Mit dem Unverpacktladen einen Traum verwirklicht
Anna Seeber hat den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt - Vorbild für andere Gründerinnen - Aber ohne rosa Brille

Von Stephanie Kern
Mosbach. "Ich habe nicht den Eindruck, dass es anders ist, ob ein Mann oder eine Frau ein Unternehmen gründet", sagt Anna Seeber. Das könne sie natürlich nur für ihre eigene (Lebens-)Situation so sagen. Dennoch: Weniger als die Hälfte aller Existenzgründer sind Frauen. Auch aus diesem Grund gibt es das Förderprogramm "Innovative Maßnahmen für Frauen im Ländlichen Raum" in Baden-Württemberg.
Eine der Neugründungen, die dieses Programm als "beispielhaft" bezeichnet, ist der Unverpacktladen von Anna Seeber in der Mosbacher Altstadt. "Mir ging es mit meinem Laden nie um mich. Mir ging es um die Sache. Es ist wichtig, dass das einer macht, in dem Fall bin nun mal ich es", sagt Seeber. Vor nicht ganz einem Jahr hat sie ihren Unverpacktladen eröffnet, verkauft Ware, die möglichst aus der Region und aus biologischem Anbau stammt.
"Natürlich nachhaltig", so wie es am Fenster des Geschäfts in der Schwanengasse steht. "Ich halte das einfach für die Zukunft", beschreibt Anna Seeber, warum sie den Laden überhaupt eröffnet hat. "Wir müssen weg von den doppelt und dreifach verpackten Lebensmitteln. Und es ist wichtig, sich auf unsere Region zu besinnen: Die Bauern vor Ort können uns versorgen – wenn wir das zulassen."
Den Schritt in die Selbstständigkeit hat die studierte Ernährungswissenschaftlerin nicht bereut. "Es ist etwas Schönes, dass man seinen Traum verwirklichen kann. Aber man sollte die Selbstständigkeit auch nicht durch die rosarote Brille sehen", meint die Jungunternehmerin. Denn es bedeute sehr viel Arbeit, sein eigener Chef zu sein. "Man hat natürlich unheimlich viel Verantwortung. Das kann belastend sein, vor allem in Zeiten wie diesen."
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Das alte geflügelte Wort, das den Selbstständigen an "selbst und ständig" ermahnt, treffe voll und ganz zu. "Ich bin immer hier, auch wenn ich nicht hier bin. Die imaginäre To-Do-Liste hat man ja immer im Kopf." Aber jammern helfe nicht – denn da musste jeder Existenzgründer durch, meint Anna Seeber.
Unüberlegt sollte allerdings niemand an sein eigenes Unternehmen rangehen. "Es bedarf meines Erachtens viel Vorbereitung. Es ist sicher auch meinem Charakter geschuldet – aber ich wollte und will es zu 100 Prozent richtig machen." Durch den Corona-Lockdown habe man gemerkt, wie die Natur sich erholen kann, wenn die Menschen das Tempo drosseln. Seeber: "Das hat mir gezeigt, dass meine Entscheidung richtig und wichtig war." Auf der anderen Seite und bei all der (gut überlegten) Vorbereitung seien es manchmal die einfachen Dinge, die Anna Seeber in ihrem Laden positiv überraschen. "Es ist und bleibt ein täglicher Prozess des Lernens."
Dabei lernt sie auch immer wieder, wie wichtig die Menschen sind, die sie und ihr Unternehmen unterstützen. "Ich habe wahnsinnig tolle Kunden. Einige nehmen auch einen weiteren Weg auf sich, und zwar wegen meines Angebots oder wegen meiner Beratung. Das freut mich unheimlich", so die Ladeninhaberin. "Ich bin niemand, der Dinge übers Knie bricht, aber wenn man sich Gedanken macht, kann keine Idee falsch sein", ermuntert sie auch andere (Frauen), den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.
Vom Förderprogramm "Innovative Maßnahmen für Frauen im Ländlichen Raum" (IMF) profitieren Frauen bei Existenzgründungen. Seit Programmstart konnten im Regierungsbezirk Karlsruhe viele spannende Projekte unterstützt werden. Grundsätzlich kann jede Idee gefördert werden, die in der Region eine Marktlücke schließt, auf einem schlüssigen Unternehmenskonzept basiert und zusätzliche Beschäftigung und/oder Einkommen für Frauen mit sich bringt. Das Programm setzt auch auf Flexibilität, Digitalisierung und auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weshalb bewusst Teilzeitgründungen von Frauen gefördert werden. Bewilligungen sind für die Jahre 2020 und 2021 möglich, wobei die Projekte bis Anfang des Jahres 2023 abgeschlossen sein müssen.
Interessierte Frauen mit Wohn- oder Geschäftssitz in einer Kommune des ländlichen Raumes im Regierungsbezirk Karlsruhe können Förderanträge beim Regierungspräsidium stellen. Für das verbleibende Jahr muss dies bis 30. September und 30. November erfolgen. Man muss sich nur trauen, so wie Anna Seeber das getan hat.



