"Bürgerbegehren Mittelgewann": Bürgermeister Michler im Interview

Hätte er das "Mittelgewann" anders angehen sollen? Bürgermeister Simon Michler äußert sich dazu im Interview.

19.08.2016 UPDATE: 20.08.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 46 Sekunden

Als es um den geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft ging, punktete Bürgermeister Simon Michler mit seiner Bürgernähe. Nach dem Aufstellungsbeschluss zum rund elf Hektar großen geplanten Neubaugebiet "Mittelgewann", warfen ihm einige Bürgerferne vor. Im Nachhinein würde er einige Dinge anders machen, sagt Michler im Interview. Foto: Pilz

Von Nicoline Pilz

Edingen-Neckarhausen. Es war eine bemerkenswerte Gemeinderatssitzung im Juli: Die Entwicklung des Baugebiets "Edinger Mittelgewann" für bis zu 600 Neubürger löste teils emotionalen Widerstand aus. Dennoch ist der Geltungsbereich für knapp elf Hektar nun gefasst. Dank der Stimmen von Bürgermeister Simon Michler, CDU- und SPD-Fraktion sowie Einzelgemeinderat Uli Wetz: Sie wollen das Baugebiet. Einige warfen Michler danach vor, die Bürger nicht frühzeitig eingebunden zu haben. Warum er so und nicht anders an die Sache herangegangen ist, erklärt der Bürgermeister im RNZ-Gespräch.

Im Licht der Erkenntnisse aus zwei Gemeinderatssitzungen - würden Sie die Zeit gern zurückdrehen und das Thema "Mittelgewann" anders anpacken?

Hinterher ist man immer schlauer. Ursprünglich war das Ziel, das Thema in der Juni-Sitzung zu behandeln und zu informieren. Dann ist es vertagt worden. Dadurch konnte auch eine gewisse Stimmung erzeugt werden.

Durch die Vertagung?

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Wie gesagt, die Informationen hätte es in der Juni-Sitzung geben sollen. Da waren es vielleicht zehn Zuhörer, obwohl das Thema schon vorher groß in der Presse war. In der Zeit bis Juli ist die Stimmung gegen das Baugebiet schon gewachsen, und es gab einige Äußerungen und Veröffentlichungen in der Sache. Ich selbst habe dazu geschwiegen und in der Zeit bewusst keine Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Im Nachhinein würde ich das anders machen.

Sie haben vor der Gemeinderatssitzung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Rudolf-Diesel-Straße kurzfristig eine Bürgerinfo vor Ort eingeschoben. Warum nicht zum "Mittelgewann"?

Weil das zwei völlig verschiedene Dinge sind. Die Rudolf-Diesel-Straße war gänzlich neu, das Thema vorher noch nicht behandelt. Aber auch hier gab es über 100 Unterschriften gegen die Unterkunft. Das Baugebiet "Mittelgewann" war nicht neu. Zuletzt ist es im Jahr 2006 im Flächennutzungsplan rechtsverbindlich beschlossen und öffentlich diskutiert worden. Ganz bewusst wollte ich vom Gemeinderat erst einmal nur den Abgrenzungsbereich fassen lassen. Dabei ging es um die Frage, ob der Geltungsbereich drei oder knapp elf Hektar umfasst. Wie viele andere Themen habe ich das Mittelgewann mit dem Rückenwind aus der Klausurtagung auf die Tagesordnung gesetzt.

Sie haben am Ende einer denkwürdig langen Juli-Sitzung gesagt, dass Sie nicht mit sich zufrieden gewesen seien. Bedeutet das, dass Sitzungen bis nach ein Uhr früh die Ausnahme bleiben?

Mit Sicherheit. Wir haben für 20 Punkte drei Stunden benötigt, das ist ja nicht schlecht. Wobei es nicht normal ist, dass man für einen Punkt allein vier Stunden tagt. Das wird hoffentlich nicht mehr vorkommen. Und ich habe mich reizen lassen. Das nehme ich auf meine Kappe.

Sie haben sich mit der Unabhängigen Bürgerliste, besonders mit Dietrich Herold, schwer in die Wolle bekommen. Kriegen Sie das wieder hin?

