Dieter König - Öko, Genussmensch, Lebenskünstler
Vor fast 20 Jahren wagt Dieter König den Sprung und pachtet seinen ersten Weinberg. Bleibt die Frage, wie aus Trauben Wein wird. In der Rente kann sich Dieter König ganz seinem Weinberg widmen. Sebastian Jutisz besucht den Winzer in seinem Refugium.

Von Sebastian Jutisz
Dossenheim. Eigentlich war Dieter König immer Bier-Trinker. Wie sollte es auch anders sein. Seine Heimatstadt Geseke ist keine halbe Stunde von Warstein entfernt. Hier, in Ostwestfalen, wird Gerstensaft getrunken. Es gibt Großbrauereien ebenso wie Familienbetriebe, Biermuseen und sogar eine Bierroute, die durch den Teutoburger Wald führt und Pils-Trinker mit zahlreichen Braustätten lockt. Dass König einmal Herr eines eigenen Weinguts in Dossenheim werden würde, ist lange nicht abzusehen. Und doch wirkt es, als habe er nie etwas anderes getan, wenn der stets freundlich lächelnde Herr mit prüfendem Blick einige Trauben pflückt, sie vorsichtig in der Hand wiegt, leicht gegen das Licht hält und schließlich langsam in den Mund führt.
2025 wird wohl ein guter Jahrgang werden, überraschend gut, dafür, dass König im Frühjahr schon eine längere Dürreperiode befürchtet. Zwar ernten die Winzer in Deutschland dem Deutschem Weininstitut (DWI) zufolge dieses Jahr so wenig Wein wie seit 15 Jahren nicht mehr. Vor allem im Südwesten fällt die Ernte mager aus, nach einigen heftigen Regenfällen müssen die Winzer stark selektieren. Doch die Qualität der Trauben ist dieses Mal besonders gut, und genau darauf kommt es König an.
Worauf er besonders stolz ist: Ab diesem Jahr ziert das EU-Bio-Logo die Weine seines Weinguts 13 Reben. Ökologie und Naturverbundenheit, das ist ihm schon immer wichtig. Bevor er sich 1978 an der Universität in Göttingen einschreibt, spielt er mit dem Gedanken, Forstwirt zu werden. "Doch dafür hat mir der Mut gefehlt", sagt der 67-Jährige nachdenklich, während sein Blick über die Rheinebene gleitet.
Stattdessen also Sozialwissenschaften. In den linken Studentenkreisen, in denen König damals verkehrt, ist das Thema Ökologie aber weiterhin stark präsent. Der spätere Grünen-Frontmann Jürgen Trittin treibt sich Anfang der 1980er-Jahre ebenfalls an der sozialwissenschaftlichen Fakultät in Göttingen herum, man demonstriert gegen das Kernkraftwerk Brokdorf.
Andere Zeiten sind das, als Dieter König noch Bier-Trinker ist. Aktivismus und Politik sind heute in weite Ferne gerückt, der Wahl-Dossenheimer verbringt die Tage am liebsten in seinen Weinbergen, die nur zehn E-Bike-Minuten von seinem Haus entfernt liegen. Ein wenig Idealist ist er aber geblieben: König legt wert darauf, keine aggressiven Düngemittel zu benutzen, außerdem pflanzt er Obstbäume für mehr Biodiversität. "Bio ist die Zukunft. Ich mache alles per Hand", sagt er. Wobei er froh ist, nicht vom Wein leben zu müssen. Um neun Prozent ist der Absatz deutscher Weine laut DWI im vergangenen Jahr gesunken, der Preisdruck ist enorm. Königs Ziel ist die schwarze Null.
Begonnen hat alles mit einer Weinwanderung vor fast 20 Jahren, als ausgerechnet ein Pfälzer Rotwein König vom Bier- zum Weinliebhaber werden lässt. Heute ist ein etwas eigenwilliger Cuvée-Rotwein aus Spätburgunder, Merlot und Cabernet sein Markenzeichen. Die Kreation ist eigentlich aus der Not geboren, da König anfangs nicht genügend Trauben einer Sorte hat. Aber der Wein schmeckt, und so gehört er neben pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, sogenannten "Piwis", noch immer zum Sortiment.
Es ist ein befreundeter Winzer aus Schriesheim, der König 2008 auf einen verwaisten Weinberg aufmerksam macht. Obwohl er damals keine Ahnung vom Weinbau hat, geht er das Wagnis ein. Die Arbeit in der Natur ist ein willkommener Ausgleich zu seinem Job im Büro, das nötige Fachwissen eignet er sich mithilfe des Beratungsdienstes Ökologischer Weinbau an. Inzwischen sind aus vier Ahr 0,8 Hektar geworden. Immerhin 4000 Liter produziert 13 Reben im Jahr. Obwohl König in der Rente mehr Zeit hat, wäre das ohne einen großen Bekanntenkreis und die Hilfe der Familie nicht zu bewältigen: Bei der Lese arbeiten 14 Personen an sieben Tagen in der Woche. Doch die Menschen helfen gerne – statt Effizienz steht Geselligkeit im Vordergrund. "Die Zeiten sind schwer genug. Da gönnen wir uns die Lebensfreude im Weinberg."
Info: Öffnungszeiten: Freitags von 16.30 - 18.30 Uhr; Samstags von 10-12 Uhr.


