Naturbad Neckargemünd: Diese Badesaison war "eine mittlere Katastrophe"

Im RNZ-Interview verteidigt Bürgermeister Horst Althoff auch nach einer desaströsen Saison die Entscheidung für ein Naturbad

18.09.2015 UPDATE: 19.09.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 19 Sekunden

Still ruht das Naturbad - nicht nur nach der Saison, sondern auch während dieser: Dieses Jahr war das Becken acht Wochen gesperrt. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Neckargemünd. Es war eine Badesaison zum Vergessen: Vier Monate lang war das Kleingemünder Terrassenfreibad geöffnet, doch der Naturbadebereich war fast die Hälfte der Zeit wegen zu hoher Keimwerte gesperrt. Ein neuer Tiefpunkt seit dem Teilumbau des Bades im Jahr 2008. Während sich die Freibäder in Bammental und Leimen über sehr gute Besucherzahlen freuten, war die Saison in Neckargemünd trotz des guten Wetters mit rund 120 000 Besuchern lediglich durchschnittlich. Und das lag vor allem am Desaster mit dem Naturbad, meint Horst Althoff (CDU). Im RNZ-Interview erklärt der seit 2000 amtierende 52-jährige Bürgermeister außerdem, warum der Stadt die Hände gebunden sind und wie es weitergehen soll.

Herr Althoff, eine Umfrage hat ergeben, dass die Bürger mit der Wohnqualität in Neckargemünd überwiegend zufrieden sind. Glauben Sie, dass das auch auf das Freibad zutrifft?

Ich glaube nicht, dass die Stimmung in der Bevölkerung in dieser Badesaison gekippt ist. Vom Grundsatz her wird die Umwandlung in ein Naturbad noch immer positiv gesehen. Wir haben dadurch auch mehr neue Badegäste gewonnen, als wir Besucher verloren haben, die eben nur in einem konventionellen Bad schwimmen gehen wollen. Die Voraussetzung ist natürlich, dass dieses Naturbad auch einwandfrei funktioniert. Das ist leider nicht der Fall. Auch wir bedauern, dass das Naturbecken dieses Jahr über acht Wochen lang gesperrt war. Das hatten wir noch nie. Die Leute sind zurecht sauer, dass sie nicht darin schwimmen können. Ich hoffe aber nicht, dass manche so verärgert sind und dauerhaft wegbleiben.

Sehen Sie die Gefahr, dass immer mehr Badegäste frustriert nach Bammental oder Heidelberg abwandern?

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Bisher gab es keine dauerhafte Abwanderung. Problematisch wird es erst, wenn die nächste Saison wieder so wird wie diese. Die meisten Badegäste halten dem Bad die Stange, was uns natürlich sehr freut. Manche Besucher kommen sogar aus Frankfurt. Fakt ist aber, dass wir in diesem Jahr durch die Sperrungen einige Badegäste weniger hatten. Es hätten bestimmt 20 000 mehr sein können. Die Leute haben sich informiert und sind dann einfach nicht gekommen. In guten Saisons mit Wetter wie in diesem Jahr hatten wir schon knapp 150 000 Besucher.

Wie fällt Ihr Fazit aus? Muss man aus Sicht der Stadt nicht schon von einer Katastrophe sprechen?

Eine Katastrophe war für mich der Brand des Schulzentrums. Das hier ist eine mittlere Katastrophe. Es ist einfach ärgerlich. Wenn man ein Freibad für fast fünf Millionen Euro saniert, erwartet man natürlich auch, dass es funktioniert. Allein 2,7 Millionen Euro davon hat das Naturbad gekostet. Wir haben damals lange überlegt, viele Experten um Rat gefragt und auch andere Naturbäder angeschaut. Die Grünen wollten damals ein komplettes Naturbad, was günstiger gewesen wäre. Letztlich haben wir uns dann aber für eine Teillösung entschieden. Damit haben wir trotzdem ein Alleinstellungsmerkmal in der Region bekommen.

Es gab damals schon kritische Stimmen, die angezweifelt haben, dass solch ein Naturbad überhaupt funktioniert. Hätte man auf diese hören müssen? Inzwischen wird schon von der größten Fehlinvestition der Stadt gesprochen.

Es war damals kein Fehler. Wir hatten seither Saisons, in denen das Naturbecken nur eine oder zwei bis drei Wochen zu war. Keiner konnte damals wissen, dass planerisch und baulich offensichtlich Fehler gemacht wurden. Deshalb haben wir beim Heidelberger Landgericht ein Beweissicherungsverfahren beantragt und letztlich auch Klage erhoben.

