Neckar-Odenwald-Kreis

Im Schefflenztal startet einzigartiges Rebhuhn-Schutzprojekt

Für das Rebhuhn ziehen alle an einem Strang. Gehölze werden als erste Maßnahme auf Stock gesetzt.

06.01.2022 UPDATE: 07.01.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 48 Sekunden
Auf 100 Quadratkilometern Fläche wurden sieben Kernzonen ausgewiesen, in denen das Rebhuhn durch viele Maßnahmen geschützt werden soll. Grafik: Regierungspräsidium / RNZ-Repro

Von Stephanie Kern

Neckar-Odenwald-Kreis. Es bewegt sich schreitend vorwärts, bei Gefahr duckt es sich auf den Boden und 1991 war es der vom Nabu gekürte Vogel des Jahres. Das kann man erfahren, wenn man sich auf den Seiten des Nabu über das Rebhuhn informiert. Aber auch das steht auf der Webseite des Naturschutzbundes: "In Deutschland ist die Rebhuhnpopulation auf einen Rest von vermutlich nicht mehr als 50.000 Brutpaaren geschrumpft. Das Rebhuhn ist in Deutschland außerdem vielerorts lokal ausgestorben, es kommt nur noch in etwa 16 Prozent der Jagdreviere vor." Das Rebhuhn steht kurz vor dem Aussterben, in Baden-Württemberg wird es auf der Liste extrem bedrohter Tierarten geführt.

Ein Refugium für die Rebhühner soll nun aber auf einer Fläche von 100 Quadratkilometern geschaffen werden – von den Rändern der Gemarkung Seckach bis an die Ränder Mosbachs reicht das Gebiet, in dem in diesen Tagen ein einzigartiges Rebhuhn-Schutzprojekt startet: Im Schefflenztal ziehen künftig viele Akteure an einem Strang, um dem Rebhuhn das Überleben zu sichern. "Wir haben hier im Schefflenztal wohl den größten Rebhuhnbestand in Baden-Württemberg. Das war eine Erkenntnis, die wir so vorher nicht hatten", berichtete anlässlich eines Pressegesprächs Peter Baust, Vorsitzender des Nabu Mosbach. Was das Projekt besonders macht, ist der Kreis der Unterstützer: Neben dem Regierungspräsidium Karlsruhe und dem Nabu sind das auch die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Neckar-Odenwald, die Kreisjägervereinigung Mosbach, der Bauernverband Neckar-Odenwald, der Landschaftserhaltungsverband Neckar-Odenwald und auch das Flurneuordnungsamt des Kreises.

Judith Knebel koordiniert das Projekt beim Regierungspräsidium. "Der Auslöser ist der extreme Rückgang der Rebhühner." Aus der Region seien Anfang 2020 erste Meldungen über das Vorkommen der Rebhühner gekommen. Schnell war klar: Das Schefflenztal muss für ein eventuelles Schutzprojekt berücksichtigt werden.

Elmar Werling ist ehrenamtlich als Vogelkundler mit im Projekt-Boot. Obwohl der Bestand im Schefflenztal noch relativ gut ist, betont er: "Wir reden hier von traurigen Resten, die noch da sind." Etwa 100 bis 150 Rebhühner leben wohl aktuell in dem Gebiet. Hauptursache für den drastischen Bestandsrückgang des Rebhuhns ist die stetige Intensivierung und Technisierung der Landwirtschaft. Wesentliche Ursachen sind der Verlust von Brutplätzen durch die großflächige Zerstörung von Hecken, Feldrainen und Brachen. Ohne diese kann das Rebhuhn nicht brüten. Auch Insektenmangel in den Feldern durch Pestizideinsatz sind ein Grund für den Rückgang der Art. Zudem sind die Rebhühner beliebtes Ziel von Jägern – tierischen. Durch die verarmte Landschaft und fehlende Strukturen ist es für Füchse ein Leichtes, die verbliebenen Rebhühner zu erbeuten.

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Eine solch breit gefächerte Problemlage erfordert die Zusammenarbeit vieler verschiedener Akteure, und das soll im neuen Rebhuhnschutzprojekt gelingen. Neben der Pflege des Lebensraums, um den Rebhühnern optimale Lebensbedingungen zu geben, sind deshalb auch die Jäger gefragt, die die Fuchspopulation begrenzen sollen. "Wir hatten lange Jahre stabile Fuchsbestände, doch diese haben sich seit den 1980er-Jahren verzehnfacht", erläuterte Jan Wagner vom Hegering 4. Gleichzeitig sei die Bejagung der Füchse nur um das etwa Dreifache gestiegen.

