Angriff auf Wieslocher Eisdiele

"Bei der Polizei ist kein Platz für fremdenfeindliches Gedankengut"

Innenministerium reagiert nach Beteiligung eines Angestellten - Entlassung droht

18.09.2018 UPDATE: 19.09.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden

Von Stefan Hagen

Wiesloch/Stuttgart. Die Massenschlägerei in einer Wieslocher Eisdiele hat offenbar einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Nach Angaben des baden-württembergischen Innenministeriums ist auch ein Verwaltungsangestellter der Polizei unter den mutmaßlichen Tätern.

An dem Gewaltausbruch waren sechs Männer im Alter zwischen 23 und 36 Jahren aus dem südlichen Rhein-Neckar-Kreis und dem Landkreis Karlsruhe beteiligt. Sie sollen im Rahmen eines Junggesellenabschieds zunächst fremdenfeindliche Parolen skandiert und politisch motivierte Schmähgesänge angestimmt haben, berichtet Polizeisprecher Markus Winter.

Doch dabei sei es nicht geblieben: Die Männer hätten anschließend die vor dem Eiscafé sitzenden Familien unter anderem unter "Zuhilfenahme des Mobiliars der Außenbestuhlung" angegriffen. Dabei wurden laut Polizei insgesamt fünf Personen leicht bis mittelschwer verletzt.

Nach derzeitigem Ermittlungsstand gehen die Beamten davon aus, dass es sich um einen politisch motivierten Angriff auf eine Gruppe vorwiegend türkischer Gäste handelte.

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Mehrere Funkstreifen des örtlichen Polizeireviers sowie benachbarter Dienststellen hatten die zum Teil massiv alkoholisierten Schläger in unmittelbarer Tatortnähe gestellt und vorläufig festgenommen. "Wir nehmen diese Vorkommnisse sehr ernst", sagt Winter.

Dies könne man auch daran sehen, dass man im Zusammenhang mit der Schlägerei nicht "gekleckert, sondern geklotzt" habe. So hatte die Kriminalpolizeidirektion Heidelberg die weiteren Ermittlungen übernommen und die 20-köpfige Ermittlungsgruppe "Marktbrunnen" eingerichtet. Die Kriminalisten aus mehreren Dezernaten ermitteln seither mit Hochdruck an der Rekonstruktion des Tatgeschehens, heißt es in einer Mitteilung der Polizei.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg seien nun auf Grundlage der bislang geführten umfangreichen Ermittlungen Durchsuchungsbeschlüsse gegen alle Beschuldigten erwirkt worden. Diese seien noch am Montagabend vollzogen worden. Gegen die beiden mutmaßlichen Rädelsführer im Alter von 23 und 36 Jahren habe die Staatsanwaltschaft Heidelberg zudem Haftbefehle beantragt.

Nach der vorläufigen Festnahme am Montagabend seien die Verdächtigen am Dienstagvormittag der Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht Heidelberg vorgeführt worden. Gegen beide seien Haftbefehle erlassen worden, die jedoch gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden seien.

Die Ermittlungen haben laut einer weiteren Mitteilung auch ergeben, dass ein Angestellter der Polizei an den Geschehnissen beteiligt war. Der Inspekteur der Polizei, Detlef Werner, habe Innenminister Thomas Strobl darüber informiert.

"Mit dem Innenminister besteht Einvernehmen darüber, dass aus einem solchen Verhalten umgehend personelle Konsequenzen gezogen werden müssen", betont Werner. Der 30-jährige Tarifbeschäftigte sei deshalb mit sofortiger Wirkung freigestellt und von sämtlichen Aufgaben entbunden worden.

"Die Polizei in unserem Land leistet hervorragende Arbeit. Die Menschen können und sollen vollstes Vertrauen in sie haben. Gerade deshalb darf ein Einzelner nicht die gesamte Organisation diskreditieren. Nirgendwo in den Reihen der Polizei ist Platz für Straftäter oder fremdenfeindliches Gedankengut", teilt der Inspekteur der Polizei mit.

Sollten sich im Zuge des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens die Anschuldigungen gegen den 30-Jährigen erhärten, müsse er mit der Entlassung aus seinem Angestelltenverhältnis rechnen. Wo und in welchem Bereich der Mann arbeitet, darüber wollte ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage der RNZ unter Hinweis auf Persönlichkeitsrechte keine Auskunft geben.

Am Montagabend hatte das Bündnis #wirsindmehr eine Kundgebung auf dem Adenauerplatz gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus abgehalten. Daran nahmen über 800 Menschen teil.