Mosbacher "Rathausrunde"

Nicht nur die große Nummer ist in Arbeit

Mosbachs OB Michael Jann über Potenziale, Herausforderungen und Sorgenkinder

13.07.2020 UPDATE: 14.07.2020 06:00 Uhr 5 Minuten, 29 Sekunden
Seit 2006 ist Michael Jann Mosbachs Oberbürgermeister. Vorher war er Bürgermeister der Großen Kreisstadt und Dezernent am Landratsamt. Der 60-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. Foto: ar

Von Heiko Schattauer

Mosbach. Sich ganz ausführlich austauschen, bedeutende Themen intensiv beleuchten – im Tagesgeschäft bleibt dazu oft (zu) wenig Zeit. Mit der neuen RNZ-Reihe "Rathausrunde" wollen wir da ein wenig Abhilfe schaffen, suchen das Gespräch mit den Bürgermeistern in der Region. Nicht am Rande einer Sitzung oder eines Spatenstichs, sondern vielmehr ohne Zeit- und Termindruck bei einer Tasse Kaffee oder Tee in der Leitungszentrale des jeweiligen Rathauses. Dabei sollen nicht nur brennende und kommende Themen erörtert werden. Auch den Mensch hinter dem Amt wollen wir bei einer ein wenig indiskreten Abschlussrunde der Rathausrunde ein wenig "öffentlicher" machen. Zum Auftakt der Reihe haben wir Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann besucht.

Steigen wir gleich mit dem Thema des Jahres ein: Corona. Mosbach scheint (Stand letzte Gemeinderatssitzung) finanziell offenbar noch recht gut dazustehen. Ist das auch heute noch der aktuelle Stand? Ist eine Prognose über den Moment hinaus möglich?

Es gibt keine Veränderungen seit der letzten Sitzung, der Stand ist also noch aktuell. Wir fahren weiter auf Sicht, wir haben Rücklagen, da sind wir in einer recht guten Lage. Wenn die möglichst lange halten, wäre das natürlich gut für alle Projekte, die wir noch vor uns haben. Eine Prognose? Nun, wenn das, was von Bund und Land an Unterstützung angekündigt ist, kommt, dann haben wir gute Chancen, ohne Nachtragshaushalt durchs Jahr zu kommen. Was nächstes Jahr ist, lässt sich derzeit kaum seriös sagen. Allerdings sehe ich auch positive Signale.

Hintergrund

Die indiskreten 13

1. Erinnern Sie sich eigentlich noch an ihren ersten Tag als Oberbürgermeister?

Ja, obwohl das Ganze jetzt auch schon 14 Jahre her ist. Der Tag verlief wenig

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Die indiskreten 13

1. Erinnern Sie sich eigentlich noch an ihren ersten Tag als Oberbürgermeister?

Ja, obwohl das Ganze jetzt auch schon 14 Jahre her ist. Der Tag verlief wenig spektakulär, ich war ganz einfach mit dem Umzug vom Verwaltungsbau in das historische Rathaus beschäftigt. Der feierliche Moment war kurze Zeit später dann die Amtseinführung.

2. Welchen Job außer OB könnten Sie sich noch vorstellen?

Als gelernter Jurist natürlich die Klassiker Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt. In der Schule hatte ich Leistungskurse Biologie und Chemie, auch in diesem Feld hätte ich mir durchaus eine Tätigkeit vorstellen können.

3. Wenn Sie Mosbach mit drei Schlagworten beschreiben sollten, welche wären das?

Liebenswert, sowohl die Stadt als auch die Menschen. Mit langer Tradition und großer Historie gesegnet und damit starken Wurzeln für die Herausforderungen der Zukunft. Bietet alles, was ich zum Leben brauche.

4. Und sich selbst mit drei Eigenschaften.

Verlässlich, zielstrebig und verantwortungsbewusst.

5. Bleiben wir bei drei: Ihre drei Lieblingssongs?

"Mister Bojangels" (Sammy Davis junior), "It’s a wonderful world" (Louis Armstrong) und "I paid my dues" (Anastacia).

6. Worüber können Sie so richtig lachen?

Gerne auch mal über mich selbst, über Chako Habekost und über meinen Sohn, wenn er mal wieder Blödsinn macht.

7. Und was finden Sie zum Weinen, was macht Sie wirklich traurig?

Krieg, Kindesmissbrauch und alle Arten von Grausamkeiten, die wir uns, Tieren und unserer Umwelt antun.

8. Wovor haben Sie Angst?

Unser immer Höher, Schneller und Weiter, das weiteren Raubbau an der Natur und Umweltzerstörung bedingt und – wenn wir nicht weltweit eine Trendwende erreichen – schließlich unsere Lebensgrundlagen zerstören wird.

9. Ihre größte Leidenschaft?

Reisen.

10. Und Ihre größte Schwäche?

Mein Sprachfehler: Ich kann meistens nicht "Nein" sagen.

