Haushalt verabschiedet

Neckargemünd plant Drei-Millionen-Kredit

Denkwürdige Sitzung - Erstes Zahlenwerk nach Grundsätzen der Doppik

20.04.2020 UPDATE: 21.04.2020 06:00 Uhr 5 Minuten, 44 Sekunden
Schön, aber nicht mehr zeitgemäß: Das Feuerwehrhaus an der Burg soll durch einen Neubau außerhalb der Feste ersetzt werden. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Neckargemünd. "Das ist eine besondere Sitzung auch ohne Corona", sagte Bürgermeister Frank Volk zu Beginn der jüngsten öffentlichen Zusammenkunft des Gemeinderates. Bei dieser stand nämlich die erste Verabschiedung eines Haushalts an, der mit dem "Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen" erstellt wurde. Die Kameralistik ist damit Geschichte. Stattdessen wird das Zahlenwerk nun nach den Grundsätzen der in der Wirtschaft üblichen "Doppelten Buchführung in Konten" – kurz: "Doppik" – zusammengestellt.

Wegen der Coronakrise gestaltete sich die Verabschiedung allerdings eher nüchtern. Zum einen waren die Reihen deutlich gelichtet – wegen der Ansteckungsgefahr sind nur 18 von 27 Stadträten und zudem auch nur zwei Besucher gekommen. Und zum anderen wurden die obligatorischen Haushaltsreden der Fraktionen nicht vorgetragen, sondern nur schriftlich vorgelegt.

"Wir haben uns vor der Sitzung darauf verständigt, die Redebeiträge zu reduzieren", sagte Bürgermeister Frank Volk. Dafür sei er sehr dankbar. Außerdem wurden auch – wie sonst üblich – keine Anträge zum Haushalt mehr besprochen. Dies lag allerdings nicht an Corona. Denn die Anträge waren bereits im Vorfeld der nicht-öffentlichen Klausursitzung des Gemeinderates bei der Verwaltung eingereicht und bei dieser dann auch diskutiert worden.

Fachbereichsleiter Daniel Möhrle stellte dennoch die Eckdaten des Haushalts vor: Der neue Ergebnishaushalt sei vergleichbar mit dem bisherigen Verwaltungshaushalt. Dieser widmet sich dem "laufenden Geschäft" und beinhaltet auf der Einnahmenseite zum Beispiel die sogenannten Schlüsselzuweisungen vom Land und die Gewerbesteuer sowie auf der anderen Seite die Personalausgaben und die Aushaben zum Unterhalt von Gebäuden. Dieser Haushalt erwirtschaftet einen sogenannten Zahlungsmittelüberschuss von 650.000 Euro. Das ist die gute Nachricht.

Auch interessant
Corona: Wie tagen die Gemeinderäte in der Krise?
Neckargemünd/Heidelberg: Die B37-Radspur kommt später, wird aber länger
Neckargemünd: Der Edeka-Markt soll Anfang 2021 fertig sein
"Wahnsinn, was gerade passiert": Neckargemünder Mediziner hat "Appell deutscher Ärzte" verfasst

Die schlechte: Darin sind noch nicht die sogenannten Abschreibungen enthalten. Diese zeigen den Wert, den zum Beispiel Straßen und Gebäude in einem Jahr verlieren. Er soll eigentlich erwirtschaftet werden und liegt bei rund 3,6 Millionen Euro. Auf der Gegenseite stehen rechnerisch 600.000 Euro durch die Auflösung von Erträgen und Zuschüssen. Somit bleibt unterm Strich ein Aufwand von rund drei Millionen Euro auf dem Papier. Aus dem Plus von 650.000 Euro wird somit rechnerisch ein Defizit – oder wie Möhrle es nannte: ein "negatives Ergebnis" – von 2,35 Millionen Euro. Dieses ergibt sich auch aus der Differenz von Erträgen und Aufwendungen, die bei 35,40 und 37,76 Millionen Euro liegen.

Der neue Finanzhaushalt entspricht dem früheren Vermögenshaushalt. Er beinhaltet die Investitionen, die bei rund 4,2 Millionen Euro liegen – allein 2,8 Millionen Euro davon fließen in Bauvorhaben. Das größte Projekt ist dabei das neue Feuerwehrgerätehaus auf dem Dilsberg mit rund einer Million Euro. Der selbe Betrag ist für den Erwerb von Sachvermögen wie zwei neue Feuerwehrfahrzeuge vorgesehen. Abzüglich des Zahlungsmittelüberschusses aus dem Ergebnishaushalt bleiben noch 3,55 Millionen Euro, die die Stadt stemmen muss.

