Neckar-Odenwald-Kreis

"Hätten wir die Frauen in der Kirche nicht, würden wir alt aussehen"

Der katholische Dekan Johannes Balbach und Dekanatsreferent Christian Richter im Gespräch mit der Rhein-Neckar-Zeitung.

21.05.2021 UPDATE: 24.05.2021 06:00 Uhr 4 Minuten, 29 Sekunden
Die Regenbogenflaggen im Hintergrund sind wichtig. Denn Dekan Johannes Balbach (links) hat eine klare Meinung zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Er und Dekanatsreferent Christian Richter bezogen im Interview auch zu anderen Themen Stellung. Foto: S. Kern

Von Stephanie Kern

Neckar-Odenwald-Kreis. Die katholische Kirche steht vor großen Herausforderungen. Viele Menschen fordern einen Reformkurs, aus dem Vatikan kommen aber gegensätzliche Signale. Ortsbesuch beim katholischen Dekanat Mosbach-Buchen: Außen hängen Regenbogenflaggen, innen beantworten Dekan Johannes Balbach und Dekanatsreferent Christian Richter im RNZ-Interview Fragen zur Zukunft der Kirche im Kreis.

Die katholische Kirche in der Erzdiözese Freiburg steht vor großen Veränderungen. Das Projekt heißt "Kirchenentwicklung 2030". Was bedeutet das für das katholische Dekanat Mosbach-Buchen?

Johannes Balbach: Es gibt viele Dinge, die sind noch im Fluss. Aber was man sagen kann: In der Erzdiözese Freiburg wird es 36 neue Pfarreien geben. Aus dem Dekanat Mosbach-Buchen werden zwei neue Pfarreien mit je fünf neuen Seelsorgeeinheiten. Man kann es kurz so zusammenfassen: Heute haben wir die Seelsorgeeinheiten mit ihren Pfarreien, künftig gibt es die Pfarrei als übergeordnete Größe. Die Namen dieser Pfarreien stehen noch nicht fest.

Was sind die Vorteile dieser neuen Strukturierung?

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Christian Richter: Der Vorteil ist, es braucht für eine Pfarrei nur noch einen Pfarrer.

Johannes Balbach: Im Moment haben wir für jede Seelsorgeeinheit einen Pfarrer, das macht zehn Pfarrer. Davon sind zwei Pfarrstellen vakant. Künftig haben wir dann nur noch einen Pfarrer, der diese große Pfarrei leitet. Aber er ist nicht allein: Er bekommt einen Geschäftsführer zur Seite gestellt, der die Administration übernimmt. Ansonsten gibt es viele mitarbeitende Priester, und daneben wird es auch weiterhin Diakone und Gemeindereferentinnen und -referenten geben. Und dann sind da die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter, die die Kirche tragen.

Und diese Neustrukturierung, verläuft die im Konsens, oder sind da im Dekanat große Widerstände zu überwinden?

Balbach: Das ist was Neues, ein neuer Weg, der nun zu gehen ist. Der Hintergrund dieser Neustrukturierung ist der Rückgang des hauptamtlichen Personals, vor allem der Priester. Aber auch die Zahl der Gläubigen nimmt ab, die Zahl der Mitglieder nimmt ab. Das heißt, es verändert sich gerade massiv etwas. Da gibt es natürlich auch Ängste. Die muss man auch zulassen. Wichtig ist die Kommunikation, nachzufragen, welche Sorgen und Ängste es gibt. Man muss aber auch zeigen, welche Chancen es gibt, um da gemeinsam eine Zukunft zu entwickeln.

Richter: Die Raumplanung war nur der erste Schritt. Wie es weitergeht, das entwickeln wir jetzt zusammen, miteinander. Denn neben der neuen Struktur geht es auch um eine neue Kultur der Kirche, des Miteinanders zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen. Ehrenamtliche müssen mehr Verantwortung übernehmen und mehr integriert werden. Die Hauptamtlichen dürfen nicht mehr nur versorgen, sondern sollen begleiten und bewegen.

Ist die katholische Kirche überhaupt noch relevant?

Balbach: Das ist gerade der eigentliche spirituelle Prozess und die Frage, wie es gelingt, Menschen die frohe Botschaft als Kraftquelle wieder nahe zu bringen. Das ist das Entscheidende, unser Auftrag, unsere eigentliche Existenzberechtigung. Es geht um die Frage, wie wir uns für die Zukunft aufstellen.

Was bedeutet Kirche heute noch?

Balbach: Die Kirche, das ist nicht die verfasste Kirche, sondern jeder einzelne, der getauft ist. Die Kirche sind die, die zum Herrn gehören. Wenn es um die Entwicklung oder die Kirche an sich geht, geht es um jeden Getauften. Die Kirche lebt von der Gemeinschaft, und diese bildet dann wieder die Institution.

Wann steht die räumliche Veränderung an?

Richter: Die Raumplanung steht für 2026 an. Das ist aber keine Schonfrist.