Sie sprechen es an. Worin genau sieht die Stadt die Ursache für die ständig zu hohen Keimwerte?

Ein Gutachten hat ergeben, dass ein Schaden von knapp 1,1 Millionen Euro entstanden ist. So soll das Naturbecken "schief" sein und somit das Wasser nicht gleichmäßig auf allen Seiten überlaufen. Stehendes Wasser ist ideal für die Pseudomonas-Keime, mit denen wir zu kämpfen haben. Außerdem soll es Mängel in der biologischen Wasseraufbereitung des Badewassers geben. So soll Filtersubstrat falsch eingebaut worden sein und teilweise lassen sich Rohrleitungen nicht reinigen. Wir glauben, dass diese voller Muscheln sind. Insgesamt führt wohl alles zusammen zu den Problemen.

Wie hoch waren die Messwerte, die zu den Sperrungen geführt haben?

Wir folgen den Empfehlungen des Gesundheitsamtes in Heidelberg, das sich an den Richtwert des Umweltbundesamtes hält. Dieser liegt beim Wasserkeim Pseudomonas bei zehn. Der Großteil unserer Messwerte, die zur Sperrung führten, lag zwischen zehn und 100. Interessant ist, dass sich nicht jedes Gesundheitsamt daran hält. In Bayern wird häufig ein Wert von 100 als Grenze angelegt. Da wäre unser Bad fast immer offen. Wir halten uns aber an die Empfehlungen unseres Gesundheitsamtes, auch wenn die Entscheidung zur Schließung bei der Stadt liegt. Wir wollen auf Nummer sicher gehen und die Gesundheit von keinem einzigen Badegast gefährden. Lediglich bei minimalen Überschreitungen haben wir auch mal aufgelassen. Bei Badeseen sind die Pseudomonas-Werte übrigens viel höher, nur interessieren sie dort nicht.

Das Gerichtsverfahren läuft nun schon seit fünf Jahren - und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Auch wir hätten uns gewünscht, dass es schneller geht. Aber der Planer und die Baufirmen sagen natürlich, dass die Bademeister das Bad falsch bedienen. Das Gericht musste erst herausarbeiten, was überhaupt strittig ist. Inzwischen hat sogar der Richter gewechselt, der neue musste sich dann erst in die komplizierte Materie einarbeiten. Derzeit wird ein Ergänzungsgutachten erstellt, das noch offene Fragen klären soll. Dazu gab es erst am Dienstag einen Vor-Ort-Termin im Freibad. Wir hoffen nun, dass alles schnell geht und festgestellt wird, wer welchen Schaden verursacht hat und zahlen muss.

Kann die Stadt überhaupt etwas tun, um diesen Prozess zu beschleunigen?

Nein. Die Justiz ist unabhängig. Man muss sehen, dass wir noch in der ersten Instanz sind. Ursprünglich haben wir gedacht, dass wir fünf Jahre mit zwei Instanzen brauchen. Entweder es gibt nun ein Urteil oder das Gericht macht einen Vergleichsvorschlag. Dann müssen wir bewerten, ob dieser akzeptabel ist. Nach einem Urteil ist immer noch eine Berufung möglich. Denkbar ist, dass wir nach einem für uns positiven Urteil nicht die zweite Instanz abwarten und schon mit dem Umbau beginnen. Bis dahin dürfen wir aber nichts im Bad verändern. Eine Rückkehr zu einem konventionellen Bad ist noch kein Thema. Wir wollen schnell rangehen, bauen aber nur um, wenn wir wissen, dass es dann auch funktioniert.

Wann ungefähr könnte dies geschehen?

Was soll ich dazu noch sagen...

Eine Initiative hat Unterschriften gesammelt und fordert, dass die Stadt das Gerichtsverfahren sofort stoppt und das Bad auf eigene Kosten umbaut.

Das ist völlig ausgeschlossen. Ich würde mich möglicherweise sogar strafbar machen, wenn ich Forderungen der Stadt nicht eintreibe. Ich hätte den Schaden gerne im Interesse der Bürger ersetzt.

Wie geht es nun weiter?

Das wäre der Blick in die Glaskugel. Wir werden auf jeden Fall demnächst im Gemeinderat besprechen, wie wir mit der Gesamtsituation umgehen. Nicht wenige Bürger haben Dauerkarten gekauft. Diesen wollen wir entgegenkommen. Aus dem Gemeinderat kam der Vorschlag, diesen Besuchern im nächsten Jahr einen Bonus zu gewähren, wenn sie uns die Treue halten und wieder eine Dauerkarte kaufen.

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