Im Kreißsaal fühlt sich die Hebamme Julia Schuhmacher wohl
"Bei uns den Ausnahmezustand da draußen komplett vergessen" - Nach Geburt sorgt Virus aber für Hürden

Von Lukas Werthenbach
Eppelheim. Welchen Beruf hätte Julia Schuhmacher heute wohl ohne den Tipp ihres damaligen Frauenarztes? "Ich wollte schon immer in den medizinischen Bereich", sagt die heute 43-jährige Eppelheimerin. Doch erst ihr Gynäkologe brachte sie auf den Weg, der für sie goldrichtig war und ist: Julia Schuhmacher ist Hebamme. "Für mich ist es wirklich so, als hätte ich mein Hobby zum Beruf gemacht", sagt sie auch 21 Jahre nach ihrem Examen. "Ich fühle mich dazu berufen."
Vom Thema Schwangerschaft und Kinder sei sie schon immer fasziniert gewesen, berichtet die zweifache Mutter. Sie war gerade volljährig und absolvierte ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Heidelberger Uniklinik, als ihr Frauenarzt zu ihr sagte: "Hebamme würde zu Ihnen passen!" Also wechselte sie für die zweite Hälfte ihres FSJ auf die Entbindungsstation der Klinik – und als sie dort erstmals die Geburt eines Kindes miterlebte, war es um sie geschehen. "Ich habe gesehen, dass kein Arzt daneben steht und man als Geburtshelfer nicht nur der Handlanger des Arztes ist", erinnert sich Schuhmacher. "Ich darf als Hebamme eine Geburt alleine leiten, ein Arzt nicht", erklärt sie.
Mit 19 Jahren begann sie ihre Ausbildung, heute arbeitet sie in der GRN-Klinik in Sinsheim. Dazu gehört natürlich auch der Schichtbetrieb, der ihrer Familie bei der Betreuung der zwölfjährigen Tochter und des achtjährigen Sohnes aber in Corona-Zeiten eher entgegenkomme. "Wenn ich nachts und am Wochenende arbeite, kann mein Ehemann übernehmen", erklärt Schuhmacher. Dennoch: "Ohne die Hilfe meiner 19-jährigen Nichte wären wir verloren."
Hebammen sind für gebärende Frauen mehr als nur "Helfer" mit der nötigen medizinischen Kompetenz – in dieser extremen, meist mehrstündigen Ausnahmesituation kann eine Hebamme auch zur Motivationstrainerin, Psychologin und Freundin werden. "Die Kunst ist es, sich individuell auf die Frau einzulassen", sagt Schuhmacher. Doch eines sei ihr immer wichtig: "Ob für die Flüchtlingsfrau aus Syrien oder eine Frau Prof. Dr. Dr. – es geht mir immer darum, zu vermitteln: ,Ich hab’ dich lieb und ich will mit dir dein Kind auf die Welt bringen.’"
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Corona habe indes kaum etwas an der Situation im Kreißsaal geändert. Das Personal trage natürlich Mundschutz, gerade als Hebamme sei Abstandhalten zur gebärenden Frau aber kaum möglich. "Wir bieten den Frauen und ihren Partnern einen geschützten Raum, um ganz in Ruhe ihr Kind zu kriegen", sagt die Eppelheimerin. "Man kann bei uns den Ausnahmezustand da draußen komplett vergessen." In Sinsheim dürfen laut Schuhmacher ebenso wie in den Heidelberger Kliniken die Väter mit dabei sein, sobald die "muttermundwirksamen Wehen" eingesetzt haben. "Für infizierte Schwangere haben wir einen extra Kreißsaal eingerichtet." Auch Covid-19-positive Frauen könnten also unter gewöhnlichen Bedingungen entbinden.
Für Hürden sorge die Pandemie eher nach der Geburt. Auch weil ältere Kinder nicht auf den Wochenbett-Stationen erlaubt sind, gingen Mütter aktuell häufiger mit ihren Neugeborenen kurz nach der Geburt nach Hause. Für "problematisch" hält Schuhmacher es dann, wenn Hebammen für die übliche Nachsorge – etwa zur Pflege von Wunden und Unterstützung beim Stillen – nicht mehr zu den Familien nach Hause kommen. Denn nicht alles sei per Telefon möglich. Wenn Kolleginnen aus der Risikogruppe keine Hausbesuche mehr machen, hat sie zwar Verständnis dafür. "Aber dann sollte man bitte auch rechtzeitig darüber informieren", appelliert die 43-Jährige.
Info: Alle Teile der RNZ-Serie Corona-Helden gibt es im Internet unter www.rnz.de/corona-helden-der-region