"Wir wollen die Jäger in den betroffenen Revieren auffordern, die Fuchsbejagung zu intensivieren und auch die Fallenjagd einzusetzen." Ethisch durchaus diskussionswürdig, das sehen auch die Projektteilnehmer so. Doch: Natürliche Regulation wird es nicht geben, denn der Nahrungsgeneralist Fuchs ist nicht auf ein bestimmtes Beutetier angewiesen. "Andere Projekte zeigen, dass es ohne die Regulation der Fuchspopulation nicht funktioniert", meinte Wagner. "Wir sehen gerade keine andere Möglichkeit", betonte auch Elmar Werling. "Es gibt viele Beispiele gescheiterter Projekte, die auf die Fuchsjagd verzichtet haben." In der Schweiz seien die Rebhühner auch aufgrund dessen ausgestorben.

Das Rebhuhn ist eine Zeigerart: "Man kann es als Barometer sehen. Wo der Rebhuhnbestand stabil ist, ist auch das landwirtschaftliche Ökosystem in Gänze intakt", sagt Elmar Werling. Der Schutz dieser einen seltenen Art hilft allen: Insekten, Niederwild, auch den Menschen. "Und da wollen wir doch eigentlich hin."

Die Landwirte spielen hier ebenfalls eine zentrale Rolle. "Ausgedünnte Fruchtfolgen und lineare Strukturen tragen bestimmt dazu bei, dass es einen Rückgang der Art gibt", betonte im Gespräch Andreas Sigmund vom Kreisbauernverband. Aber durch die Neuorganisation der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU stehe auch ein Umbau der Landwirtschaft an. Sigmund nannte das Beispiel Blühmischungen. Die bereichern die Landschaft vielerorts zwar, durften aber bislang immer nur als einjährige Mischung gesät werden. Das wird sich ändern und damit wird es auch wieder Lebensräume für Niederwild geben.

Bisher war es so: Wenn sich das Rebhuhn Brutstätten bauen möchte, war die Blütenpracht noch nicht so weit gediehen bzw. die krautigen Reste bereits wieder entfernt. Drei- bis fünfjährige Mischungen bleiben stehen und bieten neben Insektennahrung im Sommer auch Lebensraum in den anderen Jahreszeiten. "Viele Landwirte sind bereit, das Projekt zu unterstützen. Die Kunst wird sein, für die richtige Fläche die richtige Maßnahme zu finden", meinte Jan Wagner. Und Peter Baust bekräftigte: "Es gibt auch Landwirte, die schon mit den Hufen scharren. Wir haben da offene Türen eingerannt."

Elmar Werling will in den kommenden Wochen und Monaten in Einzelgesprächen und Führungen Interessierte und Landwirte über den Bestand informieren und das Bewusstsein für die Verantwortung wecken. "Selbst in unserer Gruppe hier gibt es Mitglieder, die noch nie ein Rebhuhn gesehen haben." Das will er ändern, auch Führungen anbieten. Dass der Name "Projekt" irreführend ist, erklärte Werling auch: "Der Schutz des Rebhuhns im Schefflenztal wird eine Daueraufgabe sein." In kürzester Zeit könne man einen Erfolg erzielen, da ist sich Werling sicher – aber das müsse man dann eben auch halten. Die ersten wirklich sichtbaren Maßnahmen sollen relativ zeitnah erfolgen, denn viele Hecken sollen auf Stock gesetzt werden, um den Rebhühnern ihren Lebensraum zurückzugeben. Noch nicht sicher ist, wie das Projekt finanziert werden soll. Für die ersten fünf Jahre rechnen die Verantwortlichen mit Kosten von 100.000 Euro. Als Anschubfinanzierung wurde eine Förderung über Leader beantragt. Die Engagierten hoffen aber auch auf Sachspenden, etwa Grundstücke, die eingebracht werden, oder Menschen, die kostenlos Pflegemaßnahmen übernehmen.

In der kommenden Woche soll es einen offiziellen Projekt-Startschuss geben. Unter Beteiligung von Minister Peter Hauk, Landrat Dr. Achim Brötel und der beteiligten Bürgermeister sollen dann die ersten Hecken rebhuhnfreundlich gestaltet werden.

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