Dies soll durch einen Kredit über drei Millionen Euro und einen 555.0000 Euro tiefen Griff in die Rücklage geschehen. Damit würde sich der Schuldenstand der Stadt von derzeit 7,4 Millionen Euro bis Ende des Jahres auf 9,68 Millionen Euro erhöhen, da gleichzeitig auch 750.000 Euro von bestehenden Krediten getilgt werden.

Die gute Nachricht für alle Steuerzahler lautet: Die Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer bleiben unangetastet. Sie liegen weiter bei 320 Prozent bei der Grundsteuer A, bei 380 Prozent bei der Grundsteuer B und bei 340 Prozent bei der Gewerbesteuer.

Der Haushalt wurde schließlich einstimmig beschlossen. "Wir schauen, wie er sich in Zeiten von Corona entwickelt", sagte Bürgermeister Volk. Dass ein Haushaltsplan genau so umgesetzt wird, ist ohnehin unwahrscheinlich. Dieses Jahr ist es noch unwahrscheinlicher.


Das sagen die Fraktionen

Jürgen Rehberger (Freie Wähler). Foto: Alex

> Jürgen Rehberger (Freien Wähler) setzte den zu erwartenden Schuldenstand von 9,7 Millionen Euro zum Ende dieses Jahres in Vergleich zum Jahr 2016. Damals habe dieser bei 9,3 Millionen Euro gelegen. "Wir haben neue Werte geschaffen und bestehende erhalten, ohne dass sich die Gesamtverschuldung merklich verändert hat", so Rehberger. Der Fraktionsvorsitzende bezweifelte, dass die eingeplante Million Euro für das neue Feuerwehrgerätehaus in Dilsberg in voller Höhe benötigt wird.

"Obwohl uns eine positive Bauvoranfrage des Landratsamtes vorliegt, verlangt nun das Regierungspräsidium einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan", erklärte er. Dies verzögere natürlich den Baubeginn erheblich, verursache weitere Kosten und die bereits zugesagten Zuschüsse in erheblicher Höhe seien auch nicht mehr in trockenen Tüchern. Dabei sei der "kein Luxus, sondern unbedingt notwendig". Obwohl für die Villa Menzer noch kein Nutzungskonzept vorliege, müssten für die Substanzerhaltung die bereitgestellten 100.000 Euro unbedingt investiert werden.

"Hier würden wir uns die Einbeziehung des gesamten Menzerparks wünschen", so Rehberger. Die eingeplanten 500.000 Euro für die Straßen würden "nur die dringendsten Reparaturen" zulassen. Rehberger mahnte, "gerade in der derzeitigen Situation aufzupassen, dass uns die Personalkosten nicht davon laufen".


Hermino Katzenstein. Foto: Alex

> Hermino Katzenstein (Grüne) sagte, dass auch in diesen Corona-Krisenzeiten Klimaschutz und Nachhaltigkeit wichtig seien. "Deswegen ist es gut, dass dieser Haushalt auch eine grüne Handschrift trägt – wobei wir uns natürlich nicht auf den Klimaschutz beschränken", so Katzenstein. "Allerdings sind wir der Meinung, dass die großen Herausforderungen des Klimaschutzes sich noch nicht genügend im Haushalt widerspiegeln." Dieser müsste ökologischer und klimafreundlicher sein.

Bei der Menzervilla und dem Menzerpark hätten sich die anderen Fraktionen dem Antrag der Grünen angeschlossen. So soll das Areal von Neckarlauer bis zur S-Bahnlinie, inklusive Bauhof, Villa Kiwi und Brachflächen "stadt- und landschaftsplanerisch" angegangen werden. Die Initiative für einen Jugendgemeinderat sei von den Grünen-Rätinnen gekommen. Leider könnten derzeit wegen der Corona-Krise die bereits geplanten Treffen mit Jugendlichen nicht stattfinden.

Auf Antrag der Grünen seien 20.000 Euro für den Fußverkehr bereitgestellt worden. Und 95.000 Euro würden für den Radverkehr zur Verfügung stehen. Doch davon seien 65.000 Euro "Restmittel" aus dem Vorjahr. Neu eingestellt worden seien nur 30.000 Euro. Demgegenüber stünden 500.000 Euro für Straßeninstandhaltung. "Wir müssen mehr tun, die Emissionen im Verkehr müssen runter", so Katzenstein.


