Von A wie Alkoholsucht bis Z wie Zöliakie - Selbsthilfegruppen
15 Selbsthilfegruppen aus dem Neckar-Odenwald-Kreis präsentierten sich erstmals in Mosbach. Pandemie sorgt für größeren Bedarf.

Von Peter Lahr
Mosbach. "Gemeinsam stark durch Selbsthilfe", verspricht ein Infoblatt des Selbsthilfenetzwerks Neckar-Odenwald. Am Samstag konnten sich Bürgerinnen und Bürger erstmals im Mosbacher Rathaussaal in einen direkten Austausch begeben. An 15 Ständen informierten Selbsthilfegruppen aus der Region über ihre ehrenamtliche Tätigkeit. Von A wie Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit bis Z wie Zöliakie reichten dabei die Themenfelder.
Rund 50 Selbsthilfegruppen gebe es in der Region, schätzte Sigrun Ruck, die als Netzwerk-Koordinatorin auch für die Organisation dieser öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung im Einsatz war. Dass der Bedarf während der Pandemie nicht kleiner wurde, zeigt sich bereits daran, dass in den vergangenen zwei Jahren fünf neue Selbsthilfegruppen entstanden sind, darunter die Epilepsie-Elterngruppe "3-Her(t)z". Gerade bei psychosomatischen Themen und Suchtgruppen komme es durch Corona zu einem vermehrten Bedarf, so Ruck. Im Kreis gebe es derzeit allein neun Suchtgruppen im Bereich Alkoholabhängigkeit.
In Buchen hat die Netzwerkerin der Neckar-Odenwald-Kliniken schon häufiger vergleichbare Informationstage organisiert. Doch mit der Mosbacher Premiere zeigte sie sich nicht minder zufrieden: "Die Leute trauen sich rein, es gibt keine Hemmschwelle." Allerdings habe man aus Platzgründen – und wegen der generellen Corona-Unsicherheit – diesmal auf ein Rahmenprogramm mit Vorträgen verzichtet.
"Wo bekomme ich Hilfe her?" Antworten auf diese häufig gestellte Frage fänden hier viele Betroffene; noch dazu "auf Augenhöhe." Einen weiteren Vorteil der Selbsthilfegruppen benannte Sigrun Ruck: "Ein Arzt kann eine Diagnose stellen. Aber von den Alltagskompetenzen hat er meist keine Ahnung."
"Es geht bei uns viel ums Essen. Wir backen Kuchen und gehen gemeinsam Essen", hieß es bei der Zöliakie-Gesprächsgruppe. Da nehme man schon mal eine Stunde Fahrzeit auf sich, um eine glutenfreie Pizza zu genießen. Zwar seien mittlerweile viele Lebensmittel gekennzeichnet, aber leider preislich eine Herausforderung: "Sechs Scheiben Toast oder eine Packung Mehl kosten drei Euro", monierte eine Mutter, deren Ehemann und Kinder an Zöliakie leiden. Einen Raum für die Treffen zu finden, sei ebenfalls keine leichte Aufgabe. Häufig müsse man in einem Gasthof schon fünf Euro für das Gedeck zahlen, wenn man sein eigenes Essen mitbringe.
Über einen festen Raum für die monatlichen Treffen verfügt die Buchener Selbsthilfegruppe Fibromyalgie. Seit mehr als 20 Jahren engagiert sich hier Ulrike Genzwürker. Am Ende einer längeren Ärzte-Odyssee erhielt sie "im Ausschlussverfahren" ihre Diagnose. Auf ein Zeitungsinserat meldeten sich erstaunlich viele Betroffene bei ihr. Die ersten Treffen fanden im heimischen Wohnzimmer statt. Mittlerweile gehören auch Unternehmungen mit den Partnern zum regulären Gruppenprogramm. Das Alter der überwiegend weiblichen Betroffenen reicht von 30 Jahren bis über 80. "Der Schmerz ist unser ständiger Begleiter", betonte Genzwürker. Immerhin verlaufe die Muskelkrankheit nicht tödlich.
"Das Wichtigste sind die Gymnastik und die Information über neueste Tendenzen zu Behandlungen", fasste Kurt Hockwin für die Treffen der Parkinson-Selbsthilfegruppe zusammen. Einmal im Monat kommt man in der Lebenshilfe Hainstadt zusammen. Er sei seit 25 Jahren durch seine Frau Roswita dazugestoßen. Eher ausgeglichen sei hier das Verhältnis zwischen Frauen und Männern.
Anders bei Ute Süssenbach. Sie leitet eine Frauengruppe des Blauen Kreuzes in Buchen. "Die Frauen müssen wieder zu sich selbst finden und ein Selbstwertgefühl aufbauen, einen gesunden Egoismus entwickeln", beschrieb sie einen wichtigen Teil der Aufgabe. Allen Betroffenen machte sie Mut: "Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit, aber man kann etwas dagegen tun!" Seit 2004 begleitet Süssenbach Frauen auf dem Weg zum eigenen Ich. Drei von ihnen sind von damals bis heute bei der Gruppe. "Ich finde es sehr spannend, dass die Frauen im Lauf der Zeit eine Entwicklung durchmachen." Während der Pandemie hätten sie sich neue Formate überlegt und gingen regelmäßig im Wald spazieren. "Man fängt an, andere Wege zu gehen": Mit diesem Satz beschrieb Süssenbach sicher eine Grunderfahrung aller Menschen, die sich in Selbsthilfegruppen engagieren.
Info: www.selbsthilfe-nok.de, Tel.: (0 62 61) 8 32 31.