Doch keine "Identitätsverweigerung"

Muslimin wollte im Weinheimer Bürgerbüro doch ihr Gesicht zeigen

Der "Burka-Fall" ist nicht mehr schleierhaft. Zunächst war von "Identitätsverweigerung" die Rede gewesen.

11.04.2018 UPDATE: 12.04.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden

Weinheim hat bundesweit Schlagzeilen gemacht: Eine Muslimin war erst von der Passbehörde und später beim Neubürgerempfang wegen ihrer Vollverschleierung abgewiesen worden. Symbolbild: dpa

Von Stefan Hagen und Philipp Weber

Weinheim. Die größte Kerwe in der Region, der "nördlichste Marktplatz Italiens": Die Stadt Weinheim rühmt sich gerne ihrer herausragenden Bedeutung in der Region, im Land und manchmal sogar darüber hinaus. Bundesweit Schlagzeilen hat die Zweiburgenstadt zuletzt aber mit einem ganz anderen Thema gemacht. Eine vollverschleierte Deutsche mit muslimischem Glauben hatte sich - so die zunächst von der Stadt kommunizierte Version des Vorfalls - zweimal geweigert, ihr Gesicht zu zeigen. Die Folge: Sie wurde Mitte letzter Woche sowohl von der Passbehörde als auch wenige Tage später beim Neubürger-Empfang abgewiesen. Dagegen hatte ihr Ehemann vehement protestiert. Gestern nun die überraschende Wende: Die Stadt musste auf Anfrage der RNZ klarstellen, dass sich zumindest der erste Vorfall in den Räumen der Passbehörde anders zugetragen hatte, als ursprünglich kommuniziert.

"Wir haben den Hergang vom 3. April im Bürgerbüro intern noch einmal nachvollzogen", so ein Stadtsprecher. Schon damals stand die Idee im Raum, dass die Muslimin einer Mitarbeiterin der Stadt ihr Gesicht zeigt - unter vier Augen, versteht sich. Die Frau war dazu offenbar auch bereit gewesen. Und das hätte durchaus genügt, um den behördlich geforderten Abgleich zwischen dem realen Gesicht der Frau und ihrem Passbild zu ermöglichen. "Dass dieses Angebot von der Sachbearbeiterin abgelehnt wurde, war aus heutiger Sicht gesehen nicht korrekt", räumt der Sprecher ein.

Von einer "Identitätsverweigerung" (Originalzitat Heiner Bernhard) kann demnach keine Rede mehr sein. Zur Erinnerung: Der Verwaltungschef hatte nach dem Vorfall eine Dienstanweisung herausgegeben, nach der Vollverschleierte von Mitarbeitern der Stadt abgewiesen werden können. "Der Islam gehört für mich zu Deutschland, die Vollverschleierung nicht", schickte der OB für die Öffentlichkeit hinterher - und erntete bundesweit Zustimmung.

Jetzt steht aber fest, dass die Muslimin durchaus kooperiert hätte - nur kam dies nicht beim Oberbürgermeister an. Im Endeffekt also ein Kommunikationsproblem. "Das ist sehr ärgerlich", gibt Bernhard unumwunden zu. Er sei von einer klaren Situation ausgegangen.

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Die sich nun völlig anders darstellt. "Wir werden dem Ehepaar einen Brief schreiben und den Sachverhalt richtig stellen", kündigt Bernhard an. Der Verwaltungschef sprach ausdrücklich von einer Richtigstellung, nicht von einer Entschuldigung. Der Sachbearbeiterin, versichert er, nehme er den Vorfall nicht übel. Da es noch keine Dienstanweisung in diesem Zusammenhang gegeben habe, "hat sie gedacht, dass sie richtig handelt".

Inzwischen gibt es sogar eine modifizierte Dienstanweisung. Darin heißt es: "Das Bürgerbüro gibt Personen mit Vollverschleierung die Möglichkeit, ihrer Mitwirkungspflicht beim Lichtbildabgleich in einem Nebenraum mit einer Mitarbeiterin nachzukommen." Nur wenn dies verweigert werde, müsse man Antragsstellerinnen weiter abweisen. Auch an der Abweisung der Muslimin beim jüngsten Neubürgerempfang hat sich inzwischen hier und da Kritik entzündet - wenn auch meist eher leise. Mehrere Lokalpolitiker aus der Region erklärten in Gesprächen mit der RNZ, dass sie Bernhards grundsätzliche Haltung durchaus teilen. Allerdings kam die Frage auf, ob sich diese Haltung per Hausrecht durchsetzen lässt. Denn ein anderer Grundsatz besagt, dass Verwaltungen ihren Bürgern den Zugang zu öffentlichen Gebäuden gewähren müssen.

Doch in dieser Sache bleibt die Stadt bei ihrer Sichtweise: Oberbürgermeister Bernhard versende zum Neubürgerempfang persönliche Einladungen: "Diese Veranstaltungen finden also auch auf einer persönlichen Ebene statt." Bernhard bleibe deshalb bei seiner in den vergangenen Tagen mehrfach geäußerten Haltung, dass er den Bürgern von Angesicht zu Angesicht entgegentreten wolle. Dies halte er für eine Bürgerpflicht in einem demokratischen Staat.

Die Vollverschleierung widerspreche "unseren Grundregeln im persönlichen Umgang", wiederholt der OB - und sieht das Hausrecht auf seiner Seite. Demnach könne er vereinzelten Personen oder auch Personengruppen die Anwesenheit durchaus verwehren.

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