Maximilian Bernauer. Foto: Alex

> Maximilian Bernauer (CDU) sagte, dass sich der Haushalt "im ersten Moment fast schon erschreckend liest". Durch die Abschreibungen würden sich nun die zu erwartenden Belastungen deutlich erhöhen. Nicht wenige Investitionen würden wieder auf dem Plan stehen, da sie in der Vergangenheit nicht realisiert wurden – auch in den Ortsteilen: Bernauer erwähnte neben dem neuen Feuerwehrhaus für Dilsberg das "dringend benötigte Einlaufbauwerk in Waldhilsbach" und das geplante Neubaugebiet Haager Feld in Mückenloch.

"Die Errichtung einer stadteigenen Stromversorgung der Festplätze erscheint auf den ersten Blick mit 110.000 Euro doch sehr hoch, jedoch schaffen wir hiermit auf lange Sicht eine enorme Ersparnis für die Stadt", so Bernauer. Auch die Neuanschaffung von Elektrofahrzeugen für die Verwaltung sei zu begrüßen. Für das Areal des Bauhofs gelte es, ein zukunftsweisendes Konzept zu finden. Für ein Tagungszentrum oder einen Hotelkomplex sei jedoch "erst der Schwanen ins Auge zu fassen". "Hier die ursprüngliche Nutzung wieder zu realisieren würde die Situation der Unterbringungsmöglichkeiten deutlich entzerren", so Bernauer. Für die Villa Menzer sei ein Konzept unumgänglich. "Wir könnten uns hier eine Begegnungsstätte für Jung und Alt, Platz für den Kulturverein, oder Ähnliches gut vorstellen", so Bernauer.


Winfried Schimpf. Foto: Alex

> Winfried Schimpf (SPD) nannte als Erstes die Nutzung der Villa Menzer. Die SPD dränge seit Jahren auf einen Fortschritt – solange kein Pächter gefunden sei, der eine praktikable Gesamtlösung biete. Für jegliche Nutzung sei eine Sanierung der Toiletten geboten. Deshalb sei man froh, dass mit 100.000 Euro für die Innensanierung sogar mehr Geld eingeplant sei als man beantragt habe. Schimpf erinnerte an den SPD-Vorschlag von "Co-Working-Spaces".

Bei dieser reduzierten Nutzungsform würden die Kosten noch in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Für das freiwerdende Grundstück im Herrenweg forderte Schimpf sozialen Wohnungsbau und für den Menzerpark eine detaillierte Bewertung durch die Denkmalbehörde. Nur dann könnte zum Beispiel über einen Bouleplatz diskutiert werden. "Wir wollen weiterhin einen Park, der unserer Bevölkerung dient, und nicht eine Spielwiese für denkmalschützerische Spezialvorstellungen", so Schimpf.

"Aus langjähriger Erfahrung wissen wir, dass die Kriterien der amtlichen Denkmalschützer wechselnden Moden unterworfen sind." Der SPD-Stadtrat forderte, dass es beim Komplex "Griechische Weinstube/Lamm" unbedingt vorangeht. Da das Ruftaxi für das Wohngebiet Hollmuth "in der Sackgasse" stecke, schlug Schimpf einen Bürgerbus vor. Und bei der Kinderbetreuung kämpfe man weiter für Gebührenfreiheit. 


Marco La Licata. Foto: privat

> Marco La Licata (Linke) kritisierte, dass sich der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) weigere, die "Schlierbacher Wabe" abzuschaffen. Diese erhöhe die Kosten einer Fahrt nach Heidelberg für Neckargemünder "völlig irrational": "Damit werden Anreize für den privaten PKW geschaffen, die Umweltbewegung wird sabotiert und den Menschen, die sich ein Ticket nicht oder kaum leisten können die Mobilität genommen."

La Licata ging auch auf die Parksituation in der Stadt ein. Da am Rathaus und am Schulzentrum die Parkgebühren durch legales und kostenfreies Parken umgangen werden könnten, werde die genau gegenteilige Wirkung des Parkraumkonzepts erreicht. Dass der Gemeinderat an den Gebühren festgehalten habe, nannte La Licata "absurd". Bei der Jugendarbeit wünschte sich der Linken-Stadtrat "ein selbstverwaltetes Jugendzentrum". Für seine Partei sei die gebührenfreie Kinderbetreuung eines der höchsten Ziele.

"In Betrachtung des Haushalts musste jedoch auch mir klar werden, dass sich die Stadt Neckargemünd die vollständige Übernahme aller Kosten der Kinderbetreuung schlicht nicht leisten kann", so La Licata. "Hier wäre das Land gefragt." Das neue Feuerwehrhaus auf dem Dilsberg bezeichnete er als "absolut notwendig". La Licata forderte außerdem eine Offensive im sozialen Wohnungsbau

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.