Neunkirchen

Nahwärmeprojekt von Gemeinderat abgesegnet

Gemeinderat Neunkirchen stimmt dem Wirtschaftsplan Nahwärme zu. Ein Großteil der Kosten wird durch Zuschüsse gedeckt.

11.03.2021 UPDATE: 30.03.2021 18:00 Uhr 5 Minuten, 18 Sekunden
Das Vorzeigeprojekt bekommt starke Unterstützung: Bei der Enthüllung der Infotafel zum Nahwärmeprojekt vor dem Rathaus Neunkirchen waren Erster Landesbeamter Dr. Björn-Christian Kleih, Landtagsabgeordneter Georg Nelius, Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter, Bürgermeister Bernhard Knörzer und Bundestagsabgeordneter Alois Gerig mit dabei. Foto: Gabriele Eisner-Just

Von Gabriele Eisner-Just

Neunkirchen. Ein "Mammutprojekt", das in ganz Baden-Württemberg beobachtet werde – so beschrieb Bürgermeister Bernhard Knörzer am Anfang der März-Gemeinderatssitzung die geplante Nahwärmeversorgung Neunkirchens. Durch die Förderzusage des Bundes für den Bau einer Heizzentrale und den Aufbau einer Nahwärme-Infrastruktur werden 70 Prozent der Projektkosten abgedeckt. Es bleiben aber noch 30 Prozent, die über Darlehensaufnahmen fremdfinanziert werden müssten. Das Projekt, so Knörzer, gehe einen Riesenschritt in Richtung Umwelt- und Klimaschutz und eröffne gleichzeitig eine Wertschöpfungskette für die Gemeinde als Anbieterin von Nahwärme.

Rechnungsamtsleiterin Judith Kuhn erläuterte den fünfjährigen Wirtschaftsplan für den schon gegründeten Eigenbetrieb Nahwärmeversorgung. Zur Finanzierung der Gesamtbaumaßnahme mit rund 7,65 Millionen Euro Gesamtkosten ist die Fördersumme von 5 352 704 Euro und die Aufnahme eines Gesamtdarlehens von 2,4 Millionen Euro vorgesehen. Die Eröffnungsbilanz vom 1. 1. 2021 weist im Aktivkonto den vorgezogenen Fernwärmeausbau Kirchstraße mit einem Wert von 111 908,70 Euro aus. 25 000 Euro gezeichnetes Stammkapital werden schon im Passivkonto verbucht; dazu kommt der Rest von knapp 87 000 Euro als Differenz zwischen Anlagenwert und Einlage.

Der Investitionskostenplan berechnet die geplanten Baumaßnahmen: Während dieses Jahr nur 4630 Euro veranschlagt sind, schlagen 2022 die Baumaßnahmen mit gut 519 000 und 2023 mit 1,133 Millionen Euro zu Buche. Die höchsten Ausgaben stehen 2024 mit 4,981 Mio. Euro an; 2025 werden 1,01 Mio. "verbaut". Der Großteil dieser Investitionen wird durch die Förderzuschüsse gedeckt. Für den Rest kommt die Gemeinde durch Kreditaufnahmen von 150 000 Euro (2022), 350 000 Euro (2023), 1,55 Mio. Euro (2024) und 350 000 Euro (2025) auf, um den Bau des Heizwerks und der Nahwärme-Infrastruktur realisieren zu können.

Der Erfolgsplan weist dagegen ab 2024 positive Ergebnisse von knapp 30 000 Euro, im Jahr 2025 etwa 23 000 und 2026 sogar gut 90 000 Euro aus, die aus Wärmelieferungen an die Abnehmer minus notwendige Betriebsaufwendungen resultieren und der Rücklage zugeführt werden. Somit ist ab 2024 auch immer die Liquidität des Eigenbetriebs gegeben.

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Melanie Klingmann vom Steuerberatungsbüro WGKK Partner in Mosbach ist als Wirtschaftsprüferin für den Eigenbetrieb tätig. Sie erläuterte den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten die Hintergründe des Zahlenwerks: Der Eigenbetrieb Nahwärme weise ein Sondervermögen der Gemeinde aus und sei damit voll umfänglich vom Liquiditätszufluss der Kommune abhängig. Die Gemeinde werde hier unternehmerisch tätig und habe damit auch das Risiko zu tragen. Durch die Rücklage habe die Gemeinde aber ausreichend Kapital zur Verfügung gestellt. Damit bestehe ihres Erachtens kein Risiko der Überschuldung für den Eigenbetrieb. Die Planzahlen seien zwar als vorläufig anzusehen, jedoch plausibel und ordnungsgemäß.

