sowohl den zur Erzdiözese Freiburg gehörigen, als auch in Neckarsteinach, das zur Nachbardiözese Mainz gehört. Diözesen sind Amtsgebiete eines Bischofs – in Freiburg ist das Erzbischof Stephan Burger und in Mainz Bischof Peter Kohlgraf. In Amtsbereich von Letzterem werden aus 134 Pfarreiverbünden 46 "Pastoralräume", die zu 46 neuen Pfarreien werden sollen.

> Das Problem: "Bei den Leuten an der Basis ist es noch recht weit weg. Aber alle wissen, es kommt was. Wir werden zusammengewürfelt", erklärt Pfarrer Tobias Streit von der Seelsorgeeinheit Neckar-Elsenz. Er ist einer von zwei "Projektkoordinatoren" für die neue Pfarrei Kraichgau. Mit anderen Worten: Was bislang ein Dekanat mit rund 50.000 Katholiken in fünf Seelsorgeeinheiten war, stellt künftig eine Pfarrei dar – mit einem leitenden Pfarrer und vielen Gemeindeteams, die in den verschiedenen Orten und Kirchen innerhalb dieser großen Pfarrei den kirchlichen Alltag bestreiten. Die mögliche Folge: Findet sich von den Ehrenamtlichen niemand, der etwa die Kommunionvorbereitung oder die Wortgottesdienste übernimmt, wird es diese nicht mehr geben.
> Die Ausgangslage: In der Region Heidelberg verteilen sich die Kirchengemeinden bislang auf die drei Dekanate Heidelberg-Weinheim, Wiesloch und Kraichgau in der Erzdiözese Freiburg sowie auf das Dekanat Bergstraße-Ost im Bistum Mainz. Innerhalb der Dekanate sind heute schon viele Pfarreien zu Seelsorgeeinheiten zusammengelegt worden. Im Zuge des nun laufenden Reformprozesses machen sie sich nun also auf den Weg, nochmals in größeren Einheiten aufzugehen. Das Dekanat Heidelberg-Weinheim wird sich in zwei Pfarreien teilen: Die Stadtkirche Heidelberg, zu der Eppelheim schon heute gehört, ist die eine. Die andere erhält den Arbeitstitel Bergstraße-Steinachtal. Ebenso teilt sich das Dekanat Wiesloch auf in eine Pfarrei West und eine Pfarrei Ost. Das Dekanat Kraichgau wird zur Pfarrei gleichen Namens und Zuschnitts. Das Besondere im "Pastoralraum Neckartal" mit Neckarsteinach: Neben Hirschhorn kommt hier noch das gut 50 Kilometer entfernte Bad Wimpfen in das künftige Pfarreigebilde hinzu.
> Das Übergeordnete: "Wir sind ganz am Anfang", sagt Detlev Aurand. Der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats in der Seelsorgeeinheit Schriesheim-Dossenheim hat als Mitglied im Dekanatsrat viel Einblick in den Umwandlungsprozess. Durch verschiedene weitere Ämter hat er quasi das Ohr des Erzbischofs: Aurand gehört dem Diözesanrat ebenso an wie dem erzbischöflichen Diözesanpastoralrat und dem Arbeitskreis "Kirchenentwicklung 2030". Wenn Aurand über die künftigen Pfarreien spricht, fallen Begriffe wie "kanonisches Recht", "politisch-territorialer Raum" oder "Unterschiede zwischen Union und Fusion".
