Edeka-Zaun in Eppelheim

Härtetest mit Rollstuhl und Rollator

Zwei Frauen testeten die neue Zaunumgehung: Schotter und Steigung bringen Menschen mit Rollator und Rollstuhl zur Verzweiflung.

25.06.2019 UPDATE: 26.06.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden

Rollstuhlfahrerin Hannah Derbash schafft den Anstieg nur mit Hilfe ihrer schiebenden Mutter. Foto: Alex

Von Anja Hammer

Eppelheim. Nach wenigen Metern bleibt Hannah Derbash stehen. Die 32-Jährige schnauft durch und zeigt auf ihre Arme. "Ich habe jetzt schon Schmerzen", sagt sie. Derbash sitzt im Rollstuhl. Und was sie gerade zur Verzweiflung treibt ist ein Schotterweg, der als Zaun-Umgehung einen jahrelangen Streit beilegen soll.

Diesen hat die Stadt erst vor Kurzem fertiggestellt, um den Bewohnern des Eppelheimer Südens eine Alternative zum bisherigen Trampelpfad zum Edeka-Markt zu bieten. Denn dieser wird bekanntlich seit Jahren von einem Zaun versperrt. Doch die Praxis sieht ganz anders aus als die Theorie, wie der Härtetest mit Rollstuhl und Rollator zeigt. Grünen-Stadtrat Martin Gramm ist mit der jungen Libyerin befreundet und hat sie und die Eppelheimerin Ruth Michaelis zum Test des neuen Weges eingeladen.

Während Derbash noch im flachen Wegstück neben der Herrmann-Wittmann-Straße kämpft, weil sich die Räder ihres Rollstuhls tief in den Kies bohren, legt Ruth Michaelis eine Pause ein. Die 80-Jährige ist soeben den neuen Weg mit dem Rollator abgegangen. "Grausam" und "furchtbar" sind die Worte, die sie nun findet. Zwar sei der Untergrund inzwischen gewalzt und zumindest noch besser als in den ersten Tagen. "Da bin schon zweimal auf dem Weg zum Edeka steckengeblieben", berichtet die Eppelheimerin über ihre ersten Erfahrungen. Beide Male musste sie Leute abpassen, die ihr helfen.

Was den Rückweg vom Einkaufsmarkt zu ihrem nahe gelegenen Zuhause betrifft, meint Michaelis: "Mit den Einkäufen schaffe ich das nicht." Dazu sei das Wegstück, das von der Straße hoch auf den Bahndamm führt, zu steil. Nach eigenen Messungen der Protest-Initiative, die sich vor Jahren gegen den Edeka-Zaun gegründet hat, weist der neue Weg an der steilsten Stelle einen Anstieg von etwa zwölf Prozent auf, doppelt so viel wie maximal zugelassen.

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Wie zur Bestätigung steht Rollstuhlfahrerin Derbash gerade am Anfang des Steilstücks. Ihre Reifen drehen im Split durch, sie müht sich ab – und gibt auf. "Das geht nicht", sagt die junge Frau. Erst als ihre Mutter Aisha mit anpackt und sie schiebt, schaffen sie es, zwei Meter zurückzulegen. Dann brauchen beide eine Pause.

Ruth Michaelis ärgert sich: "Unsereins kommt nicht um den Zaun!" Denn während Mobilitätseingeschränkte wie sie und Derbash auf dem neuen Weg scheitern, wird er von halbwegs Fitten nämlich gar nicht genutzt. Diese laufen - wie während des Tests mehrfach zu beobachten ist – einfach weiterhin auf dem alten Trampelpfad oben auf dem Bahndamm und zwängen sich seitlich am Zaun vorbei (siehe Hintergrund). Und somit scheint es derzeit fast so, als ob der neue Weg nicht genutzt würde.

