Neckarsteinach

Noch reicht das Wasser, aber der Sommer ist lang

Trinkwasser kommt in Neckarsteinach aus sieben Quellen - Doch die sind nicht mehr so ergiebig wie früher - Auch Mückenloch bangt

20.07.2020 UPDATE: 21.07.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden
Im Doppelwasserbecken im Hochbehälter Viehgrund wird das Wasser aufbereitet, das anschließend an Haushalte in Neckarsteinach und zum Teil auch in Mückenloch fließt. Foto: Hinz

Von Elisabeth Hinz

Neckarsteinach. Von jeher war die Vierburgenstadt stolz darauf, in ihrer Wasserversorgung völlig autark zu sein. Sie konnte sich auf die zuverlässige Schüttung ihrer eigenen Quellen verlassen, die rund 4000 Einwohner mit dem wichtigsten Lebensmittel versorgen. Doch inzwischen zeigt sich: Die heißen Sommer und die ebenfalls trockenen Winter gehen an den Quellen nicht spurlos vorbei. Ihre Ergiebigkeit sinkt.

Es sind insgesamt sieben Quellen, die in Neckarsteinach für frisches Nass aus dem Wasserhahn sorgen. Das Wasser von vier Quellen, die im Lanzenbachtal und am Bittersbach liegen, wird nach Neckarhausen und dann über eine drei Kilometer lange Leitung in die Kernstadt geleitet; drei weitere Quellen, die im Greiner Viehgrund sprudeln, versorgen die Stadtteile Grein und Darsberg. Weil die alte Leitung zwischen Neckarhausen und der Kernstadt schon 80 Jahre alt ist und es immer wieder zu Wasserrohrbrüchen kam, durch die viel Wasser verloren ging, wurde erst im vergangenen Jahr eine fast eine Million Euro teure Parallelleitung angelegt.

Die Rohre im Hochbehälter sind zur besseren Unterscheidung farblich markiert. Grün bedeutet Rohwasser, das direkt von der Quelle kommt, Blau ist das fertig aufbereitete Trinkwasser und Rot steht für Spülwasser. Foto: Hinz

Das Neckarsteinacher Trinkwasser hat eine hervorragende Qualität. Es ist mineralstoffarm und weich und hat einen niedrigen pH-Wert von knapp 6. Es eignet sich besonders gut zum Kaffee- und Teekochen, greift aber andererseits wegen seines Kohlensäuregehalts eisenhaltige Rohre an. Die reiche Schüttung der Quellen und die gute Qualität des Wassers trugen schon im Mittelalter dazu bei, dass hier das Gerberhandwerk eine besondere Bedeutung fand.

Die sieben Quellen schütteten noch vor 40 Jahren nahezu 1.000.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr – viel mehr, als in der hessischen Gemeinde gebraucht wurde. Und deshalb konnte 1980 mit Neckargemünd ein Vertrag geschlossen werden, der es erlaubte, dem Stadtteil Mückenloch jährlich gut 60.000 Kubikmeter Neckarsteinacher Wasser zu verkaufen. Dafür wird das Quellwasser aus dem Lanzenbachtal zuerst ins Neckarsteinacher Gewerbegebiet, dann durch einen sogenannten Dücker unter dem Neckar auf die badische Seite geleitet und dann nach Mückenloch hochgepumpt. Auf beiden Seiten des Neckars befinden sich Messeinrichtungen, die sicherstellen, dass nicht durch einen Rohrbruch unterm Flussbett unbemerkt Wasser verloren geht.

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Der somit überwiegende Teil des Quellwassers fließt in Neckarsteinach in drei große Hochbehälter, die über ein Fassungsvermögen von 200, 400 und 600 Kubikmeter verfügen. Hier gibt es konkrete Pläne, das Volumen des in der Eichendorffstraße gelegenen größten Hochbehälters auf 1200 Kubikmeter, also auf das Doppelte, zu vergrößern.

Doch dieses lange Jahre gut funktionierende System ist inzwischen brüchig geworden. Wassermeister Norbert Schmitt beobachtet seit Jahren einen kontinuierlichen Rückgang der Quellenschüttung. Die durchschnittliche Tagesschüttung, die zu Beginn der regelmäßigen Messungen 1997 noch bei circa 1600 Kubikmeter lag, war erstmalig im heißen Sommer 2003 gesunken und im Winter 2012 auf 770 Kubikmeter heruntergegangen. Die Hitzesommer 2018 und 2019 und die niederschlagsarmen Winter haben natürlich weiter stark zum Rückgang der Schüttungen beigetragen. Zurzeit können jährlich nur noch 440.000 Kubikmeter Wasser aus den Quellen für die Trinkwasserversorgung genutzt werden.

Trotzdem bezeichnet Bauamtsleiter Roland von Petersdorff-Hagedorn die Situation noch als ausreichend; auch an Mückenloch wurden in diesem Jahr schon 31.000 Kubikmeter Wasser verkauft. Aber der Sommer ist noch lang.

Es ist absehbar, dass Neckarsteinach Vorsorge treffen und nach Alternativen suchen muss. In der jüngsten Stadtverordnetenversammlung hat die SPD-Fraktion einen entsprechenden Antrag eingebracht, dem alle Fraktionen zustimmten. Darin wird der Magistrat beauftragt, zur Sicherstellung der Wasserversorgung eine "Konzeption" zu erstellen, in der unter anderem geprüft werden soll, ob im Stadtgebiet noch weitere Quellen erschlossen werden können oder ob die Lösung in einem Anschluss an überregionale Netze liegen könnte. Bürgermeister Herold Pfeifer freute sich: "Wir haben jetzt den offiziellen Auftrag des Parlaments, bei sinkenden Quellenschüttungen neue Möglichkeiten für die künftige Trinkwasserversorgung zu suchen."

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