Neckar-Odenwald-Kliniken

In Sachen Finanzen auf dem Weg der Besserung

Aber noch nicht über den Berg. Brötel: "Wir liegen auf Kurs"

29.09.2020 UPDATE: 30.09.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 25 Sekunden
„Die Richtung stimmt“: Die Kreistagsfraktionen stehen hinter den Maßnahmen für die Neckar-Odenwald-Kliniken und erwarten sich davon deutliche Verbesserungen. Foto: R. Busch

Buchen. (rüb) "Wir liegen auf Kurs!" Diese erfreuliche Botschaft in Sachen Klinikfinanzen überbrachte Landrat Achim Brötel in der Kreistagssitzung am Montag in der Buchener Stadthalle. Der in den ersten acht Monaten des Jahres aufgelaufene Verlust fällt mit 5,2 Millionen Euro rund 450.000 Euro niedriger aus als geplant. "Das ist aber kein Grund zum Frohlocken", schränkte Brötel gleich ein: Denn vor den Kliniken liegt – um im Bild zu bleiben – eine dichte Nebelwand. Was das nun anstehende vierte Quartal bringen wird, ist unklar: Die Fallzahlen liegen wegen der Coronakrise weit unter Vorjahresniveau, und nun läuft auch noch das Krankenhausentlastungsgesetz des Bundes aus. Ab 1. Oktober bekommen die Kliniken keine Zahlungen mehr für nicht belegte Betten, die sie für mögliche Corona-Patienten freihalten.

Auch ohne die Sondereffekte durch den Verkauf des Wohn- und Pflegezentrums Hüffenhardt sei 2019 für die Kliniken und den Landkreis "ein wirtschaftliches Desaster" gewesen, so Brötel. Der Verlust von 14 Millionen Euro übersteige die Leistungsfähigkeit des Kreises und habe nur "durch einen gemeinsamen Kraftakt" aufgefangen werden können.

Hintergrund

Stellungnahmen der Kreistagsfraktionen: "Ein Jahr wie 2019 darf es nicht mehr geben"

Die Kreistagsfraktionen stehen nach wie vor hinter "ihren" Kliniken und begrüßen die in Angriff genommenen Veränderungen. Dies wurde in ihren Stellungnahmen zur

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Stellungnahmen der Kreistagsfraktionen: "Ein Jahr wie 2019 darf es nicht mehr geben"

Die Kreistagsfraktionen stehen nach wie vor hinter "ihren" Kliniken und begrüßen die in Angriff genommenen Veränderungen. Dies wurde in ihren Stellungnahmen zur Jahresrechnung 2019 deutlich. Ein "Weiter so" kann es angesichts des Rekordverlust von 14 Millionen Euro aber nicht geben: Alle Redner waren sich einig, dass der Kreis und damit auch die Kommunen an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit angelangt sind.

CDU-Fraktion

"In den vergangenen acht Monaten ist es der Geschäftsleitung einschließlich der Chefärzte mit deutlichem Rückhalt in der gesamten Belegschaft gelungen, Monat für Monat Abschlüsse unterhalb der geplanten Verluste zu erreichen", konstatierte Rainer Houck. "Diese Leistung verdient unseren Respekt und unsere Anerkennung." Der eingeschlagene Weg der Ergebnisverbesserung müsse aber konsequent weitergegangen werden. Von zentraler Bedeutung sei hier die korrekte Dokumentation und Kodierung der erbrachten Leistungen. Die Herausforderungen seien unverändert groß: "Wir sind noch lange nicht über den Berg." Solche Fehlbeträge wie in den letzten Jahren könnten der Landkreis und die Gemeinden nicht noch einmal kompensieren.

Fraktion der Freien Wähler

"De Zahlen des Jahres 2020 geben Hoffnung, dass der Erhalt der Kliniken in öffentlicher Hand zu finanzierbaren Bedingungen tatsächlich gelingen kann", sagte Volker Rohm. Allerdings seien die Zahlen aufgrund der besonderen Situation durch Corona schwer zu vergleichen. Unklar sei auch, ob es der Bevölkerung bewusst sei, dass sie eine entscheidende Mitverantwortung tragen, indem sie sich im oder außerhalb des Kreises behandeln lassen. "Fest steht: Ein nochmaliges Jahr wie 2019 darf es nicht geben, den die Reserven sind aufgezehrt!". Nichtsdestotrotz müssten Investitionen wie die digitale Patientenakte, neuer Bettentrakt in Buchen und weitere Projekte weiterhin verfolgt werden, denn "Stillstand wäre nicht nur Rückschritt, sondern Aufgabe und Resignation."

SPD-Fraktion

"Das Ergebnis ist grottenschlecht und belastet den Kreishaushalt enorm", sagte Norbert Bienek und richtete den Blick auf die personellen und organisatorischen Konsequenzen: "Bisher scheinen die Mechanismen zu wirken!" Allen Mitarbeitern, aber auch der Bevölkerung müsse klar sein: "Nur mit gemeinsamer Anstrengung kann es gelingen, dass unsere Neckar-Odenwald-Kliniken erhalten bleiben. Wie nötig das ist, das hat gerade der Kampf gegen die Corona-Pandemie gezeigt." Abschließend formulierte Bienek drei Forderungen: Die konsequente Umsetzung der Sofortmaßnahmen, eine weitere Überprüfung der Strukturen in den Kliniken und die große Politik auf Bundes- und Landesebene mit ins Boot holen."

