Eppelheim

Baustelle verschwindet, Ärger bleibt

Anwohner der zweigleisigen Straßenbahntrasse müssen künftig mit mehr Lärm rechnen - Großbaustelle war große Belastung

20.11.2018 UPDATE: 21.11.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden

Noch wird entlang der Gleise gearbeitet, doch am 8. Dezember soll die erste Straßenbahn rollen. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Eppelheim/Heidelberg. Wenn Florian Khalid auf dem Balkon seines Hauses in der Hauptstraße steht, scheint die Oberleitung der Straßenbahn zum Greifen nah. "Ich frage mich, ob das Kunst ist", sagt der Eppelheimer angesichts der vielen Verspannungen. Tatsächlich verlaufen die neuen und noch kupferrot leuchtenden Fahrdrähte nur wenige Meter vom Haus des 39-Jährigen entfernt. Das war bis vor einem Jahr noch anders.

Damals verlief ab der Brücke über die Autobahn nur ein Gleis und die Oberleitung war noch weiter weg. Der Neubau der zweigleisigen Straßenbahnbrücke ist inzwischen auf der Zielgeraden. Doch auch wenn die Baustelle geht: Der Ärger bei den Anwohnern bleibt - auch bei Familie Khalid.

Vor vier Jahren kaufte der Servicetechniker für Medizinprodukte das etwa 90 Jahre alte Haus in der Hauptstraße unweit der Auffahrt zur Brücke über die Autobahn. "Dass die Brücke erneuert werden muss, war klar - nicht aber die Langzeitauswirkungen", erzählt der 39-Jährige. Es bestand die Hoffnung, dass die Straßenbahntrasse eingleisig bleibt. Doch mit dem Bürgerentscheid im Jahr 2016 war die Zweigleisigkeit besiegelt.

"Wir kriegen die Auswirkungen am stärksten ab", erklärt der Eppelheimer und legt eine Tabelle mit den zu erwartenden Lärmwerten für alle Häuser entlang der Straßenbahnlinie vor. Sein Haus steht am dichtesten an den Gleisen - und das macht sich ebenso bemerkbar wie die neue Weiche unweit des Hauses. Die Anwohner hätten es lieber gesehen, wenn diese auf der Brücke gebaut worden wäre, "wo sie im Autobahnlärm untergeht", sagt Khalid.

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Tagsüber ist der Grenzwert von 70 Dezibel - darüber besteht eine Gesundheitsgefahr - mit 69,4 Dezibel knapp eingehalten. Nachts hingegen wird der Grenzwert von 50 Dezibel für die drei Schlafräume des Hauses - zwei davon in einer Mietwohnung - überschritten. Für diese besteht ein Anspruch auf Lärmschutz.

Die Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV) als Bauherr schlug laut Khalid den Einbau von drei Schalldämmlüftern für insgesamt etwa 1400 Euro vor, sodass die Fenster nachts geschlossen bleiben können. Für die zwei Schlafräume der Mietwohnung ist Khalid einverstanden - nicht aber für das Kinderzimmer seines dreijährigen Sohnes unter dem Dach. "Dort können wir im Sommer die Fenster wegen der Hitze nicht schließen", erklärt der Eppelheimer. Mit diesem Problem sei er alleine gelassen worden, beklagt Khalid: "Es hieß einfach, dass ich das Dach isolieren soll."

Als Hauseigentümer findet er, dass das Schallschutzkonzept nicht praktikabel ist. Für das Kinderzimmer sei vielmehr eine Klimaanlage notwendig, was dann insgesamt Kosten von 3000 Euro verursachen würde. 4600 Euro habe er bisher für Anwälte investiert.

Denn der Ärger mit der Baustelle begann schon früher. So sollte ein neuer Mast für die Oberleitung direkt vor seinem Parkplatz gebaut werden, sodass die Zufahrt nicht mehr möglich gewesen wäre. "Die Pläne waren sehr chaotisch", meint Khalid. Frisch aufgebrachter Asphalt sei wieder aufgerissen worden und ohne Vorwarnung sei die Straße abgegraben worden - obwohl sein Auto noch auf dem Grundstück stand. "Die Baufirma war aber sehr hilfsbereit und hat in einer halben Stunde alles aufgeschüttet", lobt der 39-Jährige.

Die vergangenen Monate seien für alle Anwohner eine Belastungsprobe gewesen. Oft nur mit Kletterkünsten seien sie in ihre Häuser gekommen, so Khalid. Autos mussten weit weg geparkt werden und jede Woche musste man neu herausfinden, wohin die vollen und schweren Mülltonnen hingeschoben werden müssen.

"Ein Umzug oder das Anliefern von Möbeln wäre gar nicht möglich gewesen", ergänzt Anwohnerin Heide Ullrich. Die Baustelle habe bei älteren Anwohnern auch gesundheitliche Spuren hinterlassen. Eine Nachbarin hätte - womöglich auch durch den Stress der Baustelle - einen Herzinfarkt erlitten. "Sie hat sich immer sehr aufgeregt", erzählt Ullrich. Auch an den Häusern hinterließ die Baustelle Spuren. An einem Gebäude entstand ein Riss in der Wand, in einem anderen ziehen sich Risse durch die Fliesen im Bad. "Bei den Rüttelarbeiten hat alles im Schrank gewackelt", so Ullrich.

Für die Arbeiten haben die Anwohner Verständnis. "Es war klar, dass die Brücke gemacht werden muss", sagt Florian Khalid, fragt aber: "Warum muss die neue Brücke doppelt so breit sein?" Straßenbahntrasse, Straße, Radweg und Gehweg - das sei "etwas übertrieben" und Steuergeldverschwendung, meint der Eppelheimer. Die RNV habe aber wohl gar kein Interesse daran, günstiger zu bauen, weil sonst die Förderung in Gefahr gewesen wäre.

Der 39-Jährige hofft nun, dass der Straßenbahnlärm dank des neuen Gleisbetts vielleicht doch nicht so schlimm wird, wie berechnet. Und falls doch, müsse er eben klagen oder die Klimaanlage selbst finanzieren. Für seinen theoretisch wegen des Lärms nicht mehr nutzbaren Balkon und seine Hofeinfahrt ist er bereits finanziell entschädigt worden.

Florian Khalid wohnt direkt an den Gleisen. Foto: Alex

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