Verein gibt die Trägerschaft für Kindernest nach 25 Jahren zurück
Der Geist des Kindernests wird weiterleben - Postillion soll ab 1. Januar übernehmen

Von Timo Teufert
Malsch. Bei der Kinderbetreuung in Malsch gibt es zum Jahreswechsel einen Umbruch: Der Verein, der bislang das Kindernest in der Hauptstraße getragen hat, wird die Trägerschaft für Krippe und Kindergarten mit jeweils zwei Gruppen zum 31. Dezember an die Gemeinde zurückgegeben. Stattdessen übernimmt der Verein Postillion, der mehrere Betreuungseinrichtungen in der Region betreibt, ab 1. Januar die Kindertagesstätte und die Schulbetreuung in der Letzenberg-Gemeinde. Der Gemeinderat Malsch muss dafür in seiner heutigen Sitzung um 18.30 Uhr in der Letzenberghalle die Übertragung der Trägerschaft befürworten.
"Vor 25 Jahren wurde das Kindernest ins Lebens gerufen, weil Malscher Eltern eine Krippenbetreuung für ihre Kinder wollten", berichtet die Vorsitzende des Vereins Kindernest Malsch, Eileen Schnurr. Die engagierten Eltern stemmten damals den Umbau des Hauses in der Hauptstraße weitgehend in Eigenregie und erneuerten zum Beispiel Wasserleitungen, Heizung und Fenster und bauten kindgerechte Sanitärbereiche ein. Weil die Erzieher über die Elternbeiträge bezahlt wurden, waren die Beiträge deutlich höher als in anderen Einrichtungen, das Kindernest schnell als Elitekindergarten abgestempelt.
2014 habe der Verein dann einen Vertrag mit der Gemeinde abgeschlossen, der die Bezuschussung regelte. Dieser sieht eine Kostenübernahme von 75 Prozent vor, dafür durften die Elternbeiträge nur in Absprache mit dem katholischen Kindergarten angepasst werden. "Seit 2016/17 war es deshalb nicht mehr möglich, die Differenz von 25 Prozent zu erwirtschaften, zumal es auch Lohnerhöhungen bei den Erzieherinnen und Erziehern gab", berichtet Nora Heimburger, Schatzmeisterin beim Kindernest. Der Verein habe deshalb bei der Gemeinde immer auf eine Änderung des Vertrages gedrängt: "Wir hätten gerne gehabt, dass der Verlust übernommen wird, doch das wurde uns verwehrt. Man war nicht bereit, uns entgegenzukommen", sagt Schnurr.
In der Corona-Krise habe sich die Situation dann noch einmal zugespitzt: "Es ist nicht nur finanziell schwierig gewesen, sondern auch organisatorisch eine wahnsinnige Geschichte gewesen", so Heimburger. Der Corona-Lockdown habe gezeigt, dass für einen kleinen Verein mit ehrenamtlichen Vorständen eine Kinderbetreuungseinrichtung nur noch schwer zu stemmen sei. Schließlich tragen Schnurr, Heimburger und ihre Vorstandskolleginnen und -kollegen Verantwortung für ein 36-köpfiges Mitarbeiterteam sowie insgesamt 120 Kinder in Krippe, Kindergarten, Hort und Kernzeitbetreuung. "Das Kindernest ist in 25 Jahren unheimlich groß geworden", so Schnurr. Man brauche Profis, die sich mit auftretenden Fragen wie im Rahmen der Corona-Pandemie auseinandersetzen.
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"Wir haben uns deshalb entschieden, unseren Mitgliedern die Frage zu stellen, ob wir die Trägerschaft zurückgeben sollen", berichtet Schnurr. In einer langen und produktiven Jahreshauptversammlung im September habe sich eine große Mehrheit der Mitglieder dafür entschieden, den Betreuungsauftrag an die Gemeinde zurückzugeben und die Organisation als Förderverein weiterzuführen. "Wir haben aktiv das Pro und Contra diskutiert", so Schnurr. Am Ende entschieden sich 110 Mitglieder für die Rückgabe der Trägerschaft, 14 dagegen, zwölf enthielten sich. "Wir haben der Gemeinde so die Chance gegeben, einen professionellen Träger für das Kindernest zu suchen", so Schnurr.