11. Mit welcher bedeutenden Person der Zeitgeschichte würden Sie gern mal einen Kaffee oder ein Bier trinken?

Mahatma Gandhi.

12. Was bedeutet für Sie Glück?

Familie.

13. Gibt es so was wie ein Lebensmotto für Sie?

Gott, gib’ mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

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Welche denn konkret?

Nun, ich bin ja auch Verwaltungsratsvorsitzender bei der Sparkasse. Und da sehe ich ein Kreditwachstum, das indiziert, dass das Geschäftsgebiet ganz gut aufgestellt ist. Denn zum großen Teil handelt es sich dabei nicht um Kredite wegen Einbrüchen. Sondern eher um welche für Investitionen. Ein gutes Zeichen.

Was hat sich mit der Krise denn für Sie persönlich verändert?

Die Veranstaltungen gingen ja gegen Null, man hätte also eigentlich mehr Zeit haben können. Das Krisengeschehen hat einen dann aber doch dauerhaft (auch beruflich) beschäftigt. Ich habe noch nie an Wochenenden und spät nachts so an den Mails gehangen wie in der heißen Coronaphase. Als Verwaltung gibt es unterdessen einige Aspekte, die wir aus der Krisenzeit mitnehmen können. So hat sich das System der Terminvereinbarungen bewährt und wird gut angenommen, da haben wir auch von Bürgerseite gutes Feedback bekommen. Auch in Sachen Digitalisierung und Homeoffice wird es weitere Entwicklungen geben.

Bleiben wir bei Krisen und dem Thema Gesundheit: Wie sieht man in Mosbach die Entwicklung der Neckar-Odenwald-Kliniken?

Unter der Oberfläche sind die Probleme noch da und 4,5 Millionen Euro Defizit für ein halbes Jahr sind auch kein Grund, in Jubel auszubrechen oder Entwarnung zu geben. Auch wenn die Entwicklung positiv zu bewerten ist.

Und der in der Diskussion um den Kliniken-Maßnahmenplan aufgekommene Sturm um den Fragenkatalog und die dazu gehörige Beratung hat sich wieder gelegt?

Ich glaube, da gibt es keine Nachwehen, ich habe auch zu Landrat Brötel ein entspanntes Verhältnis. Es ging um eine sachliche Diskussion, nicht um die Expertise. Der Kreistag hat eine Entscheidung gefällt, die uns in Mosbach nicht gefallen hat.

Unter anderem wegen der Schließung von Geburtshilfe/Gynäkologie. Die ist inzwischen vollzogen, nun steht als Option eine Art Geburtshilfe-Haus im Raum.

Da wurden unsere Bemühungen, über die Sie schon berichtet haben, durch Corona zuletzt ein Stück weit gebremst. Die Idee eines "Gesundheitszentrums" lebt aber. In der Raumschaft sind Interesse und Bedürfnis für eine solche Einrichtung sicher da. Wir wollen uns nun zunächst um eine Förderung des Vorhabens bemühen.

Am Hungerberg könnte ein inklusiver Stadtteil wachsen. Foto: schat

Apropos Entwicklungen: Der Hungerberg gilt als die letzte große Entwicklungsfläche (Wohnraum) im Stadtgebiet. Wie sehen da die Planungen aus?

Da ist es weitergegangen. Nächste Woche wird es ein Gespräch mit einem Projektentwickler geben, in der Folge eine Machbarkeitsstudie für die Bereiche des bestehenden Diakonie-Areals und des Hungerbergs als noch unbebaute Entwicklungsfläche. Das Ganze ist ein Prozess, für dessen planerische Begleitung wir schon einen Partner im Auge haben.

Diakonie-Areal plus Hungerberg – klingt nach großer Herausforderung.

Das ist in der Tat eine große Nummer. Die Idee ist ja eine Art inklusiver Stadtteil, den Prozess zur Entwicklung sollen auch die Bürger mit begleiten.

Gibt es dafür einen Zeithorizont?

Dieses Jahr wollen wir in Abstimmung mit der Diakonie noch vertraglich fixieren, wie es organisatorisch weitergehen soll. Die Machbarkeitsstudie ist dann der nächste Schritt, vielleicht können wir uns Anfang 2021 darüber austauschen.

Auch der Ludwigsplatz hat Potenzial. Foto: schat

Auch in der Innenstadt gibt es noch Potenzial-Areale: Rund um das Parkdeck Zwingerstraße etwa, am alten Spitzer-Areal, am Ludwigsplatz.

Beim Erstgenannten sind wir nach wie vor mit dem Land in Benehmen, da geht es um das Bestandsgebäude, in dem aktuell die DHBW unterrichtet. Ich sehe das Areal nach wie vor als große Potenzialfläche. Beim ehemaligen Autohaus läuft der Aufstellungsbeschluss, ein Bebauungsplan wäre hier der nächste Schritt. Und am ehemaligen C&A-Gebäude am Ludwigsplatz und in dessen Umfeld ist auch eine Nachnutzung in Arbeit. Da gibt es Gespräche mit insgesamt vier belastbaren Interessenten. Hier ist eine Weiterentwicklung aus dem Bestand heraus vorgesehen. Diese Ecke schreit geradezu nach Entwicklung, zumal sie ja auch noch im Sanierungsgebiet liegt.

