Keine Impfung in Sicht für Senioren im Bammentaler "Betreuten Wohnen"
Senioren im "Betreuten Wohnen" in Bammental bemühen sich vergeblich - Benachbartes Anna-Scherer-Haus hat als Pflegeheim Priorität

Von Lukas Werthenbach
Bammental. "Vor ein paar Monaten hatte ich noch keine Angst vor Corona", sagt Ingeborg Wankmüller, "aber bald kriege ich Panik". Die 80-Jährige lebt im Seniorenpark für "Betreutes Wohnen" beim Anna-Scherer-Haus – und versucht seit Tagen vergeblich, einen Impftermin für sich und andere Senioren zu organisieren. Denn während Personal und Bewohner im benachbarten Anna-Scherer-Haus – wie bundesweit alle Pflegeheime – ganz oben auf der Prioritätenliste für den Besuch eines mobilen Impfteams stehen, müssen sich die Senioren im "Betreuten Wohnen" selbst um den begehrten Pieks kümmern. Nicht nur diese Regelung ärgert die rüstige Seniorin.
Wankmüller ist eine engagierte Dame, führte 13 Jahre lang den Gaiberger SPD-Ortsverein, setzt sich nicht nur als Mitglied des Seniorenpark-Fördervereins noch immer für das Allgemeinwohl ein. So nimmt sie beim Gespräch mit der RNZ über die Sorgen der Senioren im "Betreuten Wohnen" kein Blatt vor den Mund: "Die scheren sich einen Dreck darum, ob wir geimpft sind oder nicht", sagt sie über ihre Gesprächspartner, die sie bisher bei Telefonaten mit der Nummer 116 117 an der Strippe hatte.
Dorthin sollen sich Über-80-Jährige wenden können, um einen Impftermin zu vereinbaren – für die Region finden diese bisher im Zentralen Impfzentrum im Heidelberger PHV statt. Doch unter der genannten Telefonnummer habe sie bisher nur "stundenlang" in der Warteschleife verbracht, berichtet Wankmüller. "Und wenn man einen Termin in Heidelberg oder Mannheim kriegen sollte, wäre man für die Anfahrt auf Angehörige oder Bekannte angewiesen", meint sie.
Hintergrund
Pflegeheim darf für Betreutes Wohnen keine Regeln aufstellen
Insbesondere in jenen Anlagen für "Betreutes Wohnen", die sich in direkter Nachbarschaft zu Pflegeheimen befinden, kommen in der Corona-Pandemie viele Sorgen auf. So wandte sich aus dem
Pflegeheim darf für Betreutes Wohnen keine Regeln aufstellen
Insbesondere in jenen Anlagen für "Betreutes Wohnen", die sich in direkter Nachbarschaft zu Pflegeheimen befinden, kommen in der Corona-Pandemie viele Sorgen auf. So wandte sich aus dem "Seniorenwohnen" bei der Erlbrunner Höhe nun Bernd Kramer an die RNZ – seine Frage: "Warum ist im benachbarten Pflegeheim alles abgeschottet, während bei uns jeder rein- und rausgehen kann, wie er Lust hat?"
Der 73-Jährige lebt seit 2013 in einer Seniorenwohnung. Auch hier leben die Menschen selbstständig als Eigentümer oder Mieter. Pflegerische Leistungen werden durch externe, ambulante Dienste übernommen; der Hausnotruf ist ans benachbarte Pflegeheim angeschlossen, in normalen Zeiten gibt es zudem Angebote der gemeinsamen Nutzung des Speisesaals und verschiedene Gemeinschaftsveranstaltungen.
Doch spätestens nach einigen – bekanntlich im November aufgetretenen und inzwischen überstandenen – Corona-Fällen im Pflegeheim der Erlbrunner Höhe wurde Kramer etwas mulmig: "Am Pflegeheim gibt es Warnhinweise an den Türen und Besuche sind nur nach Anmeldung möglich." Doch in der von ihm bewohnten Einrichtung gebe es nichts dergleichen. Die RNZ fragte daraufhin beim Leiter der Erlbrunner Höhe, Peter Prott nach: "Alle sind sehr vorsichtig", bestätigt er den Eindruck über das Verhalten der Senioren im "Betreuten Wohnen". Auch im Sommer bei gemeinsamen Hofkonzerten unter freiem Himmel etwa hätten viele von ihnen es als "zu gefährlich" empfunden, sich zu den Bewohnern des Pflegeheims im Publikum hinzuzugesellen.
