Neue Streckenführung der Straßenbahn schürt bei Ladeninhabern Existenzängste
Bahnen rollen im Testbetrieb - Ladeninhaber der Hauptstraße kämpfen für Kurzzeitparken - 1000 Unterschriften in zwei Wochen

Von Anja Hammer und Christoph Moll
Eppelheim. Die Straßenbahn ist wieder da. Noch ist die neue Straßenbahnbrücke über die Autobahn A5 zwischen Eppelheim und dem Heidelberger Pfaffengrund zwar nicht freigegeben. Doch die ersten Straßenbahnen - zugegeben nicht gerade die neuesten Modelle - rollen schon seit dieser Woche auf der neuen Trasse. Es handelt sich um einen Testbetrieb, bei dem das Fahrpersonal auf der neuen Strecke geschult wird.
"Dabei geht es darum, die neue Streckenführung mit neuen Haltestellen, Signalanlagen und Weichen kennenzulernen und zu befahren", erklärt Victoria Pfaff von der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft. Neu ist neben der zweigleisigen Brücke auch der Kreisverkehr an der Kreuzung von Haupt-, Hilda- und Mozartstraße. Die erste reguläre Straßenbahn der Linie 22 fährt dann am 8. Dezember.
Hintergrund
Es herrscht wieder Halteverbot
Auf Gelb am Boden folgt Gelb an der Windschutzscheibe. In dieser Woche entfernten Arbeiter die gelben Straßenmarkierungen, die in den letzten zwei Jahren den Verkehr regelten. Jetzt ist das Gleisbett zwischen Volksbank
Es herrscht wieder Halteverbot
Auf Gelb am Boden folgt Gelb an der Windschutzscheibe. In dieser Woche entfernten Arbeiter die gelben Straßenmarkierungen, die in den letzten zwei Jahren den Verkehr regelten. Jetzt ist das Gleisbett zwischen Volksbank und Feuerwehr wieder für Autofahrer tabu - und damit gilt in der Hauptstraße wieder eingeschränktes Halteverbot. Deshalb verteilen Mitarbeiter des Gemeindevollzugsdienstes (GVD) seit Dienstag eifrig gelbe Infozettel und beantworten geduldig die Fragen der verwunderten Passanten und Autofahrer.
Zwar galt das Halteverbot auch schon vor der Baustelle. Nur drückte die Stadtverwaltung früher noch ein Auge zu. Da gab es nur ein Knöllchen, wenn das Auto entgegen der Fahrtrichtung oder übermäßig lange abgestellt war. Diese Zeiten sind vorbei: Aus dem Rathaus heißt es, dass Falschparker in der Hauptstraße künftig mit einem 15-Euro-Strafzettel rechnen müssen. In etwa zwei Wochen werden die aktuellen Infozettel dann durch richtige Knöllchen abgelöst. Hinter der evangelischen Kirche könne man schließlich auf elf Flächen zwei Stunden kostenlos parken; hinter dem katholischen Gemeindezentrum gebe es insgesamt 54 Stellplätze, wo man bis zu zwei Stunden kostenlos parken könne. (aham)
Derweil bangen die Inhaber der Geschäfte in der Hauptstraße um ihre Existenz. Denn mit der Rückkehr der Straßenbahn fallen die Kurzzeitparkplätze vor ihrer Ladentür weg.
"Die Notlösung war eigentlich die beste Lösung", sagt etwa Gerhard Wiegand vom Brillenstudio. Damit meint er die seit fast zwei Jahren bestehende Verkehrsregelung. Wegen der Brückenbaustelle über die Autobahn 5 ersetzten seit Dezember 2016 Busse die 22er-Straßenbahn. Die Autos durften auf dem Gleisbett fahren - und auf der Straße war mehr Platz. Dieser wurde für sechs eingezeichnete Kurzzeitparkplätze genutzt. Sehr zur Freude der Geschäftsinhaber. "Dadurch wurde auch der Verkehr entschleunigt", ergänzt Johannes Budjan vom Reformhaus.
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Alle in der Runde nicken. Die Geschäftsleute haben sich zusammen geschlossen und berichteten gestern bei einem Treffen mit der RNZ von ihrem Plan: Sie wollen für die Kurzzeitparkplätze kämpfen. "Die Verwaltung sagt, sie sucht nach einer Lösung", erklärt Juwelier Heinz Bowe. "Aber das dauert Jahre." Doch so viel Zeit haben die Geschäfte nicht. "Bis dahin können wir den Laden zumachen", meint Bekim Shabani, der im Geschäft seines Bruders, dem Obst- und Gemüseladen "Vitaminhaus", arbeitet.

Mit der gelben Markierung verschwand das Recht, auf dem Gleisbett zu fahren. Foto: sg
Deshalb sammeln sie Unterschriften für den Erhalt der Parkplätze. Die Listen liegen in 17 Geschäften, Banken und Cafés aus. Innerhalb von zwei Wochen haben sich fast 1000 Menschen eingetragen. "Von 100 Kunden unterschreiben 98", berichtet Monika Müller-Jaschinski von der Central-Apotheke. "Auch diejenigen, die mit dem Rad oder zu Fuß kommen." Vielen sei bewusst, dass auch sie älter würden und eines Tages nur noch mit dem Auto kommen könnten.
Die älteren Mitbürger sind die einen, die die Gewerbetreibenden im Kopf haben, wenn sie den Erhalt der Kurzzeitparkplätze fordern. "Es geht doch hier auch um Integration", sagt die Apothekerin. "Wenn die Senioren nicht mehr parken können, sind sie völlig abgeschnitten." Aber auch für Kunden, die es eilig haben, kämpfen die Ladenbetreiber. "Wer kurz Zigaretten kaufen will, sucht nicht ewig nach einem Parkplatz", führt Frauke Müller-Ungerer vom Toto-Lotto ins Feld. Zumal die regulären Parkplätze, auf die die Stadtverwaltung verweise, stets belegt seien, ergänzt Ute Müller vom Schreibwarenladen.
Eine wichtige Rolle spielt auch der Durchgangsverkehr. "Viele kommen aus Oftersheim und Plankstadt und halten auf ihrem Weg nach Heidelberg kurz an", berichtet Budjan. Sicherlich bräuchten nicht alle Läden Kurzzeit-Parkplätze, eine Brille oder einen Ring sucht man schließlich nicht auf die Schnelle aus. Aber: "Die Vielfalt ist unser Vorteil", sagt Budjan weiter. "Wenn es einem von uns schlecht geht, geht es uns allen schlecht."

Gegen das Halteverbot formt sich Widerstand in der Geschäftswelt. Foto: Geschwill
Wie genau die Sache in Zukunft gehandhabt werden soll, da sind sich die Geschäftsleute nicht ganz einig. Juwelier Bowe könnte sich einzelne, eingezeichnete Kurzzeitparkplätze vorstellen. Optiker Wiegand fände es gut, wenn einfach der gesamte Abschnitt zwischen der Commerzbank und der evangelischen Kirche zum Parken freigegeben würde. Und Gemüsehändler Shabani würde es reichen, wenn die Verwaltung - wie zu Zeiten vor der Baustelle - einfach beide Augen zudrückt. Wenn das nämlich nicht passiert und ein Kunde ein Knöllchen bekommt, weiß er: "Einen Stammkunde habe ich nach einem Strafzettel nie mehr gesehen."
In einer Sache sind sich aber alle Geschäftsleute einig: "Wir brauchen eine Park-Lösung - und zwar jetzt!" Man könne schließlich nicht die Innenstadt beleben wollen, einen neuen Markttag einführen und dann mit einem Halteverbot alles zunichte machen.