Wir verstehen uns hervorragend, und ich bin überzeugt, dass das auch in Zukunft so sein wird. Es wäre schlecht, wenn Bürgermeister und Gemeinderäte immer einer Meinung wären. Als Bürgermeister darf man aber nicht nachtragend sein, und ich werde meinen Teil dazu beitragen, dass nichts zurückbleibt. Und ganz ehrlich, ich bin auch stolz auf unseren Gemeinderat: Wir streiten in der Sache, tragen uns aber nichts nach. Das haben die letzten beiden Sitzungen bewiesen. Die zahlreichen anderen wichtigen Punkte nach dem Mittelgewann wurden sachorientiert beraten und beschlossen. Ich bin sicher, dass die Zusammenarbeit nach wie vor sehr gut ist, auch wenn es bei diesem Thema mal heftiger zuging. Letztlich geht es uns allen um das Wohl der Gemeinde.

Die Geschäftsordnung des Gemeinderats sieht Bürgerfragestunden von maximal einer Stunde vor. Sie haben das aber knapp zwei Stunden laufen lassen. Kann der Bürgermeister die Geschäftsordnung selbst auslegen?

Es wäre nicht gut gekommen, das abzubrechen. Es war wichtig, jeden zu Wort kommen zu lassen.

Nun ist geschehen, was vielleicht durch eine behutsamere Vorgehensweise ans Thema Mittelgewann zu vermeiden gewesen wäre: Eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, die das Baugebiet durch ein Bürgerbegehren verhindern will. Macht Ihnen das Sorgen?

Nein. Wir haben im Gemeinderat zwei demokratische Entscheidungen getroffen. Erstens, dass der Antrag der UBL, noch einmal eine Diskussion über andere Baugebiete zuzulassen, mehrheitlich abgelehnt worden ist. Zweitens, dass die Verwaltung den Auftrag bekommen hat, den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Mittelgewann vorzubereiten. Daran hat sich die Verwaltung zu halten. Die Gründung der Bürgerinitiative ist völlig legitim. Und wenn ein demokratischer Beschluss durch einen anderen, weitreichenderen, gekippt wird, ist das auch okay. Dann müssen wir schauen, wie es weitergeht. Auch finanziell.

Weil die Kommune dann kein Geld für andere Aufgaben hat? Etwa für die Schulen, wo es nicht einmal für dringend nötige neue Teppichböden reicht?

Das Mittelgewann allein ist sicher nicht der Heilsbringer. Aber ein Beispiel: Wir haben durch Mittel aus dem Ausgleichsstock für finanzschwache Kommunen über 500 000 Euro für den Bau der Kindertagesstätte Martin-Luther bekommen. Das ist schön. Einerseits. Andererseits ist es auch traurig, dass wir jetzt offiziell als finanzschwach gelten. Generell ist es kein gutes Zeichen, am Tropf des Landes zu hängen.

Einige Bürger äußerten sich enttäuscht. Sie sprachen beim Thema Mittelgewann von verlorenem Vertrauen in Sie. Wie gewinnen Sie das zurück?

Durch gute, sachorientierte Arbeit. Man darf nicht vergessen, dass der Beschluss zum Mittelgewann und der Weg dorthin von einer großen Mehrheit im Gemeinderat getragen werden. Darunter sind die beiden großen Volksparteien. Deren Räte sind von Tausenden Bürgern gewählt worden. Manche sind vielleicht nicht so laut und äußern sich nicht so gegenüber der Presse. Nicht immer spiegeln diejenigen, die am lautesten sind, die Meinung der Mehrheit wider.

Sie hatten in ihren ersten sieben Monaten als Bürgermeister sehr viel zu tun, haben Liegengebliebenes aufgearbeitet und dafür Lob und Zustimmung im Gemeinderat erfahren. Jetzt scheint der Ton rauer geworden zu sein, oder?

Nein, das sehe ich nicht so. Wir haben viele Themen angepackt und hatten fast immer einstimmige Beschlüsse. Klar ist, wer gestaltet, kann auch anecken. Vor allem dort, wo im Umfeld etwas verändert wird. Aber ich mache keine Alleingänge, habe eine von 23 Stimmen im Gemeinderat. Es kann nicht die Lösung sein, alles zu schieben. Die Bürger erwarten, dass etwas vorangeht. Der Bürgermeister muss der Motor dafür sein.

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