Wie die Europäische Zentralbank den Kita-Neubau verteuerte
"Neckar-Krotten" in Edingen-Neckarhausen - Mario Draghis Billigzinspolitik ließ Preise für Holz, Stahl und Entsorgung deutlich steigen

Die Bäume im Gemeindepark sind längst gerodet, noch aber ging der Bau der neuen Kindertagesstätte "Neckar-Krotten" nicht voran. Die Gemeinde hat große Schwierigkeiten, Firmen zu finden, die sich an der Ausschreibung beteiligen. Foto: Pilz
Von Nicoline Pilz
Edingen-Neckarhausen. Ist die Billigzinspolitik von Mario Draghi, dem bald scheidenden Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Schuld daran, dass die Kindertagesstätte "Neckar-Krotten" mit großer Wahrscheinlichkeit teurer wird, als die ursprünglich geplanten rund fünf Millionen Euro? Irgendwie schon, und das Argument von Architekt Jan Kliebe (MGF Architekten Stuttgart) war da nicht ganz von der Hand zu weisen: Investoren drängen in den Baumarkt und treiben die Preise hoch. Allein in der Zeit, in der der Gemeinderat das Projekt zunächst auf Eis gelegt und dann doch wieder angeschoben hat, sind Holz, Stahl und Entsorgungskosten teilweise um bis zu 200 Prozent gestiegen.
Und die Baukonjunktur ist so angespannt, dass viele Firmen erst gar kein Angebot auf Ausschreibungen abgeben. Auch nicht zur Baustelleneinrichtung der Kita, die eigentlich ab Juli/August im Gemeindepark in Edingen gebaut werden soll. Kliebe war fast dankbar, dass wenigstens zwei Angebote reinkamen, einmal zur Rüttelstopfverdichtung in Höhe von 107.129 Euro und einmal für Erd- und Rohbauarbeiten über 646.374 Euro. "Das ist nicht selbstverständlich. Es ist schwierig, Handwerker zu finden", sagte Kliebe.
"Wie läuft das jetzt weiter? Machen diese Firmen die Baustelleneinrichtung selbst?", erkundigte sich Thomas Zachler (SPD). Es laufe in diese Richtung, gab Kliebe zur Antwort. Im Rahmen von Nachtragsangeboten werde das sorgfältig geprüft. Die Errichtung eines Bauzaunes und das Aufstellen von Sanitäranlagen während der Bauphase könne man in kleineren "Portionen" beauftragen.
"Wir stellen bei der ersten Auftragsvergabe gleich fest, dass wir zu 71 Prozent über der Kostenberechnung liegen", sorgte sich Hans Stahl von der Unabhängigen Bürgerliste (UBL). Eine Million sei durch Planungskosten und Entschädigungszahlungen bereits weg. "Hören wir dann irgendwann auf zu bauen oder überlegen wir, ob der angepeilte Standard zu bedenken ist?", fragte Stahl. Der Standard der neuen Kita sei nicht die höchste Klasse, entgegnete Kliebe, dennoch sei er gute Qualität. Einsparungen seien in "gewisser Weise" sicher möglich. "Erschreckend sei", so Bauamtsleiter Dominik Eberle, dass der Abtransport einer Tonne unbelasteten Materials genauso teuer sei wie eine Tonne belastetes. "Wir sind auf der Suche nach einer anderen Entsorgung", sagte Eberle. Roland Kettner (UBL) schlug vor, den Erdaushub zur geplanten Neckarbrücke in Neckarhausen zu verfrachten. "Wir sind da in Klärung", bestätigte Eberle.
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Bei allem Ärger über die Kosten machte der Gemeinderat dennoch einen Haken hinter die Auftragsvergabe. "Die Marktlage freut uns nicht", sagte Markus Schläfer (CDU). Wenn man sich weiter Zeit lasse, werde es aber noch teurer. Und an der Errichtung der Kita hängen weitere Bausteine im Kindergarten- und Schulkonzept, das im Herbst einstimmig beschlossen wurde. Zum Beispiel die dringend erforderliche Sanierung der Pestalozzi-Schule Edingen im zweiten Bauabschnitt. Die Schule muss in dieser Zeit in das von der Gemeinde erworbene Provisorium der "Neckar-Krotten"‘ ausweichen. Doch zuvor müssen die Kindergartenkinder dort raus. "Wenn wir jetzt nicht loslegen, hat es Stagnationen in der ganzen Gemeinde zur Folge", betonte auch Zachler.
"Wir waren nicht für den teuren Kindergarten", erklärte Hans Stahl. Seine Fraktion sei trotz ihrer Bedenken hinsichtlich der Gemeindefinanzen zur Einsicht gekommen, dass eine Vertagung der Auftragsvergabe oder gar ein Neuanfang das finanzielle Risiko noch erhöhen würde. Die UBL wolle heute "ein Signal aussenden in Richtung guter Zusammenarbeit im neuen Gemeinderat". Daher werde sich die Fraktion bei diesem Punkt enthalten. Vor der Kommunalwahl hatte die UBL trotz einstimmig beschlossenem "Bildungspaket", wie es Bürgermeister Simon Michler nennt, beim Bau der Kita eine Kehrtwende eingelegt und wollte diesen aus Kostengründen neuerlich stoppen. Nun also die Enthaltung.
"Es sind unzumutbare Fehler im Vorfeld gemacht worden. Das muss eine Warnung für die Zukunft sein", meinte Rolf Stahl (Offene Grüne Liste). Und spielte dabei vermutlich auf den Architektenwettbewerb an, den seinerzeit CDU und SPD mit knapper Mehrheit durchgesetzt hatten. Die Gegner des Wettbewerbs hätten es lieber gesehen, dass der Auftrag zum Bau der Kita an das Pfälzer Büro Hort + Hensel gegangen wäre, die davor die Martin-Luther-Kindertagesstätte deutlich günstiger errichtet hatten.



