Neckar-Odenwald-Kreis

Das Zusammenwachsen brauchte seine Zeit

Der Zusammenschluss der Kreise Buchen und Mosbach zum Neckar-Odenwald-Kreis jährt sich zum 50. Mal.

02.01.2023 UPDATE: 02.01.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 43 Sekunden
Buchener Kreisbedienstete in Trauerflor vor ihrer ersten Fahrt zum Dienstsitz in Mosbach 1972/1973. Fotos: Kreisarchiv / Nachlass H. Geisert

Von Karl Heinz Neser

Neckar-Odenwald-Kreis. Der Neckar-Odenwald-Kreis ist das Ergebnis einer Kreisreform, die zum 1. Januar 1973 in Kraft getreten ist. Sie wurde von der damals im Land regierenden Großen Koalition (1966-1972) gleichzeitig mit der Gemeinde- und Funktionalreform angegangen. Ministerpräsident war Hans Filbinger (CDU), Innenminister Walter Krause (SPD). Mit der Vorlage des "Denkmodells zur Kreisreform" Ende 1969 wurden zwei Jahre lebhafter Diskussion eingeleitet, die durchaus Gräben entstehen ließ: zwischen Landräten, Mitgliedern von Parteien und Vertretern gesellschaftlicher Gruppen beider Landkreise. Denn es wurde heftig gestritten.


Nachdem durch die Kreisreform die Zahl der Landkreise reduziert werden sollte – von ehemals 63 blieben lediglich 35 übrig –, war schnell klar, dass keiner der beiden, zudem bevölkerungsarmen Kreise (Buchen: 66.265, Mosbach 73.950 Einwohner) überleben konnte – es sei denn durch Gebietserweiterungen. So gab es in Buchen Überlegungen eines fränkischen Kreises unter Einbeziehung von Teilen der Landkreise Heilbronn, Künzelsau und Tauberbischofsheim, in Mosbach nach Arrondierungen um Teile der Kreise Sinsheim und Heidelberg (vor allem Raum Eberbach). Dafür gab es jedoch keine Chance, sodass die wesentlichen Konturen des neuen Landkreises bald feststanden. Es ging jetzt nur noch um die Zuordnung einzelner Verwaltungsräume.

Von den ehemals 138 selbstständigen Gemeinden der beiden Altkreise mussten schließlich 20 Gemeinden mit 16.146 Einwohnern an den Main-Tauber- und Hohenlohekreis und den Landkreis Heilbronn abgegeben werden. Aus den verbliebenen ehemals 118 Gemeinden wurden 27 Gemeinden gebildet. Der eigentliche Streit, mitunter sehr emotional in der Presse, den Parteien, der Öffentlichkeit und in den beiden Kreistagen ausgetragen, drehte sich um den Kreissitz. Die Landesregierung hatte Mosbach als Sitz des neuen Landkreises vorgeschlagen. Die Kreistage und die politischen Parteien setzten sich in den beiden Altkreisen jeweils gegensätzlich für Buchen oder Mosbach als Kreissitz ein. Nach langem parlamentarischem Ringen fiel dann am 23. Juli 1971 im Landtag die endgültige Entscheidung mit 60 zu 40 Stimmen bei 13 Enthaltungen für Mosbach. Das bedeutete Jubel auf der einen, Enttäuschung auf der anderen Seite.

Die am 24. 10. 1971 gewählten Kreistage hatten den Übergang in den neuen Landkreis zu leisten. Ein Personalproblem stellte sich wie in anderen Landkreisen nicht: der Kampf um den Landratsposten zwischen amtierenden Landräten. Da der Mosbacher Landrat Dr. Ditton, bis 1974 gewählt, aus gesundheitlichen Gründen zum 31. 12. 1972 in den vorzeitigen Ruhestand ging, lief es auf Landrat Hugo Geisert zu, insbesondere nachdem er der Mosbacher Kreis-CDU seinen Verzicht auf eine erneute Landtagskandidatur zugesichert hatte. Am 15. 9. 1972 wählte der vorläufige Kreistag des neuen Landkreises den bisherigen Buchener Landrat Geisert mit 45 von 56 abgegebenen Stimmen zum Amtsverweser.

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Bei der Zusammenführung zweier Verwaltungen hatte der Kreistag auch schwierige Entscheidungen zu treffen, vor allem im Personalbereich. So musste entschieden werden, wer Amtsleiter wurde, was nicht ohne Härten im Einzelfall ging; die 14 Amtsleiter verteilten sich schließlich je zur Hälfte auf die beiden Kreisverwaltungen. Es mussten die Raumprobleme einer nun größeren Verwaltung in Mosbach gelöst werden; und es wurde die Entscheidung über eine Außenstelle des Landratsamtes in Buchen getroffen.

