Der Forst, das Klima und die Preise
Seit etwas mehr als einem Jahr arbeiten zwei Forstorganisationen in Baden-Württemberg.

Von Gabriele Eisner-Just
Neckar-Odenwald-Kreis. Zum 1. Januar 2020 fand in Baden-Württemberg eine Neuorganisation der Forstverwaltung statt. Wo vorher ein Einheitsforstamt für alle Waldbesitzarten zuständig war, wurden die Verantwortlichkeiten neu geregelt: ForstBW übernimmt für das Land Baden-Württemberg die Betreuung der Staatswaldflächen. Die Landesforstverwaltung hat zum einen die hoheitliche Aufsicht über alle Waldflächen im Land und zusätzlich die Aufgabe der Beratung, Betreuung und Förderung der kommunalen und privaten Waldbesitzer.
Forstdirektor Dietmar Hellmann verantwortet die Bewirtschaftung des Staatswaldes im Forstbezirk Odenwald. Dieser Bezirk gehört zu ForstBW, einer neu gegründeten Anstalt des öffentlichen Rechts. Forstdirektor Jörg Puchta von der Landesforstverwaltung BW ist als Fachbereichsleiter Forst im Neckar-Odenwald-Kreis für den Kommunal- und Privatwald zuständig.
Herr Hellmann, Herr Puchta, wie sind Ihre Aufgabengebiete aufgeteilt?
Dietmar Hellmann: Bisher wurden ja alle Waldbesitzarten von einer Forstverwaltung betreut. Ob es um die Pflege des Waldes, um Waldpädagogik, den Naturschutz oder um den Holzverkauf ging – das Forstamt war für alles zuständig. Mit der Ausgliederung des Staatswaldes, der in einen rechtlich und wirtschaftlich eigenständigen Forstwirtschaftsbetrieb überging, wurde diese gemeinsame Bewirtschaftung beendet. ForstBW hat 21 eigene Forstbezirke aufgebaut, einer davon ist der Forstbezirk Odenwald mit Sitz in Schwarzach. Ich freue mich sehr, dass dieser Standort erhalten blieb, in dem seit 1834 kontinuierlich eine Forstverwaltung ansässig ist.
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Die Forstbezirke stehen organisatorisch unter der Betriebszentrale in Tübingen, das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Stuttgart übt die hoheitliche Aufsicht aus. Mein Forstbezirk hat eine weite Ausdehnung und reicht vom Rhein bei Mannheim im Westen bis östlich von Wertheim und von der hessischen bzw. bayerischen Landesgrenze im Norden bis Bad Rappenau im Süden. Da sind also eine Menge Kilometer zu fahren, wenn ich in meinem Bezirk unterwegs bin. Das liegt unter anderem daran, dass der Waldbesitz des Landes in Nordbaden und Nord-Württemberg oft weit zerstreut liegt.
Neben der Bewirtschaftung und Entwicklung des Staatswaldes bildet ForstBW Forstwirte und Forstwirtinnen für alle Waldbesitzarten aus und übernimmt die Aus- und Weiterbildung der Waldpädagoginnen und -pädagogen.
Wie sind Zuständigkeiten und Waldflächen verteilt, wo findet man den richtigen Ansprechpartner?
Jörg Puchta: Im dreigliedrigen Aufbau der Landesforstbehörde mit einer Obersten, Höheren und Unteren Forstbehörde sind wir beim Landkreis angesiedelt. Wir haben im Neckar-Odenwald-Kreis einen hohen Bewaldungsanteil von 42 Prozent. Die Waldflächen gliedern sich in etwa neun Prozent Staatswald, circa 53 Prozent Kommunal- und etwa 38 Prozent Privatwald auf. Als Untere Forstbehörde sind wir forsthoheitlich für den gesamten Wald im Kreisgebiet zuständig und haben drei Anlaufstellen, die Zentrale in Adelsheim, die Anlaufstelle in Mosbach mit dem Schwerpunkt Forsthoheit und Betriebsleitung und die in Walldürn mit den Schwerpunkten Privatwald, Förderung und Betriebsleitung.
Wir beraten weiterhin kostenfrei alle Waldbesitzer in fachlichen Fragen. Daneben übernehmen wir die ständige oder fallweise Betreuung im Privatwald, wenn die Waldbesitzer das wünschen. Die Kommunen des Neckar-Odenwald-Kreises haben sich alle für eine Betreuung durch das Landratsamt ausgesprochen.
Warum wurden die verschiedenen Waldbesitze getrennt?
