"Heimat schmeckt doch noch mal anders"
Von Muckental, über Kleineicholzheim nach Mosbach: Die Bio-Musterregion zeigt, wie das Essen vom Feld auf den Teller kommt

Von Stephanie Kern
Neckar-Odenwald-Kreis. Erzeugung, Vermarktung, Verarbeitung – das ist sozusagen der Dreiklang, auf den die Bio-Musterregion Neckar-Odenwald setzt. Erzeugung, Vermarktung und Verarbeitung sollen nämlich möglichst in einer Region stattfinden. Und genau das zeigten Regionalmanagerin Ruth Weniger, Landrat Dr. Achim Brötel, Bernhard Heim (Leiter des Fachdienstes Landwirtschaft beim Landratsamt) und viele Erzeuger bei einer Rundfahrt in der Bio-Musterregion. "Heute zeigen wir Ihnen mal den ganz kurzen Weg vom Acker auf den Teller", versprach Ruth Weniger.
Erste Station war der Hof von Frank Fellmann in Kleineicholzheim. Doch obwohl Fellmanns Hof der Treffpunkt für die Fahrt war, kommt vor seinem Hof eigentlich das Linsenfeld von Michael Schiffmann und Albert Haaf, wahlweise in Muckental oder in Limbach. "Der Verbraucher entscheidet, was und wie angebaut wird", sagte Landwirt Michael Schiffmann zu Beginn. Wenn keine Bio-Produkte gekauft werden, finden sich auch keine Landwirte, die sie anbauen. Er und sein Kollege allerdings sind schon vor einiger Zeit auf Bio umgestiegen – und stehen auch neuen Saaten aufgeschlossen gegenüber.
Auf eine Anfrage ihres Vermarkters hin begannen Schiffmann und Haaf mit dem Linsenanbau. Die eigene Vermarktung von zwei Säcken Odenwald-Linsen lief so hervorragend, dass die Linsen inzwischen in vielen Edeka-Märkten oder auch im Mosbacher Unverpacktladen "annas" angeboten werden. Wie die Linsen genau angebaut werden, erläuterte Schiffmann ebenfalls. Es brauche nämlich eine Stützfrucht, damit die Linsen nicht einfach auf dem Boden liegen und vom Mähdrescher auch erfasst werden können. "Und so wie sie aus dem Mähdrescher rauskommen, können sie nicht verkauft werden", sagte Schiffmann. "Da kommt Frank Fellmann ins Spiel.
"Spezialist im Reinigen von Saaten mit komischen Formen", so stellte Ruth Weniger den Bio-Landwirt aus Kleineicholzheim vor. Bereits 1989 hat Fellmann seinen Betrieb umgestellt. "Ich bin der Meinung, der Öko-Landbau ist die Zukunft." Trotzdem möchte Fellmann die konventionellen Landwirte in Schutz nehmen: "Der Verbraucher hat die Entscheidung und lenkt mehr als die Politik es lenken kann." Großes Potenzial sehe er bei den Sondersaaten. "Wir müssen nur lernen, damit umzugehen und es zu vermarkten." Zur Reinigung der Saaten kam Fellmann über seinen eigenen Anspruch, denn er wollte auf seinem Hof immer einen eigenen Kreislauf erhalten, sein eigenes Saatgut aus der Ernte herstellen können. So wurde eine Maschine angeschafft und ein Jahr lang gemeinsam mit dem Sohn getüftelt: Wie kann man die Reinheit weiter verbessern? "Wir wollen nahe 100 Prozent Reinheit kommen", sagte Frank Fellmann, der ein paar Geheimnisse für sich behalten wollte. Nur so viel: Die Nahrungsmittel, die seinen Hof verlassen, sind auf jeden Fall steinfrei und kommen den 100 Prozent sehr nahe.
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Neben den Linsen der Familien Schiffmann und Haaf reinigt er natürlich auch seine eigenen Saaten: Leinsamen, Hirse und zum Beispiel auch Hanf. Die Hirse habe sich in den vergangenen drei Jahren als "Gewinner" herauskristallisiert. "Wir haben das Potenzial in solchen Sondersaaten und auch einige Landwirte, die sich das trauen. Meine kleine Aufgabe ist die Reinigung", fasste Fellmann es zusammen.
Neben der Arbeit auf seinem Hof vertritt Fellmann auch die Landwirte im Lenkungskreis der Bio-Musterregion. Und will dabei immer auch im Gespräch mit den Kollegen im konventionellen Bereich bleiben. "Die konventionellen Betriebe von heute sind die möglichen Bio-Betriebe von morgen", ist er überzeugt. Deshalb habe er die Kontakte immer gehalten, auch wenn man in der Sache unterschiedliche Ansichten vertrete. Sein Know-how und seine Anlagen teilt Fellmann aber nicht mit konventionellen Landwirten; zu groß ist für ihn die Gefahr einer (versehentlichen) Vermischung von Waren. Offene Ohren, die verspricht er aber jedem Landwirt.
Ein Engagement, das Landrat Achim Brötel lobte. "Auch ich möchte betonen: Es ging uns nie darum, die konventionellen und Bio-Landwirte gegeneinander auszuspielen. Wir sehen aber auch das Potenzial, das der Öko-Landbau hat", meinte Brötel. Das gestiegene Interesse an Bio-Lebensmitteln aus der Region habe auch mit dem Katalysator "Bio-Musterregion" zu tun. Es brauche aber auch Öffentlichkeit. "Die Zeit ist jetzt gerade günstig, um darauf aufmerksam zu machen, um dafür zu werben. Wir müssen die Menschen davon überzeugen", zeigte sich Brötel überzeugt.