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Simone Heitz legte den Finger in die Wunde und sprach die mangelhafte Dokumentations- und Kodierqualität in den Kliniken an: "Ohne umfassende Dokumentation kann eine Krankenhausleistung nicht vollständig abgerechnet werden. Dabei geht es um Millionenbeträge." Ihre provokante Frage: "Was hindert uns denn daran, Prozesse so zu verändern, dass wir mit den Krankenkassen gut abrechnen können?" Diese Defizite seien keine höhere Gewalt und ach nicht von Bund und Land zu verantworten. Wenn es hier nicht zu Veränderungen komme, müsse man im kommenden Jahr wieder über Privatisierung reden.

FDP

Einzelkämpfer Achim Walter wies darauf hin, dass es in den Kliniken auch in den Vorjahren bis zum vierten Quartal ganz gut gelaufen sei, ehe es das böse Erwachen gegeben habe: "Hoffen wir, dass das diesmal nicht so ist und dass wir die Zahlen halten können!"

Fragestunde

Auch in der Fragestunde für die Bürger waren die Kliniken Thema. Emil Öppling (Götzingen) erinnerte an einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 2013, in dem die Defizite in der Dokumentation bereits thematisiert worden waren. "Weshalb hat sich seitdem nichts verbessert?", lautete seine Frage. "Das Thema ist nicht neu", bestätigte Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn. Es sei aber nicht mit der nötigen Nachhaltigkeit und Konsequenz angegangen worden. Zudem befinde sich das Abrechnungssystem in ständiger Veränderung. Jetzt sei das Problem aber erkannt, und es werde in Angriff genommen.

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Die gute Nachricht: In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres liegen die Kliniken sogar etwas besser als geplant: Die gestarteten Veränderungsprozesse zeigten Wirkung, so der Landrat, der den Beschäftigten für ihr engagiertes Mitwirken ein Kompliment aussprach. Ob die Grenze von maximal 7,7 Millionen Euro Jahresverlust eingehalten wird, werde sich im vierten Quartal zeigen, das einige Risiken berge: Die Fallzahlen seien noch immer unter dem Niveau vor Corona, und ausgerechnet jetzt stelle der Bund die Zahlungen im Rahmen des Krankenhausentlastungsgesetzes ein. "Es bleibt spannend." Aber auch die aktuellen Verluste seien vom Landkreis "auf Dauer nicht zu stemmen", das müsse jedem klar sein, sagte Brötel abschließend.

Einen detaillierten Einblick in die Zahlen gab Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn. Durch den "katastrophalen Jahresverlust" sei das Eigenkapital rechnerisch aufgebraucht. Anders als ursprünglich geplant, müsse man den Verlust durch den Verkauf des Wohn- und Pflegezentrums Hüffenhardt in Höhe von 2,7 Millionen Euro bereits 2019 verbuchen, was zu einer weiteren Verschlechterung des Ergebnisses geführt habe.

Die Erträge seien zwar um 1,2 Millionen Euro gestiegen. Dies sei aber zu wenig, um die gestiegenen Personalkosten – vor allem durch Tariferhöhungen – auszugleichen. Im Gegenteil: Die Zahl der Fälle nahm um 379 (2,1 Prozent) ab, und auch der Schweregrad ging zurück, was, so Hehn, an der Patientenstruktur im ländlichen Raum liege – viele ältere Patienten mit einfachen Erkrankungen. Auch die Kosten für fremdes Personal hätten das Ergebnis belastet: Für Leasingkräfte – für Hüffenhardt und die Geburtshilfeabteilung – mussten 800.000 Euro mehr bezahlt werden.

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Zusammenfassend brachte Hehn die Gründe für das Rekordminus auf den Punkt: hohe Rückforderungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, Defizite bei der Dokumentation der Fälle, Vorhaltekosten für 24-Stunden-Bereitschaft an zwei Standorten, eine höhere Krankheitsquote als im Branchenvergleich und niedrigere Fallzahlen und Schweregrade im Vergleich zum Vorjahr.

Positiver fiel Hehns Blick auf die ersten acht Monate des laufenden Jahres aus: "Die Richtung stimmt!" Die Fallzahlen liegen zwar Corona-bedingt weit unter dem Vorjahreswert: 9508 statt 12.140. Teilweise würden die fehlenden Erlöse aber durch das Krankenhausentlastungsgesetz ausgeglichen. Zudem seien die ersten finanziellen Effekte durch die Umsetzung des Maßnahmenplans zu erkennen.

Nach der Zusammenlegung der Frauenklinik in Buchen sei eine gute Entwicklung zu sehen: Gut zwei Geburten gebe es durchschnittlich pro Tag in Buchen, im September seien es bis Montag sogar 73 gewesen. Zudem sei nach dem Ende des Lockdowns ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen, was Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität mache.

Den August schlossen die Kliniken mit einem Minus von rund 450.000 Euro ab, das sind 660.000 Euro weniger als 2019 und 130.000 Euro weniger als geplant. Insgesamt liegt das Zwischenergebnis für 2020 mit einem Verlust von 5,2 Millionen Euro um 2,3 Millionen Euro besser als 2019 und etwa 450.000 Euro besser als geplant. Beim Blick auf das Ziel von 7,7 Millionen Euro liege man also "auf Kurs".

Einstimmig genehmigte das Gremium am Ende den Jahresabschluss 2019 und den Verlustausgleich, und auch die Entlastung des Aufsichtsrats erfolgte ohne Einwände.

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