Hellmann: Schon im Koalitionsvertrag der baden-württembergischen Regierung von 2016 zwischen den Grünen und der CDU war die Überführung des Staatswaldes in eine Anstalt des öffentlichen Rechts festgeschrieben. Zum einen wollte das Land wieder direkten Einfluss auf die Bewirtschaftung seines Eigentums nehmen, zum anderen erforderten jahrelange Auseinandersetzungen mit dem Bundeskartellamt eine Trennung der bisherigen gemeinsamen Holzvermarktung aus allen Waldbesitzarten. Das Bundeskartellamt untersagte 2015 die gemeinsame Nadelstammholz-Vermarktung aus den drei Waldbesitzarten. Im Jahr 2018 hob der Bundesgerichtshof die Verfügung des Bundeskartellamts zwar aus formalen Gründen auf, entschied aber nicht, ob ein Verstoß gegen das Kartellrecht vorlag. Um finanzielle Forderungen der Sägewerke zumindest ab 2020 abzuwehren, entschied sich das Land für eine Neuorganisation der Forstverwaltung. Der Staatswald vermarktet nun sein Holz selbst. Mittlerweile verlangt eine Gruppe von Sägewerken vom Land Baden-Württemberg Schadensersatz in Höhe von rund 416 Mio. Euro für die Zeit vor 2020, weil nach deren Meinung das Land durch die Bündelung der Holzvermarktung die Preise bestimmt habe. Zu erwarten sind jetzt jahrelange Prozesse.
Das klingt alles recht kompliziert ...
Hellmann: Es war meines Erachtens richtig, sich neu aufzustellen. Das Kartellrecht ist zwar eine schwierige Materie, doch wenn man den aggressiven Verdrängungswettbewerb der Großkonzerne in der Sägeindustrie betrachtet, springt einem dort die marktbeherrschende Stellung einiger Großkonzerne ins Auge. Wenige Firmen haben mittlerweile das Marktgeschehen in der Hand und diktieren die Preise. Ihre Logistikketten sind so aufgebaut, dass sie rasch europaweit Ersatzlieferungen in ihre Werke beschaffen können, wenn wir versuchen, die Preise zu erhöhen. Die Konzentration in der Sägeindustrie hat auch zur Folge, dass wir das gefällte Holz immer weiter wegtransportieren müssen und im vergangenen Jahren kaum noch eine Möglichkeit hatten, für die Schadhölzer auskömmliche Preise zu erzielen.
Puchta: Für den Verkauf des Holzes aus dem Privat- und Kommunalwald ist im Neckar-Odenwald-Kreis die Forstliche Vereinigung Odenwald Bauland (FVOB) zuständig. Die Kollegen der Unteren Forstbehörde stellen das Holz bereit, während es die FVOB verkauft, die in diesen Zeiten mit einer Unmenge an Schadholz und niedrigen Erlösen nicht zu beneiden ist.
Wie arbeitet es sich nach einem guten Jahr Neuorganisation mit der neuen Verwaltungsstruktur?
Hellmann: ForstBW hat einen guten und modernen Aufbau seiner Betriebsstrukturen. Die Mitarbeitenden sind motiviert und sehr stark engagiert. Das macht Spaß. Einzelne Abläufe müssen sich aber noch einspielen, was nach nur einem Jahr kein Wunder ist. Für uns liegt das Problem neben den weiten Wegen in der Einsparauflage des Landes, die wir mit der Reform auferlegt bekommen haben. Wegen angenommener zusätzlicher Synergien durch die Zusammenlegung von Waldflächen in den 21 Forstbezirken sollen wir acht Millionen Euro weniger aufwenden. Das ist aber insbesondere wegen der Klimaschäden überhaupt nicht machbar. Deshalb deckt das Land momentan die Verluste ab.
Muss man nicht weg davon, den Wald als Wirtschaftszweig zu sehen?
Hellmann: Zum Glück ist es gelungen, im Staatswald ein eigenes Budget für Umweltbildung und Gemeinwohlaufgaben einzurichten. Wir sehen im Wald ja nicht nur ein Holzlager. Wir berücksichtigen bei seiner Bewirtschaftung auch seine Eigenschaft, das Klima zu schützen, das Grundwasser und die Luft zu reinigen, einen Erholungsort für die Menschen und Rückzugsbereiche für seltene Pflanzen und Tiere zu bieten. Die dabei entstehenden Ausgaben für Waldpädagogik, das Anlegen von Feuchtbiotopen und Ähnliches müssen wir nun nicht mehr aus dem Holzverkauf erwirtschaften. Das ist ein enormer Fortschritt. So können wir etwa fünf Prozent der Staatswaldflächen aus der Bewirtschaftung nehmen und die Natur sich selbst überlassen. Die Waldrefugien mit großen Habitatbäumen bleiben von menschlichen Eingriffen verschont. Wir sehen dann, was sich dort entwickelt.