Die Abstimmung über den Wirtschaftsplan erfolgte einstimmig. Er wird nun der Rechtsaufsichtsbehörde des Neckar-Odenwald-Kreises zur Genehmigung vorgelegt. Gemeinderat Karlheinz Emig bedankte sich bei der Verwaltung: "Es gib noch viel zu tun, aber bis hierher wurde tadellos gearbeitet!" Bürgermeister Knörzer stimmte ihm zu: Die Arbeit an der Projektskizze sei durch die Förderzusage von Erfolg gekrönt; damit sei aber nur ein Etappenziel erreicht. Jetzt gehe es darum, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger für Wärmelieferungen zu begeistern.

Der öffentliche Teil der Sitzung endete mit Bürgerfragen und einem Austausch zum Thema Nahwärme.

Update: Dienstag, 30. März 2021, 18.05 Uhr


Rund 5 Millionen Euro für das Nahwärmenetz in Neunkirchen

Von Gabriele Eisner-Just

Neunkirchen. Neunkirchen hat es geschafft: 5,35 Mio. Euro Bundesförderung – das sind 70 Prozent der Gesamtkosten – fließen in das ambitionierte Nahwärmeprojekt der Gemeinde. Am Mittwoch begrüßte Bürgermeister Bernhard Knörzer zum offiziellen Projektstart von "100 Prozent Neunkirchen – Wärmeversorgung lokal, regenerativ und nachhaltig" zahlreiche Wegbereiter der Initiative.

Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, war mit dem Elektro-Dienstwagen aus ihrem Wahlkreis Waldshut angereist und unterschrieb vor den Augen der versammelten Gäste den symbolischen 5,35-Mio.-Euro-Scheck. "Keine Energiewende ohne Wärmewende", führte die Staatssekretärin in ihrer Rede aus. "Sie stehen hinter einem sinnvollen Projekt, und deshalb ist mir auch kein Weg zu weit." Schwarzelühr-Sutter lobte das kommunale Vorzeigeprojekt, das Energieeffizienz mit kluger Technik und regionalen Ressourcen verbinde und gleichzeitig wirtschaftlich arbeite. "Die Klimawende ist in den ländlichen Regionen angekommen", sagte die Staatssekretärin und erinnerte an das Ziel des Klimaschutzgesetzes von 2019, 55 Prozent Treibhausgase bis zum Jahr 2030 einzusparen. "Machen Sie weiter so", gab sie den Besuchern der Veranstaltung mit.

Naheliegende Potenziale nutzen

Bürgermeister Bernhard Knörzer hieß neben der Staatssekretärin auch MdB Alois Gerig, MdL Georg Nelius, den Ersten Landesbeamten Dr. Björn-Christian Kleih als Vertreter des Landrats, die beiden örtlichen Pfarrer, Gemeinderäte, interessierte Bürger und Viertklässler der Grundschule willkommen (die das Projekt in Bildern verarbeiteten), ehe er das Nahwärmeprojekt, das vor drei Jahren angestoßen wurde, erläuterte. Eine Zustandserfassung hatte seinerzeit ergeben, dass im Gemeindegebiet Ölheizungen mit einem Anteil von über 70 % die Wärmeversorgung sicherstellen und zwei Drittel aller Heizanlagen mindestens 30 Jahre alt sind. Für eine umweltgerechtere und nachhaltigere Wärmeversorgung arbeitete die Energieagentur des Neckar-Odenwald-Kreises mit der Projektpartnerin, der Umwelt- und Energieagentur des Landkreises Karlsruhe, ein innovatives Konzept aus: Eine Heizzentrale im Norden der Gemeinde soll über einen 1000-kW-Hackschnitzelheizkessel Wasser erwärmen, das durch Wärmeleitungen von 6100 Meter Gesamtlänge zu den Anschlussnehmern geführt wird. Die Wärme soll aus Hackschnitzeln aus dem Gemeindewald, aus Landschaftspflegehölzern, Streuobstschnittgut und Grüngutabfällen entstehen.