Balbach: Nein, es ist Anpackzeit!

Richter: In den vier Jahren danach, also bis 2030, steckt eine große Chance, Neues anzugehen und zu überlegen. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als würde alles größer werden, ist es umgekehrt. Die Kirche vor Ort wird verstärkt.

Wie hat die Coronapandemie zur Entwicklung der Kirche beigetragen?

Balbach: Es ist großartig, was da entwickelt wurde. Es gab zum Beispiel zu Ostern Kreuzwege für jedermann, Online-Angebote, es wurden Dinge vor die Tür gestellt, Osterlicht-Aktionen. Und das kam alles aus dem eigenen Ideenschatz der Teams vor Ort! Da ist etwas ins Laufen gekommen durch Corona – auch wenn wir das Virus nicht gebraucht hätten.

Richter: Damit Dinge sich neu ordnen können, muss etwas durcheinander sein. Das trifft auf die Coronapandemie, aber auch auf die Kirchenentwicklung zu.

Ein Thema, das gerade kontrovers diskutiert wird, ist die Segnung homosexueller Paare. Wie stehen Sie dazu?

Balbach: Ja, es wird sehr kontrovers diskutiert in der Kirche. Die Mehrheit ist aber wohl der Meinung, dass sie nicht versteht, was in diesem Brief aus Rom formuliert wurde. Darin steht zwar nicht, dass Menschen, die homosexuell sind, nicht gesegnet werden dürfen. Abgelehnt wird aber die Segnung ihrer Partnerschaft. Die Argumente, die dafür angewendet werden, greifen meiner Meinung nach zu kurz. Denn für mich ist das Kriterium eine gelingende Partnerschaft. Ich wüsste nicht, was gegen die Segnung einer gelingenden Partnerschaft spricht.

Das heißt, Sie würden homosexuelle Paare segnen?

Balbach: Es geht doch um die Frage der Liebesbeziehung. Menschen lieben einander – und das nun mal auf unterschiedliche Weise. Warum sollte ich eine Beziehung, eine Partnerschaft, eine Liebe nicht segnen dürfen? Wir hatten zu Valentinstag auch schon einen Segnungsgottesdienst für Liebende – alle Liebenden. Gott wendet sich uns in Jesus zu, und das ist ein Geschenk, das Gott uns macht. Den Segen, den ich empfange, den soll ich auch weitergeben. "Du wirst gesegnet und sollst ein Segen sein", heißt es in der Bibel. Der Segen ist, dass ich anderen etwas Gutes wünsche. Deswegen kann ich als Priester diesen Segen niemandem verweigern, da hätte ich wirklich Gewissensbisse.

Auch die Bewegung Maria 2.0 zwingt die Kirche zur Diskussion über ihre Strukturen. Auch im Neckar-Odenwald-Kreis ist eine Gruppe aktiv.

Balbach: Das ist ein wichtiges Thema. Denn hätten wir die Frauen in der Kirche nicht, würden wir alt aussehen. Das Thema Diakonat der Frau war schon unter Erzbischof Zollitsch ein Thema – und schon damals haben wir uns sehr dafür ausgesprochen. Kurzum: Ich bin für das Thema offen und finde, wir sollten auch Frauen in Weiheämtern zulassen.

Viele Frauen kehren der Kirche den Rücken, weil sie nicht das Gefühl haben, dass ihre Anliegen gehört werden.

Balbach: Ich verstehe den Frust. Und ich habe die Befürchtung, dass es der letzte Aufstand der Frauen ist, um deutlich zu machen, dass sie in geweihte Positionen wollen und sich Gleichberechtigung erhoffen. Je weniger sich bewegt, desto mehr werden diese enttäuschten Frauen mit ihren Füßen abstimmen. Theologisch finden sich sowohl Argumente dafür und dagegen. Ich möchte aber etwas anmerken: Es waren Frauen, die die Auferstehung bemerkten. Und erst als diese mutigen Frauen sie aufforderten, trauten sich die Jünger, aus ihrem Versteck zu kommen. Die Argumente gegen Frauen in Weiheämtern greifen nicht mehr. Ich weiß nicht, warum man sie nicht als Diakonninen und Priesterinnen in den Dienst nehmen sollte.

Was macht Maria 2.0 so besonders gegenüber anderen Bewegungen in der katholischen Kirche?

Balbach: Es ist eine Bewegung, die querbeet durch alle Altersgruppen verläuft, durch alle sozialen Schichten, durch alle Berufe. Das ist das Interessante. In der katholischen Kirche bringen sich deutlich mehr Frauen als Männer ehrenamtlich ein. Ein Beispiel dafür ist die Vorbereitung auf die Erstkommunion: Das leisten die Mütter. Auch bei den Ministrantinnen und Ministranten sind die Mädchen in der Überzahl. Zu nennen wären noch sehr viele weitere Bereiche. Wenn wir da die Frauen nicht mehr hätten, würde es nicht funktionieren.

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