Puchta: Kurz zurück zur Neuorganisation: Nach nur einem Jahr waren wir überrascht, dass die hoheitlichen Tätigkeiten der Unteren Forstbehörde so umfangreich sind. Insbesondere das Förderwesen mit all seinen Facetten braucht viel Manpower, weil die Waldbesitzer nicht nur für ihre ökologischen und gemeinwohlorientierten Leistungen honoriert werden, sondern auch für die Aufarbeitung von Schadholz Förderungen erhalten können.
Zur Unterstützung der Unteren Forstbehörden hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im März 2020 eine Bedarfserhebung bei den Landkreisen durchgeführt und Mittel aus dem Notfallplan Wald bereitgestellt, um eine befristete Verstärkung vor Ort möglich zu machen.
Die Zusammenarbeit zwischen der Unteren Forstbehörde und ForstBW klappt recht gut, was die gemeinsamen Themen wie gegenseitige Information und Waldpädagogik angeht. Allerdings müssen sich die Leute noch daran gewöhnen, dass es für verschiedene Waldgebiete auch unterschiedliche Ansprechpartner gibt Noch ist nicht immer klar, wo man anrufen muss, wenn zum Beispiel Brennholz bestellt oder ein Motorsägen-Lehrgang gebucht werden soll – also: Gehört "mein" Förster jetzt zur Unteren Forstbehörde in Mosbach oder zum ForstBW-Forstbezirk Odenwald in Schwarzach?
Welche Aufgaben stellen sich in den nächsten Jahren?
Hellmann: Wir haben die Folgen des Klimawandels mit Ausfällen bei den Fichten und dramatischen Schäden beim Laubholz zu beackern. Nicht nur die Esche leidet unter dem Befall eines asiatischen Schädlings und wird wohl nicht mehr zu retten sein; auch die seit Urzeiten hier heimische Buche ist stark gefährdet. Von daher müssen wir versuchen, die Waldbewirtschaftung an die Klimaveränderungen anzupassen, den Wald mit hitzeverträglichen Baumarten bepflanzen und weitere Waldumbaumaßnahmen ergreifen. Das ist eine Jahrhundertaufgabe. Deshalb sollten die Forstreviere so groß oder vielmehr so klein bemessen sein, dass die Revierförster die Arbeit schaffen können. Wir müssen die Waldschäden bewältigen können, denn nur ein gesunder Wald kann dazu beitragen, dass wir ein menschenverträgliches Klima und ausreichend gefiltertes Trinkwasser haben. Den wichtigsten Beitrag aber müssen die Menschen selbst leisten, indem sie sich klimabewusst verhalten. Ohne Verhaltensänderung schlittern wir in eine Klimakatastrophe.
Deckt sich das mit Ihrer Einschätzung, Herr Puchta
Puchta: Wir leiden im dritten Jahr in Folge unter zu hohen sommerlichen Temperaturen und zu wenig Niederschlägen während der Vegetationszeit. Vordringliche Aufgabe wird es zunächst sein, die Borkenkäfer in den Griff zu bekommen und die entstandenen Kahlflächen wieder mit klimastabileren Baumarten zu bepflanzen. Eine normale, geregelte Forstwirtschaft ist aktuell nicht möglich. Wir können nur hoffen, dass es in diesem Jahr genügend Regen und wenig Hitze gibt.
Zu allem Überfluss kommt noch die Coronapandemie hinzu. Viele Menschen gehen in den Wald und erholen sich hier, was uns natürlich freut. Auf der Gegenseite hat sich die Gefahrenquelle im Wald durch den Klimawandel erhöht und der Waldbesucher sollte öfter mal einen Blick nach oben in die Kronen der Bäume werfen, da der Anteil der abgestorbenen Äste – gerade bei der Buche – stark zugenommen hat. Auch bedauern wir, dass aktuell keine Waldführungen (auch im Rahmen von Gemeinderatssitzungen) vorgenommen werden können, und hoffen, dass wir die Menschen bald wieder mit Führungen und weiteren Maßnahmen für den Wald begeistern können.