"Für uns war der Vertrag mit der Gemeinde nicht mehr lebbar", erklärt Heimburger. Vier Jahre habe man mit der Gemeinde geredet: "Warum sollte sich jetzt etwas ändern?", fragt Heimburger. Die Verwaltung habe immer darauf hingewiesen, dass die Kostenstruktur des Kindernests zu teuer sei: "Daran haben wir aber etwas geändert", sagt Heimburger. Verluste habe man zunächst aus Rücklagen gestemmt, auch die Gemeinde sei immer wieder eingesprungen. "Wir hätten uns aber pro aktiv von der Gemeinde einen Vertrag gewünscht, in dem die Verlustübernahme geregelt war", so Heimburger. So habe man sich immer als Bittsteller gefühlt, der Jahr für Jahr auf das Wohlwollen der Gemeinde angewiesen war. "Auf Dauer zermürbt das. Denn es steckt unheimlich viel Arbeit dahinter", so Heimburger. Bis 2019 belief sich der Verlust laut Heimburger auf Summen zwischen 20.000 und 30.000 Euro.
Schließlich weist Heimburger auch auf das Haftungsproblem hin, das im Ehrenamt besteht: "Das haben die Corona-Pandemie, die daraus entstehenden Hygiene-Bestimmungen und die finanziellen Probleme gezeigt", so die Schatzmeisterin. Und immer wieder gab es auch das Problem, neue Vorstände zu finden: "Von der großen Masse unserer Mitglieder gab es nicht die Bereitschaft, sich zu engagieren", sagt Schnurr. Doch die Hauptversammlung zeige, dass das Interesse an der Zukunft des Kindernests groß war.
Für die Kinder ändert sich mit der Übernahme durch den Postillion nichts. "Die Eltern müssen sich aber entscheiden, ob sie ihr Kind ganztags oder halbtags betreuen lassen möchten. Unser flexibles Betreuungsmodell wird es nicht mehr geben", so Schnurr. Auch die Mitarbeiter des Kindernests werden übernommen, die Betriebszugehörigkeiten sollen angerechnet werden. Auch die zwei Köchinnen, die jeden Tag frisch für die Kinder kochen, sollen für ein Jahr fix bleiben.
"Für mich persönlich ist das ein super harter Schritt und tut sehr wehr", sagt Schnurr, die bereits von 2016 bis 2019 Vorsitzende war und nun den Verein beim Übergang zum Förderverein begleitet. "Als wir 2014 nach Malsch gezogen sind, war klar, dass die Kinder ins Kindernest gehen. Das ist was Besonderes und die Arbeit hat mir unheimlich viel Spaß gemacht und mir die Chance gegeben, mich ins Dorf zu integrieren", so Schnurr. "Wir haben die letzten Jahre einen guten Job gemacht und der Geist des Kindernests wird weiterleben", ist sich Heimburger sicher.
Bürgermeisterin Sibylle Würfel sagte auf RNZ-Nachfrage, sie habe "den allergrößten Respekt vor allen, die im Kindernest Verantwortung übernommen haben". Den meisten Mitgliedern sei aber klar geworden, dass die Arbeit im Ehrenamt heute in einer Kindertageseinrichtung dieser Größenordnung nicht mehr darstellbar sei. Die Bürgermeisterin erklärte zudem, dass ein Vertrag mit einer Klausel für eine Verlustübernahme für die Gemeinde nie in Frage gekommen wäre.
Denn auch so hätte das Kindernest deutlich höhere Zuschüsse bekommen als der katholische Kindergarten: 2018 waren es 629.500 Euro für den katholischen Kindergarten, 630.500 Euro für das Kindernest. 2020 war der Unterschied schon deutlich größer: 666.500 Euro für die kirchliche Einrichtung, 700.100 Euro für das Kindernest. "Wir haben deshalb immer darum gebeten, dass der Verein auf seine Ausgaben schaut", so Würfel. Gesetzlich vorgeschrieben sei eine Übernahme der Kosten durch die Gemeinde in Höhe von 68 Prozent, so die Bürgermeisterin. Im Falle des Kindernests habe man durch die Bezuschussung für Mehrkindfamilien nach dem sogenannten Württemberger Modell 71 Prozent errechnet, aber 75 Prozent der Kosten übernommen.
Der Zuschuss für den Postillion liegt – wenn der Gemeinderat zustimmt – für 2021 bei 677.500 Euro. "Wir haben sehr gute Gespräche geführt. Man spürt, dass man einen erfahrenen Partner an die Seite bekommt", sagt Würfel. Trotzdem wolle man beobachten, wie sich die Einrichtung nun entwickle. Den Namen Kindernest führt dann der Förderverein weiter.