Hintergrund

Nabu-Experte kritisiert Erdaushub auf dem Bahndamm

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Nabu-Experte kritisiert Erdaushub auf dem Bahndamm

Eppelheim. (aham) Volker Violet ist entsetzt. "Das ist Zerstörung eines Lebenraums!", entfährt es ihm lautstark. Der Vertreter vom Naturschutzbund (Nabu) ist Teil der Gruppe, die Grünen-Stadtrat Martin Gramm an die neue Zaun-Umgehung geladen hat (siehe Artikel oben). Denn Gramm glaubt, dass die streng geschützte Zauneidechse oben auf dem Bahndamm am Edeka-Markt unter der Baumaßnahme leiden musste.

Die Eidechsenart hat sich in der Vergangenheit vermutlich am Bahndamm angesiedelt. Martin Hornung, der mit Gerhard Schneckenburger die Zaun-Protestinitiative bei dem Vor-Ort-Termin vertritt, berichtet, dass seine Frau auch schon eines der Tiere gesehen habe. In einer artenschutzrechtlichen Beurteilung, die die Stadt in Auftrag gegeben hatte, ist ebenfalls die Rede von einem möglichen Vorkommen der Zaun- und Mauereidechse in diesem Bereich. Der Gutachter empfiehlt also eine Zählung vor Baubeginn. "Die ist aber nicht erfolgt", ist sich Martin Gramm sicher. Deswegen hat er inzwischen die im Landratsamt angesiedelte Untere Naturschutzbehörde alarmiert.

"Die Stadt wurde genötigt"

Seine Aktion würde sich nicht gegen die Stadtverwaltung richten, betont der Grünen-Stadtrat. Vielmehr verteidigt er diese und Bürgermeisterin Patricia Rebmann, die sich erst für eine Zaunöffnung und schließlich für die Zaunumgehung eingesetzt hat. "Die Stadt wurde von den Eigentümern dazu genötigt", sagt Gramm und meint damit die Errichter des Zauns.

Darunter hätten nicht nur Menschen, sondern auch die Natur zu leiden. Besonders dort, wo rechts der neue Weg hinunter zur Herrmann-Wittmann-Straße führt und geradeaus der alte Trampelpfad zum Edeka-Zaun geht. Der Bereich ist mit Erdaushub bedeckt - und zwar nicht nur auf dem Trampelpfad. Auch die kleine Wiese daneben ist geschrumpft durch den Erdaushub - der übrigens schon wieder plattgetrampelt ist, weil viele Bewohner des Eppelheimer Südens weiterhin den alten Pfad zum Edeka nehmen.

Die Bedeutung der zugeschütteten Wiese erläutert Violet: "Da finden die Eidechsen Mücken und Schnecken." Der alte Schotterweg sei ideal für die Tiere gewesen, um sich aufzuheizen. Der Nabu-Mann macht aber auch Hoffnung: "Das kann man noch retten." Wichtig sei, dass man den Bereich rund um den alten Weg nicht mit Gehölzen zupflanze und stattdessen Samen von der Wiese ausstreut.

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Auch für Rentnerin Michaelis steht fest, dass sie lieber einen Umweg geht über die Rathenaustraße, Am Sportplatz und Herrmann-Wittmann-Straße. Zwar sorgt sich Tochter Bettina Michaelis um die Sicherheit der Mutter wegen der Betonlaster, die dort fahren. Doch die 52-Jährige weiß, dass die Rudolf-Wild-Straße keine Alternative für ihre betagte Mutter ist: "Da ist der Gehweg schräg, da müsste meine Mutter ständig den Rollator gegenlenken - und das kann sie nicht."

Die Aussagen und Beobachtungen dieses Vormittags bestärken Martin Gramm in seinem Unterfangen. Er will sich weiterhin einsetzen gegen den "Zaun der Schande", wie er die Metallkonstruktion am Edeka-Parkplatz nennt. Schließlich seien nur acht von 30 Wohnungseigentümern für das Errichten des Zaunes gewesen. Gramm: "Die willkürliche Entscheidung einer Minderheit macht Menschen das Leben schwer."

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