Kitas und Eltern verärgert über Infos zur Öffnung
"Das Kultusministerium hat es vermasselt" - Noch keine Rechtsverordnung

Von Stephanie Kern
Neckar-Odenwald-Kreis. Kokolores. Mit diesem Wort bezeichnet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Vorstellung, dass Eltern Kinderbetreuung und Homeoffice unter einen Hut bringen können. Viele Eltern stimmen ihm da sicher zu. Doch ein Normalbetrieb an Schulen und Kindergärten ist erst mal nicht in Sicht. Obwohl das baden-württembergische Kultusministerium bereits angekündigt hatte, dass es ab dem 18. Mai eine schrittweise Rückkehr zu einem eingeschränkten Regelbetrieb in den Kindergärten geben werde.
Nun muss das Ministerium nachsteuern. Denn bis jetzt gibt es immer noch keine Rechtsverordnung darüber, welche Bedingungen für diesen eingeschränkten Regelbetrieb gelten. "Niemand weiß, was ab Montag gilt", fasst es Stefan Albert zusammen. Als evangelischer Pfarrer von Schefflenz vertritt er den Träger des evangelischen Kindergartens. "Konzepte für einen eingeschränkten Regelbetrieb können wir ohne gesetzliche Vorgaben nicht erarbeiten.
Da haben wir das gleiche Problem wie alle anderen Träger", erklärt Albert. "Die Eltern sind die Hauptleidtragenden dieser Krise", meint Albert. Denn viele wüssten nicht mehr, wie "sie es hinbekommen sollen". Natürlich seien von dieser Krise alle Gesellschafts- und Altersschichten betroffen. "Aber ich habe das Gefühl, dass die Eltern hängen gelassen werden", verdeutlicht Albert.
Auf Druck der Städte und Gemeinden korrigierte das Kultusministerium nun seinen Kurs, denn Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann sagt: "Die Ausweitung kann selbstverständlich nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Die Träger der Einrichtungen benötigen Vorlauf für ihre Planungen und die Organisation. Wie die zeitliche Umsetzung in der jeweiligen Einrichtung vor Ort erfolgt, hängt darüber hinaus maßgeblich von der jeweiligen räumlichen und personellen Situation ab."
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Der beschlossene rechtliche Rahmen wird in der nächsten Änderung der Corona-Verordnung aufgenommen, die voraussichtlich am heutigen Samstag notverkündet wird. Dr. Peter Kurz, Präsident des Städtetags Baden-Württemberg, erläutert zum Thema Notbetreuung: "Wir werden nicht direkt am Montag die erweiterten Plätze anbieten können – die Städte und Träger müssen eine nachvollziehbare Vergabe vorbereiten und vornehmen, den Personaleinsatz planen, und die Umsetzung organisieren."
Für Victoria Herrmann ist die Schließung der Schulen und Kindergärten inzwischen nur noch "Horror". Die alleinerziehende Mutter arbeitet im Nachtdienst, an Schlaf ist aktuell kaum zu denken. Ein Schulkind und ein Kindergartenkind sind zu Hause. "Meine kleine Tochter möchte nirgends mehr alleine hin, sie hängt an mir, und ich merke, dass sie sich sehr verändert und auch Ängste hat", sagt Victoria Herrmann. Auch für die Alleinerziehende selbst ist die Situation belastend: "Ich fühle mich sehr ausgelaugt und habe das Gefühl, nur noch wie ein Roboter zu funktionieren."
Dieter Kautzmann ist Leiter der Abteilung Bildung und Generationen der Stadt Mosbach. Der kommunale Kindergarten Waldsteige fällt in seinen Aufgabenbereich, und er ist auch für die Schulen im Stadtgebiet zuständig. "Es ist aktuell eine Informationsflut, die sich täglich überholt. Aber gerade in Bezug auf die Öffnungen ab dem 18. Mai fehlten bis jetzt alle Informationen", sagt Kautzmann. Der Knackpunkt sei, dass es schon durch die erweiterte Notbetreuung (ab dem 27. April) die Möglichkeit gab, 50 Prozent der Betreuungsplätze zu besetzen.
