Erster Haushalt mit kommunaler Doppik
Die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg müssen von der Kameralistik zur Doppik - Bis 2020 müssen alle umgestellt haben

Joachim Gornik stellt um: Schon seit 2015 sind der Kämmerer von Waldbrunn und seine Mitarbeiter mit der Einführung des Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens beschäftigt. Foto: Stephanie Kern
Von Stephanie Kern
Waldbrunn. Den ersten "doppischen" Haushalt hat er schon vorgestellt. Das "Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen" (NKHR) wird Waldbrunns Kämmerer Joachim Gornik und seine drei Kollegen in der kleinen Kämmerei wohl noch eine Weile beschäftigen. "Optimal wäre es, wenn man bis zur Umstellung mit allem fertig wäre. Es hat sich aber sehr schnell herausgestellt, dass wir das nicht schaffen", sagt Gornik.
Mit "allem" ist hauptsächlich die Bewertung des "Vermögens" der Gemeinde gemeint: Dorfgemeinschaftshäuser, Grundstücke, Schulen, Rathaus. "Das muss alles bewertet werden", erklärt Gornik. Im September 2015 hat sein Kollege Christoph Mechler federführend mit der Bewertung begonnen. Eine aufwendige Arbeit, die viele andere Gemeinden an externe Dienstleister vergeben. "Man kann nicht sagen, hier haben wir die Schule mit diesem Wert", sagt Mechler. Stattdessen muss das gesamte Grundstück in verschiedene Nutzungsarten aufgesplittet werden (Grünfläche, Sportanlage, Schulgebäude...) und für jede der Wert bestimmt werden. "Es braucht einfach Zeit", so Gornik.
Und mit der Bewertung der 900 Grundstücke alleine ist es dann auch noch nicht getan. So kamen auch im Haushalt die Kostenstellen auf den Prüfstand, einfach übernehmen konnten die Buchführer aus Waldbrunn eigentlich nichts. Etwa 700 Finanzpositionen im Kernhaushalt, 60 im Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Wasserversorgung mussten umgesetzt werden. Hinzu kamen Personenkonten, die zu einem "Geschäftspartner" zusammengefasst wurden (von 9000 Personenkonten auf 4000 Geschäftspartner), die über 100 Personalfälle der Gemeinde mussten überarbeitet werden.
Den Kerngedanken des neuen Haushaltsrechts beschreibt Gornik so: "Es soll der gesamte Ressourcenverbrauch einer Periode durch Erträge gedeckt werden, um nachfolgende Generationen nicht zu belasten." Das bedeutet, dass eine Gemeinde oder Stadt künftig die Abschreibungen erwirtschaften muss, damit spätere Generationen in die Lage versetzt werden, mit den zusätzlichen Mitteln vorhandene Bauwerke zu sanieren bzw. Ersatzinvestitionen vornehmen zu können. Aber, sagt Gornik, "das Land hat uns keine Wahl gelassen. Es gab sogar eine Resolution der Kämmerer." Die wollten die Umstellung am liebsten in abgespeckter Form. "Die Bayern lassen ihren Kommunen die Wahl: Doppik oder erweiterte Kameralistik", erklärt Gornik. Genau das hätten sich die Baden-Württemberger auch gewünscht. Als aber klar war, dass das Land kein Wahlrecht mehr will, habe man gemeinsam mit Limbach, Elztal und Obrigheim den Entschluss gefasst, umzustellen. "Wenn, dann jetzt", sagten sich die Kämmerer der vier Gemeinden. Diese Zusammenarbeit habe bisher auch schon sehr geholfen. Auch die Betreuung durch das Rechenzentrum während der heißen Phase der Umstellung, sei sehr gut gewesen. Wenn jetzt noch ein Problem auftauche, müsste man aber auch schon mal ein paar Tage auf eine Antwort warten.
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Bis 2016 hatten etwa 15 Prozent aller Städte und Gemeinden umgestellt. Meist waren es große Städte und Landkreise. "Das heißt aber auch, dass das Rechenzentrum noch viel zu tun hat, bis alle im Jahr 2020 ans Ziel gekommen sind", meint Gornik. Was Christoph Mechler noch betont: "Im Studium haben wir damals das kamerale System gelernt." Nun müssen sich die Gemeindemitarbeiter alles selbst erarbeiten - von der Zuordnung der Kostenstellen bis hin zum rechtlichen Hintergrund. Auch finanzielle Unterstützung vom Land gab und gibt es für die Umstellung nicht. Die Seminare allein kosteten bis jetzt rund 12.000 Euro - aber vor allem Zeit. Zeit, die man in den Kämmereien aber für die eigentliche Arbeit der Umstellung braucht.
Für Joachim Gornik und Christoph Mechler fast am schwierigsten zu lösen, ist die Frage nach den Produkten. "Was für ein Produkt liefert das Personalamt? Deren Leistung können wir ja nicht verkaufen", so Mechler. Finanziell die größten Auswirkungen werden die Abschreibungen nach sich ziehen. "Die Abschreibungen waren bisher eine ,Nullnummer’, da sie haushaltsintern verrechnet wurden", erklärt Gornik,.
Von einer Mehrbelastung von mindestens 250.000 Euro geht Gornik aus. Den Ergebnishaushalt dauerhaft auszugleichen, die "Schwarze Null" zu erreichen, "das wird bei unseren Verhältnissen (unter anderem Katzenbuckel-Therme, Tourismuseinrichtungen) eine große Herausforderung". Und so müsse man künftig bei jeder Neuanschaffung bedenken, wie man die Abschreibungen später erwirtschaftet. "Bei unserem neuen Feuerwehrauto z. B. bedeutet das Abschreibungen von etwa 10.000 Euro über 20 Jahre - zusätzlich zu den Anschaffungskosten", so Mechler. Die Folge könnte sein, dass die Arbeit im Gemeinderat sich verändert. Man müsse den Räten immer vor Augen führen, wie hoch die realen Kosten für eine Anschaffung, einen Neubau oder eine sonstige Investition sind.
Seit 13. Januar ist das System in Waldbrunn freigeschaltet. Die Eröffnungsbilanz sollte eigentlich bis 30. Juni fertig sein. "Das werden wir nicht schaffen", sagt Joachim Gornik. Und nennt ein Beispiel aus der Nachbarschaft: Die Stadt Eberbach hat zum 1.1.2014 auf Doppik umgestellt. Die Eröffnungsbilanz soll erst im Laufe des Jahres 2017 fertiggestellt werden ...