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Hintergrund
> Die Anzahl der Gläubigen nimmt auch in den katholischen Kirchengemeinden der Region Heidelberg ab. Dies lässt sich an Zahlen aus den größeren Städten und Gemeinden mit über 12.000 Einwohnern ablesen. 2013 gab es in Leimen 7571 Katholiken. Zehn Jahre später, 2023, sind es
> Die Anzahl der Gläubigen nimmt auch in den katholischen Kirchengemeinden der Region Heidelberg ab. Dies lässt sich an Zahlen aus den größeren Städten und Gemeinden mit über 12.000 Einwohnern ablesen. 2013 gab es in Leimen 7571 Katholiken. Zehn Jahre später, 2023, sind es 6175. In Sandhausen sank die Zahl von 4238 auf 3535, in Nußloch von 3360 auf 2864, in Dossenheim von 4157 auf 3455. In Eppelheim gibt es keine Angabe dazu, wie viele Katholiken 2013 registriert waren. 2023 sind es 3559. Bei den Nachbargemeinden machten die Katholiken 2013 jeweils etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung aus. Danach hätte Eppelheim vor zehn Jahren rund 4450 Katholiken gehabt. Für Neckarsteinach waren weder aktuelle noch die Vergleichszahlen 2013 in Erfahrung zu bringen. In Hessen nennt Barbara Flößer für die Einheiten Überwald, Neckartal und Bad Wimpfen aktuell die Gesamtzahl von 3998 Katholiken. Für die Seelsorgeeinheit Neckar-Elsenz teilt Pfarrer Tobias Streit mit, 2022 seien 213 Katholiken aus der Kirche ausgetreten, aber auch sieben Menschen eingetreten. Streit: "Das hört sich klein an. Aber im Vergleich zur ganzen Erzdiözese sind es allein hier sieben von 160 insgesamt." Die Ermittlung der Anzahl der Katholiken gestaltete sich schwierig. Nicht alle Einwohnermeldeämter machten Angaben. Das Statistische Landesamt hat nur vom Zensus 2011 die landesweite Zahl von 3,92 Millionen Katholiken. Das Erzbistum Freiburg teilt mit, dass es derzeit 1,7 Millionen Katholiken zählt, Tendenz fallend. fhs
> Der aktuelle Stand: Es gilt jetzt, Antworten auf die Fragen zu geben "Wie wollen wir die Pastoral künftig gestalten?", "Wo soll der Standort der neuen Pfarrei sein?" und "Welche Gremien beschließen rechtskräftig die Zukunft?" Aurand: "Das Schlimme ist, dass die Allgemeinheit das noch nicht in aller Breite mitgekriegt hat."
> Die Vorgehensweise: "Wir haben so eine Art Pastoralplan entwickelt", schildert Pfarrer Streit den Weg im Dekanat Kraichgau: Nach verschiedenen Vorbereitungstreffen will die Projektleitung jetzt in jeder Kirchengemeinde einen Infoabend veranstalten. Danach sollen die Gemeindemitglieder Themengruppen zu ihnen wichtigen Angelegenheiten bilden – etwa zu Männern und Frauen in der Kirche, Kirchenmusik, Nachhaltigkeit, oder zu verschiedenen Sakramenten wie etwa Kommunion oder Firmung, Ehe oder Beerdigung. "Wir haben gefragt: Wer hat Interesse, ins Neue hineinzuschauen? Was inspiriert uns? Was können wir von dem lebendigen Jetzt ins Neue mit hinein nehmen?" So formuliert Gernot Hödl die Herangehensweise in der Seelsorgeeinheit Leimen-Nußloch-Sandhausen auf dem Weg in die neue Pfarrei mit dem Arbeitstitel "Wiesloch-Ost". Hödl ist hier mit dem Wieslocher Pfarrer Bernhard Pawelzik der Projektkoordinator für die neue Pfarrei.
> Die Chance: Diese Gestaltungsarbeit von unten geschieht in den verschiedenen Dekanaten zwar ähnlich, aber nicht genau gleich. Über Details informieren jeweils Flugblätter, Infos in den Kirchen oder im Internet. Jeder Einzelne ist gefragt und aufgefordert mitzumachen. Wo sich niemand engagiert, wird es künftig wohl auch nichts mehr geben vom bisher noch Vorhandenen. Darin sieht Detlev Aurand eine Chance: "Wir gestalten das. Wir lassen uns nicht gestalten." Ein bisschen erinnern Aurands Worte an die Aufbruchstimmung einst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), einer Zeit großen Umbruchs in der katholischen Kirche. Aurand sagt: "Rom muss lernen: Wir sind kein Schäfchen, die gehütet werden." Das allgemeine Priestertum liege bei den Gläubigen. "Wer getauft und gefirmt ist, ist befähigt dazu", betont Aurand. Er weiß aber auch, dass viele Gemeindemitglieder hierzulande noch nicht verinnerlicht haben, "dass wir keine Volkskirche mehr sind. Wir sind nicht mehr gesellschaftsprägend".
> Die Hoffnung: "Wir wollen unseren Bedarf an die Menschen anpassen und sinnstiftende Räume ermöglichen", formuliert es Barbara Flößer, die Koordinatorin für den "Pastoralraum" Neckartal. Auch hier sind Veranstaltungen in den Gemeinden geplant. Flößer berichtet: "Ich habe sehr engagierte Menschen erlebt, denen Kirche vor Ort etwas bedeutet und die etwas gestalten wollen." Das gilt auch im Erzbistum Freiburg. Pfarrer Streit formuliert als Marschroute: "Wir brauchen jetzt die Menschen, die hier ihr Herzblut reinstecken."