Nach der Reinigung bei Frank Fellmann sind die Linsen verzehrfertig und landen entweder in den Regalen (oder Spendern) der Einzelhändler, oder sie kommen ins Verdi-Bildungszentrum in Mosbach. Die Kantine des Seminar- und Tagungshauses ist eine der wenigen in Deutschland, die nach Naturland-zertifiziert sind. "Hier ist Essen eine politische Angelegenheit. Wie Lebensmittel produziert werden, kann jeder einzelne entscheiden", sagte eingangs Ingo Bischoff, Leiter aller Verdi-Bildungszentren in Deutschland. Neun sind es von Flensburg bis an die österreichische Grenze. Und was die Verarbeitung von regionalen und biologischen Lebensmitteln betreffe, sei das Mosbacher Haus "ganz weit vorne".
Anja Kuhn ist diejenige, die das vor mehr als zehn Jahren in Mosbach anstieß und beharrlich voran trieb. "Ich hatte den Rückhalt im Haus", erläuterte Kuhn. "Im Laufe der Zeit haben wir immer mehr Bio-Komponenten eingebaut." Nur: Regionale Lieferanten ließen sich für die Bio-Produkte anfangs nicht finden. Für die Naturland-Zertifizierung sei dies aber Voraussetzung. "Und so haben wir mit der Suche begonnen", beschreibt Kuhn den Prozess. "Irgendwann haben wir von den Bio-Musterregionen erfahren", so Kuhn.
Und da wollte Kuhn ein paar Worte direkt an Ruth Weniger richten: "Danke! Sie haben schon viel erreicht, und wir haben durch diese Musterregion viele spannende Menschen kennen gelernt." Auch Kontakte zu neuen regionalen Lieferanten wie eben den Linsenbauern Schiffmann/Haaf, den Grünkern-Produzenten aus Sindolsheim (BioBG Sindolsheim) oder (neuerdings) dem Schweinezüchter Simon Kunzmann aus Schefflenz. "Wir wollen andere erreichen und zeigen, dass es in einer Großküche auch bio und regional und ohne Fertigprodukte geht", so Anja Kuhn weiter.
Auch wenn die Reaktionen zu Anfang eher gemischt waren. "50/50: 50 Prozent waren begeistert, 50 Prozent war es zuviel Bio und zu wenig Fleisch", sagte Kuhn. Denn damit das regionale Bio-Essen sich trägt, wird der Fleischanteil in den Essen verringert, der Gemüseanteil erhöht. "Es ist aber steil bergauf gegangen und inzwischen haben wir viele Fans", beschrieb Kuhn, wie sich die Reaktionen verändert haben. "Auch finanziell "kommen wir gut hin."

Für den Geschmack und Genuss ist Koch Pascal Burkhardt zuständig. Für die Teilnehmer der Info-Fahrt zauberte er fünf vegetarische Gänge aus den heimischen Linsen und dem heimischen Grünkern. Auch der Landrat war von den Gerichten angetan: "Heimat schmeckt doch noch mal ganz anders", sagte Brötel.
Wie, das können bald viele Verbraucher im gesamten Landkreis noch viel einfacher "erschmecken". Denn das Projekt "Regio-Bio" im Supermarkt wurde von den Einzelhändlern stark vorangetrieben, Ende September soll es in einzelnen Rewe- und Edeka-Märkten sowie bei Naturkost "Beerenbauer" und im Bürgermarkt Neunkirchen ein "Bio-Musterregion"-Regal geben.
"Da wird gerade mit Hochdruck dran gearbeitet", erklärte Ruth Weniger am Rande der Infofahrt. Aber, so Weniger: Das Projekt kann trotz des nahen Starts weiter wachsen. Produzenten und auch weitere Einzelhändler können sich beteiligen. Damit der Geschmack der Heimat in Zukunft auf noch viel mehr Tellern in der Region landen kann.



