Freibad

Als die Ladenburger nur im Neckar badeten

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten die Alliierten das Freibad - Der Fluss war die Alternative

01.06.2020 UPDATE: 02.06.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 19 Sekunden
Im Freibad der Römerstadt organisierten die amerikanischen Besatzer Wettbewerbe und Feste, der Fünf-Meter-Sprungturm war schon damals eine Attraktion. Repro: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg. Normalerweise wäre das Ladenburger Freibad schon seit einigen Wochen geöffnet, doch die Corona-Pandemie macht auch Schwimmbadfreunden einen Strich durch die Rechnung. Zwar dürfte es nach Landesverordnung bald wieder losgehen, aber sicher ist schon jetzt, dass die Badesaison 2020 keine gewöhnliche wird. Es wird Besucherbeschränkungen geben und unbeschwertes gemeinsames Spielen beim Beachvolleyball oder auf dem Kinderspielplatz wird es nicht möglich sein.

Nicht zum ersten Mal in der Geschichte der Einrichtung müssen die Ladenburger auf das kühle Nass verzichten. Damals sorgte zwar kein Virus für verschlossene Tore, aber die amerikanischen Streitkräfte beschlagnahmten das Ladenburger Bad nach dem Zweiten Weltkrieg für drei Jahre. Die Amerikaner besetzten die Römerstadt am 28. März 1945, sie wurde kampflos an sie übergeben.

In den Kriegsjahren wurde das Freibad weiter genutzt. Juden wurde der Zugriff verwehrt, ein Schild am Eingang dokumentierte die Diskriminierung. Nach der Besetzung der Römerstadt änderte sich einiges für die Ladenburger. Der amerikanische Kommandant, der vor Ort das Sagen hatte, beschlagnahmte das Bad und bestimmte, per Anordnung, dass ausschließlich Armeeangehörige es nutzen durften. Junge Frauen, die "mit einem Ami anbandelten" wurden allerdings reingelassen, sagte heute 83-jährige Zeitzeuge Hans Sauer. Obwohl sich der damalige Bürgermeister Adam Herdt bereits im Spätsommer 1945 bemühte, das Bad wieder für die Bevölkerung zu öffnen, blieben die Besatzer hart.

Amerikaner veranstalteten Feste

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Die Amerikaner organisierten Schwimmbadfeste und bauten dafür große Tribünen auf. Es gab Wettbewerbe und der Fünf-Meter-Sprungturm war eine Attraktion. In den Abendstunden wurde getanzt und der Swing lockte viele Schaulustige an den Zaun. Das Spektakel konnten die Ladenburger aber nur von außen beobachten. Durch das ein oder andere Loch im Zaun konnten besonders Neugierige zwar nah ans Geschehen gelangen – aber man flog im hohen Bogen aus dem Bad, wenn man sich von den amerikanischen Besatzern erwischen ließ.

Auch 1946 durften keine Einheimischen das Gelände betreten. Erst 1947 gab es Lockerungen. Die Gewohnheiten der Amerikaner waren den Ladenburgern längst geläufig. Der Wasserturm-Sportplatz, auf dem normalerweise Fußballspiele stattfanden, war zum Baseball-Feld umfunktioniert worden. Dem Nationalsport der Amerikaner konnten die meisten Ladenburger aber nicht viel abgewinnen. Der am Wasserturm aufgebaute Box-Ring war hingegen auch für sie ein Anlaufpunkt. Einige junge Burschen durften sogar mit den Amerikanern trainieren und sich mit den Besatzern im Faustkampf messen.

Das Zusammenleben von Amerikanern und Deutschen entwickelte sich. Viele Kinder und Jugendliche hatten ihre Angst vor den Soldaten verloren. Die warfen oft Schokolade und Kaugummi zu den winkenden Kindern. Und wenn die GIs besonders gut gelaunt waren, durfte man schon mal eine Runde mit im Jeep mitfahren.

Das Freibad war im Frühsommer 1947 aber immer noch geschlossen für die Ladenburger. Also wichen sie aus in den Neckar und schwammen dort – auch wenn das wegen der starken Strömung recht gefährlich werden konnte. An der Sandbank, die außerhalb Ladenburgs in der Höhe von Edingen liegt, war die Gefahr am geringsten und auch die Badestelle vor dem Gasthaus "Zum Anker", war ein beliebter Treff. Doch die Freude war groß, als im Spätsommer 1947 das Freibad auch wieder für die Ladenburger geöffnet war. Der Zeitzeuge Helmut Brand berichtete der RNZ, dass in den letzten Spätsommertagen jeder dort ins kühle Nass wollte.

Badekleidung gab es damals nicht einfach im Laden, es galt zu improvisieren. Helmut Brand hatte eine besondere Badehose. Stoff war ein Luxusprodukt. Die Hausschneiderin der Familie hatte aber eine Idee. Ihre Bekannte hatte noch eine ausgediente Hitler-Fahne und die wurde zerschnitten, um zur Badehose für den 11-Jährigen zu werden.

Die Schwimmbadfeste wurden auch nach dem Abzug der Amerikaner aufrecht erhalten. Schlagerstars wie Leila Negra und René Carol zeigten ein ihr Showprogramm. Und 1953 trat beim Schwimmbadfest der damalige Kinderstar Cornelia Froboess mit ihrem Hit "Pack die Badehose ein" auf.

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