Die "Kitz-Mama" gibt wieder Fläschchen
Anne Steffen kümmert sich um Gretel und Wilhelm - Verein "Rehkitz-Rettung Rhein-Neckar" soll gegründet werden

Von Karin Katzenberger-Ruf
Gaiberg. Es gibt mal wieder süßen Nachwuchs im Haus von Anne und Ralph Steffen in Gaiberg. Und der hat ein weiches Fell, lange Beine und schwarze Knopfaugen. Die beiden Rehkitze, die in Rauenberg und in Germersheim gefunden wurden, sind gerade mal zwei bis zweieinhalb Wochen alt und hören auf die Namen Gretel und Wilhelm.
Anne Steffen ist inzwischen eine erfahrene "Kitz-Mama". Schon im Jahr 2017 päppelte sie die verletzte Luzy aus einem Luzernenfeld in Seckenheim auf, ein Jahr später kümmerte sie sich um Kurt aus Hilsenhain, der sich in ein dortiges Wildgehege verirrt hatte. Jetzt stellt sie den Wecker wieder auf 5 Uhr morgens, damit sie dem Kleinen eine halbe Stunde später ihre erste Milchmahlzeit aus dem Fläschchen füttern kann. Das geht meist im Dreistunden-Takt bis abends um 22.30 Uhr weiter. Zur Zeit beträgt die Tagesration 625 Milliliter Ziegenmilch pro Tier. Dann herrscht Nachtruhe.
"In der Natur würden die Kitze über Nacht im Normalfall auch nicht bei der Mutter saugen", weiß Anne Steffen. Gretel und Wilhelm scheinen sich bei den Steffens rundum wohlzufühlen. Ihr Revier ist momentan ein gemütlicher Stall, in dem es nach Stroh duftet. Dort liegen die beiden am liebsten unter ihren Pappkartons. Sich zu verstecken, ist eine natürliche Verhaltensweise, wird den Tieren aber auch leider oft zum Verhängnis. "Viele kommen auf den Feldern durch Mähdrescher ums Leben oder werden so schwer verletzt, dass sie noch vor Ort getötet werden müssen", weiß Ralph Steffen als stellvertretender Kreisjägermeister. Um das in Zukunft zu verhindern, soll am Donnerstag, 18. Juni, der Verein "Rehkitz-Rettung Rhein-Neckar" gegründet werden. Ziel ist es, die Felder vor der Ernte beziehungsweise dem Einsatz schwerer Maschinen mit Infrarot-Drohnen-Kameras abzusuchen.
Damit nochmals zu Gretel und Wilhelm in Gaiberg: Das weibliche Kitz fanden Kinder aus Rauenberg am Wegesrand und trugen es nach Hause, das männliche ist ein "Familienfund". In dem Fall wurde ein Landwirt informiert, der wiederum den Förster zu Hilfe holte. Hier wurde also alles richtig gemacht.
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"Nicht anfassen" lautet das oberste Gebot, wenn Rehkitze unversehrt entdeckt werden. Sie haben sich aus Neugier vielleicht nur ein paar Meter von dem Platz entfernt, an dem sie die Mutter ablegte. Mit Menschengeruch nimmt sie den Nachwuchs aber nicht mehr an.
Bis zur "Auswilderung" von Gretel und Wilhelm im Oktober wird Anne Steffen mit der Aufzucht wieder alle Hände voll zu tun haben. Wenn die Kitze größer sind, gibt’s zur Milch "Reh-Müsli" mit Haferflocken, Sonnenblumenkernen und speziellen Pellets. Die Kosten könnten über den Verein abgemildert werden. Der Arbeitseinsatz lässt sich nicht berechnen. "Ich mach’ das auch einfach gern", sagt Steffen. "Beim Anblick dieser Rehaugen kann ich gar nicht anders."