Neckargemünder Mediziner hat "Appell deutscher Ärzte" verfasst
Dr. Til Uebel fordert ein anderes Vorgehen der Politik in der Coronakrise

Neckargemünd. (cm) Dr. Til Uebel hat in seiner Praxis in Kleingemünd bereits einen Corona-Patienten behandelt. Deshalb weiß der 52-jährige Facharzt für Allgemeinmedizin, Diabetologie und Notfallmedizin, wie gefährlich die Krankheit Covid-19 ist: "Der Patient musste beatmet werden", berichtet der Dilsberger. "Es ist völlig klar: Es handelt sich um eine potenziell tödliche Erkrankung." Dennoch ist Uebel von den neuesten Entscheidungen zur Lockerung der Corona-Maßnahmen "hochgradig enttäuscht", wie er sagt.
Erst am Dienstag hat Til Uebel einen "Appell deutscher Ärzte" veröffentlicht, der binnen weniger Tage rund 150 Unterstützer fand – darunter auch Dr. Thomas Fröhlich aus Bammental, Dr. Knemöller aus Dossenheim sowie Dr. Daniel Nittka, Dr. Anne Sturma und Dr. Harald Stefan aus Neckargemünd. Darin wird ein "verantwortlicherer und angemessenerer Umgang mit der Coronakrise" von Politik und Wissenschaft gefordert. So wird appelliert, die massiven Beschränkungen nicht fortzuführen ohne unter anderem wissenschaftlich tätige Hausärzte, Ethiker, Juristen und Statistiker zu hören.
Außerdem wird eine "nutzbare Datenlage zur tatsächlichen Bedrohung und Durchseuchung der deutschen Bevölkerung" gefordert. Der Aufruf zu ungezielten Massentests mit unsicheren Testergebnissen und Tests ohne vorhandene Gütekriterien sei "verantwortungslos". Es wird zudem gefordert, die Schließung von Schulen und Betrieben "unter Auflagen von Hygienemaßnahmen umgehend" aufzuheben, aber dies dafür wissenschaftlich zu untersuchen. Denn es sei extrem wichtig, in Zukunft zu wissen, was gefährlich ist und was eben nicht: "Leider weiß doch niemand, ob der Shutdown wirklich etwas bewirkt oder ob andere Parameter viel wichtiger sind."
Die medizinische Versorgung der Patienten sei durch die Maßnahmen nur an wenigen Stellen sicherer, in vielen anderen Bereichen aber schlechter geworden. Uebel nennt als Beispiele zwei Fälle aus seiner Praxis: So versorge er nun einen Querschnittsgelähmten mit einer Wunde, weil dies in der bisherigen Klinik wegen Corona nicht mehr erfolge. Außerdem habe er einen Mann vom Suizid abhalten müssen, der wegen der Coronakrise vor dem Verlust seines Jobs stand.
"Es ist Wahnsinn, was gerade passiert", meint Uebel. "Die nun getroffenen Entscheidungen sind nicht nachvollziehbar." Es gebe weiter keine groß angelegte wissenschaftliche Begleitung und Untersuchung, welche Folgen die Maßnahmen haben. So sei zum Beispiel gar nicht klar, ob es beim Öffnen der Kindergärten wirklich ein Wachstum gebe. Dies werde einfach angenommen, nicht beispielhaft an Öffnungen an verschiedenen Stellen im Land untersucht.
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Ebenso sei das Testen von 1000 Menschen in verschiedenen Regionen mit den neuen Antikörpertestes sinnvoll, um die tatsächliche "Durchseuchung" festzustellen. Denn es gebe Infizierte, die keine Symptome haben und in keiner Statistik auftauchen. "Es wird bis heute auf die falsche Weise getestet", sagt Uebel, der von einem "wilden Testen" spricht.
"Es ist verrückt, dass aus Sicht des Virus und nicht aus Sicht der Betroffenen entschieden wird", sagt Uebel. "Das ist schlimm." Es würden die falschen Fragen an die falschen Personen gestellt. "Es werden Virusexperten befragt, aber nicht die Versorger der Patienten." Dabei müssten nun die Weichen für Entscheidungen in fünf Wochen gestellt werden: "Die Politik muss wissen, was bei welchen Entscheidungen wirklich passiert."
Info: Der Appell ist nachzulesen auf www.aerzteinnenvorort.de/services