Zum Projekt soll auch eine Solarthermieanlage mit einer Kollektorfläche von 2700 Quadratmetern gehören, die 15 % der jährlichen Wärmeerzeugung übernimmt, während der Pumpenstrom für den Betrieb des Nahwärmenetzes mit einer Fotovoltaikanlage erzeugt wird. Das Projekt sei auf die Mitwirkung der Bürger angewiesen, weil es nur mit genügend Anschlüssen wirtschaftlich arbeiten könne, so Knörzer. Gleichzeitig verbinde es Aspekte der Nachhaltigkeit und der Wirtschaftlichkeit, da man minderwertige, ansonsten unverkäufliche Waldhölzer verwenden könne.

Mit einer Projektskizze nahm man am Förderaufruf für kommunale Klimaschutz-Modellprojekte im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative teil – und bestand die Vorauswahl. "Wir hofften von Anfang an, dass beispielhafte innovative Versorgungskonzepte, ganzheitliche technische Ansätze, Nutzung lokaler Potenziale, regionale Wertschöpfungsketten und die Verfügbarkeit regenerativer Energien wichtige Elemente einer erfolgreichen Bewerbung sein könnten", führte der Bürgermeister aus. "Heute sind wir natürlich voller Stolz, dass diese bisher geleistete fundierte Arbeit zu dieser positiven Bewertung durch den Projektträger Jülich und zu einem Zuwendungsbescheid des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit geführt hat."

"Volltreffer" mit Vorbildwirkung?

Bernhard Knörzer bedankte sich bei der Staatssekretärin und allen, die das Projekt ermöglicht haben, darunter der Bundestagsabgeordnete Alois Gerig als Fürsprecher für den ländlichen Raum. Sein Dank galt zudem den Experten aus den Energieagenturen als Projektpartner und den Gemeinderät(inn)en, die das Projekt durch ihre Entscheidungen mit auf den Weg gebracht hatten. "Es stehen weitere Etappen an, die es zu absolvieren gilt, um am eigentlichen Ziel anzukommen: der Vermeidung von klimaschädlichen Treibhausgasen", so Knörzer ausblickend. Nur wenn es gelinge, rechtzeitig die entscheidenden Maßnahmen zu ergreifen, "haben wir unseren politischen Auftrag und die Verantwortlichkeiten, die unsere jeweiligen Ämter mit sich bringen, auch nachhaltig wahrgenommen."

Eine Bundesförderung in dieser Höhe sei in einer kleinen Gemeinde wie Neunkirchen selten, passe aber nirgendwo besser als hierher, befand Alois Gerig. Nach dem genossenschaftlich organisierten Bürgermarkt sei die Nahwärmeversorgung nun das nächste große Gemeindeprojekt. Als forstpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion halte er die Nutzung von Bioenergie aus eigenen Wäldern als Ersatz für fossile Energieträger für einen "klimatischen Volltreffer".

Eine hohe Wertigkeit sieht auch der Erste Landesbeamte Dr. Björn-Christian Kleih im Projekt "100 Prozent Neunkirchen". 94 Prozent Reduktion der Treibhausgase im Versorgungsgebiet solle durch dieses Projekt erzielt werden, durch die Kombination von Hackschnitzelheizung und Solarthermie. Und 70 Prozent Förderung aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative habe Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter dankenswerterweise dafür mitgebracht.

Das Projekt habe Vorbildwirkung, so Kleih weiter, da die infrastrukturellen Voraussetzungen an anderen Orten ohne Gasversorgung, aber mit Waldbesitz sehr ähnlich seien. Die Wertschöpfung in der Kommune und in der Region könne gerade in Gemeinden mit wirtschaftlichen Herausforderungen überzeugend wirken. Der Erste Landesbeamte hob hervor, dass die Gemeindeverwaltung Neunkirchen die Bürger von Beginn an mitgenommen habe. Dies sei auch in der kommenden Umsetzungsphase mit der Vermarktung der Nahwärme wichtig: "Denn dieses Projekt beruht darauf, dass möglichst viele mitmachen."

Der weitere Weg

Wie gehts nun weiter? Das Projekt soll bis zum Jahr 2025 umgesetzt werden, die Förderungen können nach einem zeitlich festgelegten Plan abgerufen werden. Der Eigenbetrieb Energie wurde schon gegründet. Als nächste Schritte stehen die Kundenakquise (Ziel: 60 Prozent der Anlieger jedes Straßenzuges) und die Fachplanung an. Bis zum dritten Quartal 2021 sollen Vergabegespräche und Gemeinderatsbeschlüsse erfolgen. Danach beginnen die Entwurfs- und Ausführungsplanungen für Heizzentrale, Nahwärmenetz und Freiflächenanlage, Bauanträge sollen gestellt, Bauleistungen ausgeschrieben werden.

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