Mit Blick auf die Frage von Warnhinweisen für das "Seniorenwohnen" erklärt er: "Wir als Pflegeheim wären gar nicht dazu befugt. Der Hausverwalter und die Eigentümergemeinschaft müssten solche Regeln aufstellen." Demnach sei im Vergleich zu Kramers Sorge auch ein "gegenteiliges Echo" zu erwarten, wenn ein Pflegeheim die eigenständig wohnenden Senioren mit derartigen Maßnahmen bevormunden würde. Zudem erinnert Prott daran, dass das Pflegeheim normalerweise tagsüber durch automatisch öffnende Türen für jeden zugänglich sei, während man ins Gebäude des "Seniorenwohnens" stets nur mit Schlüssel komme.
Zum Thema Impfen erklärt der Einrichtungsleiter indes: "Ich hätte nichts dagegen, wenn die Senioren des ,Betreuten Wohnens’ beim Besuch des mobilen Impfteams zu uns rüberkommen würden, aber das ist wohl so nicht vorgesehen." Dennoch habe er die Fragen der Senioren dazu an die Verantwortlichen des Rhein-Neckar-Kreises weitergegeben, so Prott.
"Wir fühlen uns allein gelassen", sagt die 80-Jährige auch stellvertretend für andere Senioren im "Betreuten Wohnen". Schließlich sei der Seniorenpark nahezu unabhängig vom benachbarten Pflegeheim im Anna-Scherer-Haus: "Wir haben hier von Privatleuten Wohnungen gemietet", erklärt Wankmüller, "ich zahle zum Beispiel 850 Euro* monatlich für 61 Quadratmeter." Darin enthalten seien die Mahlzeiten, die vor der Pandemie stets auch im Speisesaal des Anna-Scherer-Hauses verzehrt werden konnten. "Außerdem haben wir den Vorteil einer Rufanlage für Notfälle, die ans Anna-Scherer-Haus angeschlossen ist". Ebenfalls sei in normalen Zeiten die Mitbenutzung etwa von Veranstaltungsräumen möglich. Alles weitere wie verschiedene Pflegeleistungen müsse man im "Betreuten Wohnen" aber zusätzlich zahlen.
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Wankmüller betont, dass sie dem Anna-Scherer-Haus und dessen Leitung "keinen Vorwurf" machen will. Dennoch sei sie ebenso wie viele andere Senioren verängstigt. Und sie haben kein Verständnis für die unterschiedlichen Bedingungen beim Infektionsschutz in Pflegeheimen einerseits und im "Betreuten Wohnen" andererseits. "Im Anna-Scherer-Haus werden sie alle drei Tage getestet, und bei uns passiert gar nichts", nennt sie ein weiteres Beispiel. Mit Blick auf bekanntlich mehrere aktuelle Corona-Fälle im benachbarten Pflegeheim ergänzt sie: "Wir sind in großer Sorge, dass jemand von dort bei uns reinkommt und hier jemanden ansteckt."
In der Hoffnung, dass vielleicht doch ein gemeinsamer Impftermin mit dem Pflegeheim möglich wird, schrieb Wankmüller nun Bammentals Bürgermeister Holger Karl an. Auf RNZ-Nachfrage erklärt dieser: "Ich habe volles Verständnis dafür, dass Betroffene diese Frage umtreibt." Wankmüllers Anregung gab er gleich ans zuständige Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises weiter und warb dabei für dieses "sinnvolle Anliegen".
In ihrer Antwort verweist die Behörde auf die Verordnung des Sozialministeriums, "wonach Bewohnende im Betreuten Wohnen gerade nicht zu den Impfberechtigten höchster Priorität gehören". Dennoch suche man "allgemeinverträgliche und logistisch sinnvolle Lösungen", weshalb das Anliegen nun an die "Koordinierungsstelle" der Behörde weitergegeben worden sei.
*Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels war irrtümlich von 1850 Euro Monatsmiete die Rede. Wir haben das korrigiert.



