Neckargemünd

Lärm "wie an einer Autobahn"

Die Behörde versetzte in Neckargemünd ein Ortsschild näher an die Bebauung. Nun leiden die Anwohner unter mehr Lärm.

26.05.2021 UPDATE: 27.05.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 45 Sekunden
Weil das Ortsschild versetzt wurde, ist nun auf längerer Strecke Tempo 70 erlaubt. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Neckargemünd. Als Kornelia Strifler unlängst morgens die Fenster ihrer Wohnung zum Lüften öffnete, wurde sie stutzig. Auf einmal hörte sie den Verkehrslärm von der nahen Wiesenbacher Straße, an den sie sich all die Jahre zuvor gewöhnt hatte und den sie schon gar nicht mehr wahrgenommen hatte. "Es kommt uns nun so vor, als würden wir an einer Autobahn wohnen", sagt die 30-Jährige. "Man versteht kaum sein eigenes Wort und kann sich auf dem Balkon nicht mehr unterhalten – es ist nicht auszuhalten." Die Ursachensuche dauerte nicht lange: Das Ortseingangsschild von Wiesenbach kommend wurde um rund 400 Meter versetzt. Dies führt dazu, dass die Autofahrer nun näher an der Bebauung abbremsen und aus dem Ort herausbeschleunigen. Und dass Dutzende Anwohner unter mehr Lärm leiden müssen.

Jahrelang stand das Ortseingangsschild von Wiesenbach kommend an der Kreisstraße auf einer Kuppe in Höhe der ersten Neckargemünder Häuser. Die Stelle ist bekannt, weil hier gerne geblitzt wurde. Kein Wunder: Kaum jemand hielt sich hier an Tempo 50.

Dies bestätigt auch Kornelia Strifler, die seit 2016 in der nahen Kurt-Lindemann-Straße wohnt. "Ich musste mich damals erst an die nahe Straße gewöhnen, weil ich vorher sehr ruhig gewohnt habe", erzählt die frühere Wiesenbacherin. Aber sie habe sich damit arrangiert: "Es war alles hinnehmbar und erträglich."

Das änderte sich mit dem Versetzen des Ortsschildes. "Wir waren schockiert, als wir das gesehen haben", so Strifler. "Nie war der Standort ein Problem für die Behörden, aber jetzt auf einmal." Neben dem Lärm sei die Gefahr für abbiegende Auto- und Radfahrer am Ortseingang gestiegen, meint sie: "Die Autos kommen angeschossen, man kann das Tempo gar nicht mehr einschätzen." "Versetzung gefährdet" könnte man sagen – und zwar Verkehrsteilnehmer.

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Statt auf das Versetzen des Ortsschildes hatten die Anwohner eher auf eine stationäre Blitzersäule wie am Stadtausgang Richtung Schlierbach gehofft: "Dann wäre Ruhe gewesen." Überall werde der Verkehr beruhigt, aber neben den Häusern würde nun Tempo 70 gelten, kritisiert Strifler.

Kornelia Strifler wandte sich an Bürgermeister Frank Volk und lud ihn auf einen Kaffee ein, sodass dieser sich ein Bild machen könne. Dieser habe jedoch auf die Untere Verkehrsbehörde im Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises verwiesen, die zuständig sei. Er habe sich zwar im Rahmen der Diskussion über einen Kreisverkehr an der ersten Kreuzung von Wiesenbach kommend für einen Verbleib des Schildes vor dem Ortseingang ausgesprochen, letztlich habe die Behörde aber anders entschieden. Die Anordnung sei rechtlich korrekt, aber sehr ungünstig. Volk habe versprochen, noch einmal nachzuhaken.

Die RNZ fragte beim Landratsamt in Heidelberg nach. Dessen Sprecherin Silke Hartmann bestätigt, dass die "Ortstafel" von Wiesenbach kommend versetzt wurde. Nach der Verwaltungsvorschrift zu "Verkehrszeichen 310 Ortstafel" seien die Zeichen in der Regel dort anzuordnen, "wo ungeachtet einzelner unbebauter Grundstücke die geschlossene Bebauung auf einer der beiden Seiten der Straße für den ortseinwärts Fahrenden erkennbar beginnt", so Hartmann. "Eine geschlossene Bebauung liegt vor, wenn die anliegenden Grundstücke von der Straße erschlossen werden." Und in Neckargemünd ist dies nach Ansicht der Behörde erst kurz vor der ersten Kreuzung der Fall. Das Verkehrsministerium des Landes habe in der Vergangenheit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Standorte der Ortstafeln zu überprüfen und der Rechtslage anzupassen seien. "Vor diesem Hintergrund sind nicht rechtskonform aufgestellte Ortstafeln wie in Neckargemünd zu versetzen", so die Behördensprecherin.

Bevor dies geschah, habe das Landratsamt die gefahrenen Geschwindigkeiten dokumentiert. Die Auswertung habe ergeben, dass 85 Prozent der Verkehrsteilnehmer in diesem Bereich bis 67 statt 50 Kilometer pro Stunde schnell gefahren sind, die restlichen 15 Prozent waren sogar noch schneller. "Die Geschwindigkeitsbeschränkung wurde demnach kaum beachtet", so Hartmann. Dies sei auch nachvollziehbar, da dort eben ganz klar ein "Außerortscharakter" gegeben sei.

"Eine weitere Erhebung des Geschwindigkeitsprofils ist in Planung", so Hartmann. Ob noch weitere Ortsschilder im Rhein-Neckar-Kreis versetzt wurden, ist nicht bekannt. "Wir führen keine Übersicht über diese Maßnahmen", erklärt die Behördensprecherin. "Die Überprüfungen finden schon seit Längerem nach und nach statt."

Ort des Geschehens

Kornelia Strifler und die anderen Anwohner haben für das Handeln der Behörde kein Verständnis. "Da wurde nicht mit Verstand gehandelt, sondern die Situation verschlechtert satt verbessert", sagt sie. "Alle hier schütteln den Kopf." Strifler plädiert ganz klar dafür, dass das Ortsschild an den alten Platz zurückkehren darf, wofür sie auch Unterschriften sammeln würde. Die Halterung dafür steht übrigens noch ...

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