Weiter mussten die Kreistagswahlbezirke neu eingeteilt werden. Kampfabstimmungen, die im Wesentlichen von der Zugehörigkeit zu einem Landkreis bestimmt waren, gab es um den Namen des Landkreises und die Zuordnung zum Regionalverband. Der neue Landkreis nannte sich zunächst Odenwaldkreis; nachdem der schon 1972 neu formierte Kreis Erbach den gleichen Namen gewählt hatte, wurde der Kreisname 1974 nach erneuter Kampfabstimmung in Neckar-Odenwald-Kreis abgeändert. Eine knappe Mehrheit votierte für die Region Unterer Neckar.

Am 8. April 1973 fanden dann die ersten Kreistagswahlen in den neu gebildeten Landkreisen statt. Am 7. 9. 1973 wurde der bisherige Amtsverweser Hugo Geisert mit 37 von 42 abgegebenen Stimmen schließlich als Landrat des neuen Kreises bestätigt. Das Ergebnis war eine gute Ausgangsbasis für die Integration der beiden Landkreise, denn es mussten noch Ressentiments und Misstrauen abgebaut werden. Neben der Kreisverwaltung mit dem Landrat an der Spitze ist dies vor allem dem Kreistag und seinen Fraktionen zuzurechnen. Wurden anfangs die ersten Kreishaushalte noch stark danach gesichtet, wie viele der Investitionen im Altkreis Buchen oder Mosbach stattfanden, so stellte sich bald die Normalität ein.

Nach Ablauf der Amtsperiode kandidierte Hugo Geisert 1981 nicht mehr. Mit 24:17 bei einer Enthaltung setzte sich der Erste Beigeordnete der Stadt Wertheim, Dr. Gerhard Pfreundschuh (CDU), gegenüber dem damaligen Ersten Landesbeamten im Mosbacher Landratsamt, Dr. Heydlauf, durch. Das Ergebnis entsprach genau den damaligen politischen Kräfteverhältnissen. Gerhard Pfreundschuh, der immer wieder in der Kritik stand, wurde 1989 im dritten Wahlgang nur knapp mit 25:22 wiedergewählt.

Bei der Landratswahl 1997 verständigte man sich mit Ausnahme der Grünen parteiübergreifend auf den parteilosen Ersten Landesbeamten im Nachbarkreis Heilbronn, Detlef Piepenburg, der mit 41 von 50 abgegebenen Stimmen gewählt wurde. Mit ihm kehrte im Kreistag wieder Ruhe ein. Bei der Landratswahl 2005 zog er es aber vor, im Nachbarkreis als Landrat anzutreten.

Bei der Neuwahl im Neckar-Odenwald-Kreis setzte sich der damalige Buchener Bürgermeister Dr. Achim Brötel (CDU) fraktionsübergreifend mit Ausnahme der Grünen mit 41 von 45 Stimmen durch; er wurde 2013 und 2021 noch zweimal als Landrat mit ähnlich hoher Stimmenzahl wiedergewählt.

Seit der Kreisreform 1973 ist die Bedeutung der Landkreise durch zusätzliche Aufgabenübertragungen (z. B. Abfallwirtschaft, Schülerbeförderung und ÖPNV, Unterbringung von Geflüchteten, Eingliederung der Unteren Sonderbehörden) und ihre Investitionen in Schulen, Kreisstraßen, Krankenhäuser, Abfallwirtschaft etc. gestärkt worden. Die Strukturen waren in den letzten Jahren besonders in der Flüchtlingskrise und während der Pandemie gefragt. In den 50 Jahren seines Bestehens hat der Neckar-Odenwald-Kreis ein eigenes Profil entwickelt. Wichtige Impulse gingen in den letzten Jahren vom Landkreis aus: So liegt der NOK bei den erneuerbaren Energien landesweit an der Spitze, wurde als erster Landkreis in Baden-Württemberg an die Datenautobahn angeschlossen, hat er den Ausbau des ÖPNV vorangebracht.

Landkreise sind in der Regel keine historisch gewachsenen Gebilde; sie sind Verwaltungskonstrukte von Regierungen und waren in der Vergangenheit schon vielen Veränderungen ausgesetzt. 1939 entstanden die ehemaligen Landkreise Buchen und Mosbach. 34 Jahre später entstand der Neckar-Odenwald-Kreis – von daher betrachtet, sind 50 Jahre schon viel. Aber das Gespenst des Regionalkreises wurde zwischenzeitlich auch schon diskutiert, und ob es wieder herumspukt, ist davon abhängig, wer in Stuttgart regiert. Eine Ewigkeitsgarantie gibt es also nicht ...

Literaturhinweis: Karl Heinz Neser. Politisches Leben im Neckar-Odenwald-Kreis – gestern und heute. Heidelberg –Ubstadt-Weiher – Basel. 2. überarbeitete Auflage 2019. Band 2 der Reihe Beiträge zur Geschichte des Neckar-Odenwald-Kreises.

Die „Todesanzeige“ des Landkreises Buchen. Foto: RNZ
(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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