"Das mussten wir aber im kommunalen Kindergarten gar nicht", erklärt Kautzmann. Neben dem einen kommunalen Kindergarten gibt es in Mosbach 18 weitere Einrichtungen anderer (kirchlicher und privater) Träger. "Wir geben Informationen weiter und tauschen uns aus und versuchen auch, eine gemeinsame Linie bei der Notbetreuung zu finden." Die Einrichtungen sehnten sich selbst wieder nach Normalbetrieb, bekräftigt der Abteilungsleiter. Auf die Frage, ob klare Ansagen aus dem Land fehlen, antwortet Dieter Kautzmann knapp, aber deutlich: "Ja".
Michael Roth-Landzettel ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Fahrenbach, einen evangelischen Kindergarten gibt es in Trienz. "Bei uns ist die Situation entspannt. Wir haben die Eltern schon informiert, dass es noch keine Verordnung zur Kindergartenöffnung gibt." Dennoch sei die Kommunikation seitens des Ministeriums nicht sehr gut gelaufen. "Es ist unglücklich, dass gewisse Erwartungen geweckt wurden", meint Roth-Landzettel.
Deutlicher wird sein Kollege Fritjof Ziegler, der evangelischer Pfarrer in Hüffenhardt ist. "Unsere Erzieherinnen, die von zuhause aus arbeiten, haben Aktionen ins Leben gerufen. Der Elternbeirat ist genauso aktiv. Das, was momentan vom Kultusministerium kommt, lässt so ein Engagement nicht erkennen", sagt Ziegler. Er habe Verständnis dafür, dass es im Kultusministerium nicht einfach sei, gleichzeitig die Schulöffnung, die Wiederbelebung des Sports und einen Kita-Neustart zu organisieren. "Wenn das offensichtlich nicht geht, frage ich mich natürlich, warum der Sport wichtiger war, und warum man nicht einfach rechtzeitig sagen konnte: ,Tut uns leid, wir schaffen das nicht, was versprochen war’."
Selbstverständlich erwarte man als Träger, rechtzeitig klare Rahmenbedingungen zu bekommen. "Die Presseerklärungen der Kultusministerin vom 28. April und 5. Mai waren offensichtlich nicht für ein solides Arbeiten gedacht. Wenn Eltern wenig freundliche Gedanken dazu haben, wundert mich das nicht", meint Ziegler noch. Und er fügt hinzu: "Diesmal hat es das Kultusministerium richtig vermasselt, weil einige Eltern natürlich schon wieder mit ihren Arbeitgebern über den Neustart in der Firma gesprochen haben. Ich denke, das war das letzte Mal, dass Eltern das so hinnehmen."
Nicola Christ ist stellvertretende Leiterin der katholischen Verrechnungsstelle Obrigheim. Die Verrechnungsstelle betreut in den Dekanaten Kraichgau und Mosbach-Buchen neun Kirchengemeinden mit 49 katholischen Kindergärten. "Wir werden erst am Montag eine Entscheidung treffen", sagt Christ. Denn obwohl die Information, dass die Betreuung wieder erweitert werden soll, schon seit einer Woche raus ist, wartet man auch hier auf die rechtskräftige Corona-Verordnung des Landes. "Ich möchte auch die Eltern um Verständnis bitten. Um gute Entscheidungen zu treffen, brauchen wir auch etwas Zeit", so Christ weiter. Am Montag werde es eine Besprechung geben, aber selbst dann könne wahrscheinlich kein einheitlicher Fahrplan für die 49 Kindergärten festgelegt werden. "Wir müssen auch individuell beurteilen, was wo möglich ist." Denn auch die Personal- und Raumsituation sei ausschlaggebend.
Wer bei all den Diskussionen oft vergessen wird, sind die Kinder, um die es ja dabei eigentlich gehen sollte. Die Kinder selbst vergessen nicht: So haben die Kleinen des evangelischen Kindergartens Neckarburken ihren Erzieherinnen eine Nachricht zukommen lassen. "Das war unser bisher schönster Lichtblick zu Corona-Zeiten", sagen die Erzieherinnen. Auf Initiative des Elternbeirats haben die Kindergartenkinder ihren Erzieherinnen Bilder gemalt und Botschaften geschickt. "Wir vermissen euch", steht darauf. Nun muss es darum gehen, gute Regelungen für die kleinen Menschen zu finden. Damit das Vermissen nicht das einzige Gefühl dieser Krise bleibt.



