Billigheim kämpft für seine Flüchtlinge
19 gut integrierte Iraker müssen zum Jahresende aus Billigheim wegziehen - Viele Billigheimer setzen sich für deren Verbleib ein

Mit der Schere oder dem Akkubohrer: Von den Asylbewerbern im Billigheimer Haus St. Elisabeth haben viele eine feste Arbeitsstelle. Deshalb wollen die 19 Iraker weiterhin im Ort wohnen bleiben. Foto: Christian Beck
Von Christian Beck
Billigheim. Groß war sie, die Furcht von den Fremden, den Flüchtlingen. Wie klappt das mit der Integration und mit dem Deutsch lernen? Und leben sie nur auf Kosten der Allgemeinheit? Diese und weitere Fragen wurden oft gestellt, und sie werden es mancherorten nach wie vor. Auch in Billigheim leben einige Asylbewerber. Und auch dort haben viele Einheimische Bedenken: Sie fürchten, dass "ihre Flüchtlinge" bald wieder gehen müssen.
Ausschlaggebend ist der Mietvertrag, den das Landratsamt mit dem Caritasverband Neckar-Odenwald-Kreis geschlossen hat - dieser ist Eigentümer des Hauses St. Elisabeth in Billigheim, in dem momentan 19 Flüchtlinge aus dem Irak leben. Doch die müssen nach momentanem Stand spätestens zum Jahresende ausziehen, da zu diesem Zeitpunkt der Mietvertrag endet. "Wir brauchen dieses Gebäude nicht mehr", erklärt Dr. Björn-Christian Kleih. Der Erste Landesbeamte ist für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständig. Vor dem Hintergrund der sinkenden Flüchtlingszahlen sei mittlerweile in anderen Unterkünften Platz. Die 19 Iraker, die zum Großteil noch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind und deshalb in die Zuständigkeit des Landratsamts fallen, müssen also umziehen.
Sowohl die Asylbewerber als auch viele Billigheimer sind von diesen Plänen aber alles andere als begeistert: "Wir haben so viel in die Integration investiert", erklärt Cornelia Kautzsch von Asylkreis Billigheim. Ohne jemals einen Cent für ihr Engagement zu bekommen, hat sie mit weiteren Frauen den Irakern Deutschunterricht gegeben und sie an Sportvereine vermittelt. Besonders stolz sind die Frauen, dass sie einen großen Teil der Asylbewerber in Arbeit gebracht haben: "Aktuell haben zehn Jungs eine Stelle", berichtet sie. Bei den anderen neun sei man dran, bei manchen gebe es Pläne oder mündliche Zusagen.
Der springende Punkt: Die Arbeitsplätze sind in Billigheim oder in den Nachbarorten. So macht ein Iraker eine Ausbildung zum Friseur in Schefflenz, andere arbeiten in Billigheim, zum Beispiel als Fliesenleger oder beim örtlichen Bauhof. "Wenn wir weit weg ziehen müssen, können wir nicht mehr zur Arbeit gehen", befürchtet Omar Alaboudi. zusammen mit zwei weiteren Landsleuten arbeitet der 20-Jährige bei der Firma Elektro-Fischer in Allfeld. Sollte sich sein Deutsch weiter verbessern, hat man ihm für das kommende Jahr eine Ausbildung in Aussicht gestellt. "Die Arbeit ist uns wichtig", fügt Alaboudi noch hinzu. "Wir wollen nicht, dass die Regierung Geld für uns ausgibt", betont er.
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Doch es geht nicht nur um die Arbeitsplätze: Sowohl die Asylbewerber selbst, als auch viele Billigheimer berichten unabhängig voneinander, dass das Zusammenleben gut funktioniert. Ob Hochwasser, Blutspendeaktion oder Dorfputz: Die Iraker sind dabei. "Die helfen fleißig mit, einige sind sehr ehrgeizig", bestätigt Anna-Luise Bauer von der Interessengemeinschaft "Billinger Plattform". Und auch Billigheims Bürgermeister Reinhold Berberich ist von der gut funktionierenden Integration angetan und setzt sich daher seit längerem für einen Verbleib der Iraker in Billigheim ein.
"Wir streben an, dass die Integrationsbemühungen nicht torpediert werden", erklärt Kleih auf RNZ-Nachfrage. Dazu gehöre, dass Asylbewerber mit dauerhaftem Beschäftigungsverhältnis in Reichweite zu ihrer Arbeitsstelle untergebracht werden. Der Erste Landesbeamte hält es für denkbar, dass die Iraker künftig in Allfeld oder Sulzbach wohnen könnten - dort gebe es aktuell freie Plätze. Entschieden ist aber noch nichts.
Cornelia Kautzsch zeigt sich dementsprechend skeptisch und bemängelt fehlende Unterstützung: "Wir fühlen uns als Ehrenamtliche ein Stück weit im Stich gelassen." Zusammen mit den anderen Frauen vom Asylkreis Billigheim will sie weiter dafür kämpfen, dass die Flüchtlinge im Ort bleiben können. Denn sie befürchten, dass nach dem Wegzug der Iraker bald andere Asylbewerber kommen könnten, die wieder von neuem integriert werden müssen.