Wenn Planer mit Edingen-Neckarhausen Tetris spielen
In der Diskussion um den Vorentwurf zum Flächennutzungsplan geht es um die Frage, wie die Gemeinde einmal aussehen könnte

Von Maren Wagner
Edingen-Neckarhausen. Wenige Begriffe sind in der Politik so überstrapaziert wie die "Transparenz". Es ist das Versprechen an die Bürger, sie bei Entscheidungen einzubinden. Eingehalten wird es freilich selten. Spätestens seit jenem Tag im März vergangenen Jahres aber, an dem das Neubaugebiet "Mittelgewann" in einem Bürgerentscheid gekippt wurde, gibt es in Edingen-Neckarhausen Bürger, die Verwaltung und Behörden ganz genau auf die Finger schauen. Und da sie häufig genug mitgeteilt haben, dass sie das auch beim Flächennutzungsplan machen werden, wissen die Entscheider, welchen Stellenwert Bürgerinformationen haben.
Es verwundert also nicht, dass Edingen-Neckarhausen nach Leimen die zweite Kommune war, in der Martin Müller vom Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim den Vorentwurf zum Flächennutzungsplan (FNP) vorstellte. Knapp eine Stunde lang erklärten er und Bärbel Schlosser vom Büro Bioplan aus Heidelberg, was hinter den vielen bunten Flächen steckt, die ein bisschen so aussehen, als hätte jemand auf dem Papier Tetris gespielt, jenes puzzleartige Computerspiel, bei dem es darum geht, Bausteine so zu drehen und zu verschieben, dass sie horizontale, möglichst lückenlose Reihen bilden.

Die Rechtecke, die Quadrate und die beinahe wie L-Formen aussehenden Bereiche könnten für die Zukunft Edingen-Neckarhausens stehen. Müller nennt sie "Entwicklungspotenziale", festgehalten im Flächennutzungsplan, der in Grundzügen darstellt, wo die Reise für eine Gemeinde hingehen soll. 18 Kommunen gehören dem Nachbarschaftsverband an, alle verabschieden einen Flächennutzungsplan.
Der Vorentwurf, der jetzt zur Debatte steht, wurde 2015 von der Verbandsversammlung beschlossen, in der die Bürgermeister und von den Gemeinderäten ausgesandte Vertreter sitzen. Aufgestellt wurde er jedoch nur von der Verwaltung, in Edingen-Neckarhausen seinerzeit noch unter Altbürgermeister Roland Marsch. Dem jetzigen Gemeindeoberhaupt Simon Michler gefällt er so gar nicht: "Ich werde dem Vorentwurf so nicht zustimmen", sagt er.
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Für die Doppelgemeinde gilt es, fast 35 Hektar an möglicher Wohnbaufläche zu verteilen. Das sind 15 Hektar weniger als im gültigen Flächennutzungsplan, aber immer noch mehr, als in anderen Kommunen des Nachbarschaftsverbands üblich ist. Zwar sind für Ladenburg im Vorentwurf sogar fast 37 Hektar Wohnbau ausgewiesen, Schriesheim jedoch ist mit nur 18 Hektar dabei, Ilvesheim mit gerade einmal sechs Hektar. Das liegt daran, dass gar nicht mehr alle Kommunen so viele freie Flächen zur Verfügung haben wie Edingen-Neckarhausen, wo seit 1983, als der erste Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbands aufgestellt worden war, keine nennenswerte Entwicklung im Außenbereich stattfand, wie Müller sagt.
Nötig gemacht hat den neuen FNP die Bekanntgabe, dass die amerikanischen Streitkräfte abgezogen werden. Weil damit 180 Hektar Konversionsflächen in Heidelberg, Mannheim und Schwetzingen frei wurden, musste an anderen Stellen im Nachbarschaftsverband Bauland gestrichen werden. Gleichzeitig wollten die übrigen Kommunen weiterhin die Sicherheit haben, auf ihren Gemarkungen bauen zu dürfen.
Und so wurden für den Vorentwurf von Edingen-Neckarhausen Flächen herausgenommen oder verkleinert, teilweise neue hinzugefügt. Bewertet wurden sie zum Beispiel nach der Siedlungsstruktur, also wie sich ein neues Baugebiet in bereits bestehende einfügt, nach Erreichbarkeit und Lärmschutz, nach Umweltbelangen.
Da gibt es das "Kappeseck" in Neckarhausen. Seit den Anfängen des Flächennutzungsplans sind hier 16,8 Hektar für Wohnbebauung ausgewiesen. Der Gemeinderat hat diese Fläche bereits vor fünf Jahren um ein Drittel verkleinert. Damals musste Bauland als Kompensation für Neckarhausen-Nord gestrichen werden. Im Vorentwurf wird das Kappeseck nun ganz aufgegeben.
Das hat zwei Gründe: Zum einen ging man vor mehr als 30 Jahren noch davon aus, dass es einmal eine S-Bahn-Haltestelle Neckarhausen geben wird. Damit ist nicht mehr zu rechnen. Die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel soll aber eine Voraussetzung für ein Baugebiet sein. Zum anderen grenzt die Fläche direkt an die Bahnlinie, für den Lärmschutz wären erhebliche Aufwendungen nötig. Aus städtebaulicher Sicht eher geeignet ist dagegen Edingen Südost, das sogenannte "Grundgewann".
Die 10,3 Hektar wurden neu in den Vorentwurf aufgenommen und lösten bereits im vergangenen Jahr Empörung aus. Denn das Grundgewann könnte erst nach einem Neubaugebiet im Mittelgewann realisiert werden. Die "Bürgerinitiative Mittelgewann" warf den Bebauungsbefürwortern daher Hintergedanken vor und befürchtete, dass die Edinger Außenrandlage einmal vollständig zugebaut sein könnte. Schon damals aber sagte Bürgermeister Simon Michler, er gebe dem Grundgewann keine Chance. Das wiederholte er in der Infoveranstaltung. Zu betroffen sei hier die Landwirtschaft. Wenn der Gemeinderat das auch so sieht, könnten die 10,3 Hektar noch gestrichen werden.
Offen ist ebenfalls, was mit den 10,7 Hektar im Mittelgewann geschieht, die schon seit 1983 im FNP stehen. Wegen des Bürgerentscheids ist hier erst einmal keine Bebauung möglich. "Zum Mittelgewann habe ich noch keine abschließende Meinung", sagt Michler, "aber der Bürgerentscheid sollte sich im Flächennutzungsplan wiederfinden." Der Gemeinderat muss entscheiden, ob die Fläche bleibt wie bislang, verkleinert oder gar ganz gestrichen werden soll.
Edingen-Neckarhausen hat nun einige Monate Zeit, über den Vorentwurf zum Flächennutzungsplan zu diskutieren. Auch die Bürger können Stellung beziehen. Der Gemeinderat soll den Entwurf im April vorberaten und im Mai beschließen. Das letzte Wort hat dann die Verbandsversammlung. Ist der FNP einmal in Kraft, gilt er zehn bis 15 Jahre.
Damit muss die Gemeinde aber nicht auf den ausgewiesenen Flächen bauen. Denn der FNP bringt keine Pflicht mit sich. "Er ist lediglich ein Angebot an die Gemeinden, sich zu entwickeln", sagt Müller vom Nachbarschaftsverband. Die Bürger werden ihn beim Wort genommen haben.
Info: Wer zum Flächennutzungsplan Stellung beziehen möchten, kann das bis 16. März zum Beispiel per E-Mail an nachbarschaftsverband@mannheim.de. Alle Pläne finden sich unter www.nachbarschaftsverband.de.



