"Eine urdemokratische Entscheidung"
Bürgermeister Michler bestand im Gemeinderat auf den "Bürgerentscheid Mittelgewann" bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplans

3670 Bürger stimmten beim Bürgerentscheid im März 2017 gegen eine großflächige "Mittelgewann"-Bebauung. Simon Michler, damals Befürworter der Bebauung, bekräftigte im Gemeinderat, die Entscheidung bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplans zu respektieren. F.: Dorn
Von Nicoline Pilz
Edingen-Neckarhausen. Das Interesse der Bürger an der Fortschreibung des Flächennutzungsplans ist größer geworden: Allein 77 Stellungnahmen aus Edingen-Neckarhausen erreichten den Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim. Und auch in der Gemeinderatssitzung am Mittwochabend, bei der zahlreiche Zuhörer, darunter Vertreter beider Bürgerinitiativen von "Wir wollen wohnen" und "Rettet das Mittelgewann", zugegen waren, war der Flächennutzungsplan das viel beachtete Diskussionsthema.
OGL-Rat Hoffmann: "Wir werden uns streiten"
Für Bürgermeister Simon Michler war eine Tatsache besonders wichtig: 3670 Stimmen, die sich beim Bürgerentscheid im vergangenen Jahr gegen eine großflächige Bebauung der Edinger Außenrandlage "Mittelgewann" ausgesprochen hatten. "Das sind 1000 mehr, als mich gewählt haben", sagte Michler und betonte zwei Punkte: Der Bürgerentscheid sei eine "urdemokratische Entscheidung" gewesen, die er auf alle Fälle berücksichtigen werde. Von daher lasse er, was das "Mittelgewann" in seiner vollen Größe von 10,7 Hektar angehe, in diesem Punkt nicht mit sich reden. Vier Hektar als denkbarer Kompromiss, das hatte auch die Bürgerinitiative "Rettet das Mittelgewann" so unterschrieben, seien in Ordnung, die rote Linie bei der Polsterfabrik Lipowa soll nicht überschritten werden.
Der Vorschlag der Verwaltung zum neuen Flächennutzungsplan sieht folgerichtig vor, sowohl das Mittelgewann als auch das Grundgewann aus der Spielmasse von bebaubaren Flächen herauszunehmen. "Wir wollen freiwillig Flächen abgeben - vielleicht als einzige Gemeinde in Deutschland", sagte Michler. Trotzdem sei man noch in der Lage, Wohnbauflächen auszuweisen, wolle aber keine "ganz großen" Gebiete mehr. "Das ist ein klassischer Kompromiss, und wir haben noch Spielraum. Wenn Sie Ihre Vorschläge einbringen, können wir das noch optimieren", sagte das Gemeindeoberhaupt zu den Fraktionen. Diese sollen bis zum 11. Juni ihre eigenen Ideen vortragen. Michler sei wichtig, "breiten Konsens" zu erzielen.
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Eine kurze Diskussion entspann sich über ein Schreiben aus der Zukunftswerkstatt, die bis zum Herbst ein Leitbild "Edingen-Neckarhausen 2030" erstellen wird. Den Sprecher der Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema Bauen befasste, hätte man gerne im Gemeinderat gehört, sagte SPD-Fraktionssprecher Thomas Zachler. Daraufhin schüttelte Michler den Kopf: "Das wollte er nicht, und es wäre auch unfair den anderen Arbeitsgruppen gegenüber." Stephan Kraus-Vierling (Unabhängige Bürgerliste aus FDP und Freien Wählern/UBL) pflichtete ihm als Mitglied einer Arbeitsgruppe bei: "Uns wurde immer gesagt, dass alles, was wir hier erarbeiten, noch nichtöffentlich ist."
In der anschließenden Debatte über die Fortschreibung des Flächennutzungsplans sagte CDU-Fraktionschef Bernd Grabinger, er gehe mit dem Verwaltungsvorschlag im "Großen und Ganzen" konform, "bis auf ein, zwei Punkte". Fraglos akzeptiere seine Fraktion den Bürgerentscheid zum Mittelgewann. Doch nach Ablauf der dreijährigen Frist dürfe man ja "wieder darüber diskutieren". Man müsse ja nicht zwingend bauen, so Grabinger sinngemäß. Auch in der Vergangenheit habe man mehr auf Innenentwicklung gesetzt.
Sowohl er als auch Michael Bangert (SPD) griffen eine Stellungnahme von Werner Peuker auf, der in der Bürgerfragestunde zu Beginn wissen wollte, ob der Verwaltungsvorschlag ausreichend Ausgleichsflächen berücksichtige. Obwohl die SPD im RNZ-Gespräch gesagt hatte, es mache keinen Sinn, das Mittelgewann im Flächennutzungsplan zu lassen, erklärte Bangert nun: "Jede Fläche, die wir jetzt wegnehmen, bleibt weg. Wir reduzieren uns ohne Grund. Wieso sollten wir uns in unseren Möglichkeiten beschneiden?" Michler hielt dagegen: "Wir reduzieren nicht, wir verteilen nur anders." Er mahnte, potenzielle Bauflächen nicht mit Ausgleichsflächen für Grünzonen zu vermischen.
Stephan Kraus-Vierling reagierte verschnupft auf die Kollegen von CDU und SPD. Ihre Argumentation halte er nicht für "lauter", die Diskussion übers Mittelgewann wieder aufzunehmen, sei ein "Spaltpilz".
UBL-Fraktionssprecher Hans Stahl appellierte: Der Verwaltungsvorschlag von Michler sei eine "kluge Lösung", denn er diene dazu, die Gemeinde zu "befrieden".
Thomas Hoffmann (Offene Grüne Liste) ahnte: "Das wird ein schwieriger Prozess, wir werden uns streiten." Er plädierte dafür, die Flächenversiegelung weiter zu bremsen. Das Stimmungsbild in den Fraktionen war uneinheitlich, und es dürfte spannend werden, wenn der Gemeinderat im Juni über den Flächennutzungsplan abstimmen soll. Es kamen auch Aussagen, man solle jetzt keine Flächen reduzieren, sonst verbaue man künftigen Gemeinderatsgenerationen ihren Entscheidungsspielraum.