Potenzialflächen in der Stadt: Der Gartenweg ist bereits entwickelt. Foto: schat

Entwickelt hat man vor einigen Jahren auch den Gartenweg neu. Damals gab es viele kritische Stimmen. Rückblickend alles richtig gemacht?

Aus meiner Sicht ja. Man kann sich ja immer streiten über Größe, Kubatur. Aber das Quartier wird angenommen und der Gartenweg hat eine Belebung erfahren. Bei der Tiefgarage hatte ich ehrlich gesagt ein laues Gefühl, aber auch die wird gut angenommen. Eingeschlagen hat auch die Mediathek, da bin ich auch stolz drauf. Insgesamt überwiegen die positiven Aspekte, auch wenn die Baustellenzeit für viele natürlich belastend war.

Dafür hat man jetzt unter anderem vom Boulevard ausgehend immer mal wieder gewisse Problem-Grüppchen, da hat sich eine Art Hotspot gebildet.

Solche Phänomene hat man leider in Städten in unserer Größenordnung. Ich sehe da Streetworking als einen sinnvollen Ansatz, auch wenn sich etwa bei der zuletzt aktiven Gruppe der Problem-Jugendlichen die Lage etwas entspannt hat. Insgesamt ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem, dem man nicht nur repressiv beikommt. Mit der Poserszene ist es anders, da muss man schon Druck machen, mal auf die Füße treten.

Ganz anderes Thema: Auch für sie ist 2020 das erste Jahr ohne Mosbacher Sommer. Die Mosbacher Erlebnisse sind eine schöne Aktion. Aber Ersatz können sie sicher nicht sein, oder?

Nein, das ist klar – und bedauernswert. Aber die kreierte Aktion ist sicher eine kleine Alternative, die angenommen wird. Und dass das Open-Air-Kino doch klappt, ist auch sehr erfreulich. Größeren Aktivitäten in der Innenstadt stehe ich eher kritisch gegenüber, dafür ist meines Erachtens einfach noch nicht die Zeit.

Großes Thema waren/sind Schulen und Kindergärten: Die kosten die Stadt viel Geld, die Werkrealschul-Diskussion hat aber gezeigt, dass Veränderungen hier große Emotionalität mit sich bringen. Wie sind die weiteren Pläne? Etwa an der Hardbergschule?

Unter dem Druck steigender Kinderzahlen müssen wir schauen, wie wir den Bedarf befriedigen. Da muss man dann eben auch schauen, wo es räumliche Kapazitäten gibt, wo eventuell Synergien. Mit dem Gemeinderat wurden da schon mehrere Entwicklungsrunden gedreht, weitere werden folgen. Und ja, in Kommunikation mit den Schulleitungen wurde auch über eine mögliche Konzentration der Hardbergschule am Standort Müller-Guttenbrunn-Schule nachgedacht. Da wird man jetzt in den städtischen und schulischen Gremien weiter schauen. Emotionen wird wohl auch diese Diskussion wieder hervorrufen.

Auch am Obertorzentrum soll sich was tun. Foto: schat

Die DHBW ist auch stets ein Thema: Wie sieht da die Entwicklung aus, gerade in Bezug auf das Baukompetenzzentrum, das man gerne am ehemaligen Obertorzentrum einrichten würde?

Auch wenn es schon viele Gespräche gegeben hat und auch noch viele geben wird, haben wir inzwischen einen großen Schritt gemacht. Der Flächenabgleich hat stattgefunden, es herrscht Einigkeit, was da ist, was gebraucht wird. Jetzt geht es um die Frage nach temporären oder stetig benötigten Flächen. Option A ist nach wie vor das Obertorzentrum, Option B das Areal der Diakonie. Im Endeffekt ist es auch eine Frage des Geldes, aber der Ausbaubedarf wird auf jeden Fall gesehen.

Blicken Sie noch ein bisschen weiter in die Zukunft: Wo würden Sie gerne die Hebel noch mal richtig ansetzen? Welche große Themen, Baustellen, Herausforderungen stehen an?

Eine große Linie sehe ich in der interkommunalen Entwicklung, da wird es weitere Zusammenarbeit geben. Dann wird die Bedeutung von Mosbach als Mittelzentrum zunehmen, was ebenso wie die positive Entwicklung im Bereich der Bevölkerungsentwicklung natürlich auch Herausforderungen mit sich bringt. Im Bereich der Wirtschaft ist es so, dass wir mehr könnten, wenn wir mehr Fläche hätten. Und dann werden wir uns weiter zur Smart City entwickeln – bei ÖPNV/Energie/Digitalisierung – auch wenn mir das Schlagwort gar nicht gefällt.

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