Wie Betrüger per App falsche Notrufe auslösen, um Einsatz zu filmen
Mit der offiziellen "Nora"-App wurden in der Region bisher viermal Rettungskräfte getäuscht. In Schriesheim war es ein angeblicher Gasgeruch.

Von Micha Hörnle
Schriesheim/Dossenheim. Eigentlich ist die Notfall-App "Nora" eine gute Sache, denn sie soll es Hörgeschädigten ermöglichen, einen Notruf abzusetzen. Die barrierefreie App gilt deutschlandweit und ist auch "offiziell", also von allen Bundesländern, zugelassen.
Doch "Nora" hat auch ihre Schattenseiten: Sie verleitet dazu, die Einsatzkräfte zu täuschen und einen Notfall anzuzeigen, den es gar nicht gibt. Dabei verschaffen sich die Täter eine andere Identität – meist von Personen, die in einer Online-Besprechung sind oder etwas streamen – und fälschen die GPS-Daten, also die Ortung. Alles in der Hoffnung, dabei einen Einsatz filmen zu können.
Das war auch in Schriesheim der Fall: Am Montag, 13. März, wurde die Feuerwehr gegen 23 Uhr wegen eines Gasalarms in die Landstraße gerufen, nachdem jemand – angeblich aus dem Haus – per "Nora" die Integrierte Leitstelle informiert hatte. In dem Anwesen wohnen 28 Personen, und die Feuerwehr musste, wie ihr Kommandant Oliver Scherer berichtet, vorsichtig vorgehen: Denn man konnte nicht einfach an der Türklingel läuten oder den Lichtschalter drücken, weil das vielleicht einen Funken ausgelöst hätte. "Es war sehr schwierig, Kontakt mit den Hausbewohnern aufzunehmen", so Scherer.
Tatsächlich waren die Bewohner überrascht, als auf einmal die Feuerwehr vor ihnen stand – vor allem aber die junge Frau, von deren Handy angeblich der Notruf abgesetzt worden war. Nur die hatte "Nora" gar nicht auf ihrem Smartphone.
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Scherer spricht von einem "kuriosen Fall", zumal die Leitstelle in ständigem schriftlichen Austausch mit der Person stand, die den Notruf abgesetzt hatte. Nun ermittelt die Polizei wegen missbräuchlicher Nutzung.
In Dossenheim wurde neun Tage später über "Nora" gemeldet, dass in der Goethestraße ein sechsstöckiges Gebäude brennen würde – was natürlich nicht der Fall war. Auch wenn sich das spektakulär anhört: Noch sind solche missbräuchlichen Notrufe per "Nora" kein weitverbreitetes Phänomen.
In der Integrierten Leitstelle in Ladenburg berichtet Dirk Kühnberger von lediglich einem Fall: "Wir sind da nicht so betroffen von diesem Phänomen, woanders gibt es sicherlich mehr Fälle." Polizeisprecher Stefan Wilhelm nennt auf RNZ-Anfrage vier Fälle im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim: die in Schriesheim und Dossenheim, einen angeblichen Brand in Waibstadt sowie eine vorgetäuschte Freiheitsberaubung in Handschuhsheim: "Eine besondere Steigerung des missbräuchlichen Notrufs konnten wir bisher nicht beobachten." Weil offenbar Profis am Werk waren, die die Identität der "Nora"-Nutzer sowie die GPS-Daten fälschten, gab es bisher auch noch keine Ermittlungserfolge.
Auch wenn in Deutschland dieses Phänomen neu ist, in den USA ist es ein großes Problem für die Rettungskräfte – und als "Swatting" bekannt: Anrufer verfälschen ihre Telefonnummern, setzen einen Notruf ab und lösen so den Einsatz von Spezialeinheiten, den sogenannten Swat, aus, um diese dann filmen zu können – gerne auch bei Prominenten.
Der Fall in Handschuhsheim war in der Region der einzige, der in die Nähe des "Swatting"-Phänomens gekommen ist. Dort sollte, wäre es nach den Tätern gegangen, tatsächlich ein Spezialeinsatzkommando anrücken. Eine Streife vor Ort klärte aber rasch die Lage ab – und traf nur auf überraschte Anwohner.