"Riesiges ökologisches Problem" wird behoben
Die Arbeiten am Hochwasserrückhaltebecken in Mühlhausen haben begonnen. Die Tierwanderungen sollen wieder möglich werden.

Von Sebastian Lerche
Mühlhausen. Seit dem Startschuss am 9. Mai hat sich viel getan: Das Hochwasserrückhaltebecken zwischen Mühlhausen und Tairnbach wird derzeit modernisiert und das augenfälligste Zeichen für die anstehenden Veränderungen ist das enorme Rohr, das über den Deich hinweg reicht und durch das Wasser abgepumpt wird.
Nicht das ganze Wasser: Das Rohr sorgt nur dafür, dass die Arbeiten am Beckenrand und vor allem im Untergrund problemlos vorangehen können. Das erläuterten Josef Zöllner, der technische Betriebsleiter des zuständigen Abwasser- und Hochwasserschutzverbands Wiesloch (AHW), und Bauleiterin Nicole Hetzel im Gespräch mit der RNZ. Sie betonten mit Blick auf den erforderlichen Schutz vor Starkregen und Hochwasser, dass das nunmehr 38 Jahre alte Becken jetzt auf den neusten Stand, was Sicherheit ebenso wie Naturschutz betrifft, gebracht wird.
Hier mündet das Tairnbächle in den Waldangelbach, beide verschwinden sonst unterhalb der Aussichtsplattform am Becken im Boden, der vereinte Bach fließt unter Deich und Technikgebäude schließlich weiter Richtung Mühlhausen. Dieser viereckige Betonkanal wird ebenso wie das Becken und die zugehörige Technik grundlegend modernisiert. Für Vorab-Untersuchungen und die Arbeiten im Untergrund waren Taucher im Einsatz.
Der wesentliche Punkt ist die ökologische Aufwertung, die strengen Vorgaben des Wasserwirtschaftsamts im Regierungspräsidium folgen muss. Bisher war das Rückhaltebecken Endstation für die Wanderung von Fischen und anderen Wasserlebewesen, sowohl bachauf- als auch -abwärts. "Das war ein riesiges ökologisches Problem", so Hetzel. Beispielsweise wurden schon Forellen im Bach nahe dem Becken gefunden, sie konnten aber nicht weiter bachaufwärts schwimmen. Das Haupthindernis, das alte Schieberbauwerk, wird komplett umgebaut.
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Der unterirdische Kanal wird mit sogenannten "Aufstiegshilfen" und Störsteinen versehen, die als Raststellen und Unterschlupfe dienen sowie das Wasser aufwirbeln, sodass es sich mit Sauerstoff anreichert.
Neben der Plattform stehen gegenwärtig Spundwände, die Wasser und Schlamm fernhalten, sodass die Basis für eine sogenannte "Fischtreppe" ausgemessen, die erforderliche Grube ausgehoben und danach betoniert werden kann. Die Treppe reduziert die Fließgeschwindigkeit des Wassers und erleichtert den wandernden Tieren durch ihr geringes Gefälle, seitliche "Sprossen" und aufgeraute Oberflächen den Aufstieg – ebenso wie sie ihren Abstieg ermöglicht. Wie Zöllner weiter erläutert, folgt man hier den Vorgaben der Fischereibehörde.
Eine Herausforderung war die Abstimmung mit dem Stromversorger: Über dem Rückhaltebecken verläuft eine 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung, durch die eine potenzielle Gefahrensituation für die Bauarbeiten an der Fischtreppe entstand. Für drei Tage musste die Leitung stromlos sein, nur ein Zeitraum mit vergleichsweise niedrigem Strombedarf – nach der Heizperiode und ehe überall die Klimaanlagen angeworfen werden – kam dafür in Frage.
Den niedrigen Wasserstand hat der AHW genutzt, um mit seinem Team auch den Müll aus dem Becken zu entfernen, Dosen, Flaschen, Plastikverpackungen und andere achtlos weggeworfene Dinge übersäen den Schlamm. Neben den Arbeiten an der Fischtreppe ist das aber die einzige Maßnahme im Becken, die übrigen Arbeiten betreffen technische Anlagen.
Das Rückhaltebecken war bisher ein kleiner See. Es wird sich laut Zöllner nach den Umbauarbeiten allmählich, ohne weiteres menschliches Zutun, in ein "Durchlaufbecken" verwandeln so wie andere AHW-Anlagen, beispielsweise in Baiertal, Unterhof oder Schatthausen. Das hätten die Behörden detailliert so festgelegt, so Zöllner. Dann fließen Tairnbächle und Waldangelbach hier in neu gefundenen Betten zur Fischtreppe und der Rest des Beckens verlandet und begrünt sich. So, wie es bereits an einigen Stellen passiert ist.

Bis der Starkregen oder eine Hochwasserwelle kommt: Dann füllt sich das Becken wieder so weit, wie die neue Steuerungstechnik mit den modernisierten Schiebern es zulässt. Und das ist abhängig von den Wassermassen, die man dem Bachlauf unterhalb des Beckens, der in Mühlhausens Ortsmitte bereits aufgeweitet und befestigt wurde, zumuten will. "Die Veränderung des Beckens wird sehr langsam geschehen", so Zöllner, "darauf kann sich die Tierwelt einstellen."
"Ende des Jahres müssten wir mit allem fertig sein", so Zöllner. Die Gesamtkosten für die Modernisierung des Beckens inklusive Fischtreppe liegen ihm zufolge bei über 1,5 Millionen Euro. An Zuschüssen kann der AHW fast 1,2 Millionen erwarten: Der Hochwasserschutz (712.000 Euro) wird mit 70 Prozent gefördert, die ökologische Aufwertung des Umfelds (821.000 Euro) mit 85 Prozent. Beim AHW verbleiben damit 337.000 Euro an Kosten. Er ergänzte, dass mit der Fischtreppe langfristig auch der Pflege- und Unterhaltungsaufwand fürs Becken steigt, schließlich muss sie von angeschwemmtem Unrat frei gehalten werden. Als nächste AHW-Projekte stehen Rückhaltebecken in Horrenberg – die Arbeiten wurden schon in Auftrag gegeben – und Altwiesloch – die Ausschreibung läuft – an.