Bauschutt des Kernkraftwerks Obrigheim: "Die Faktenlage ist eindeutig"
Die EnBW bezieht Stellung zur Diskussion um die Reststoff-Verwertung beim Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim.

Alles muss raus: Im Zuge des seit 2008 laufenden Rückbaus des Kernkraftwerks Obrigheim (KWO) wird auch die charakteristische Kuppel irgendwann verschwinden. Im RNZ-Gespräch erläutert eine Pressesprecherin des Betreiberkonzerns EnBW, wie man die aktuelle Diskussion um Bauschuttverwertung bewertet. Und wie man zu möglichen Alternativen steht. Fotos: schat
Von Heiko Schattauer
Obrigheim/Buchen. Auch im Rückbaumodus bleibt das Kernkraftwerk Obrigheim (KWO) ein Streitobjekt. Inzwischen sind es die Reststoffe aus 37 Betriebsjahren, die für Kontroversen sorgen. Die RNZ hat beim Energiekonzern EnBW als Betreiber nachgefragt, Pressesprecherin Friederike Eggstein erläutert, wie man die aktuellen Diskussionen um Bauschutt und Co. bewertet.
Thema Bauschutt: In Buchen regt sich Widerstand gegen die Annahme von Bauschutt aus dem KWO auf der Deponie Sansenhecken. Verfolgt man seitens der EnBW diese Entwicklungen bzw. wie reagiert man darauf?
Die Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht und gewährleistet, dass jeder seinen Standpunkt äußern kann. Das begrüßen wir ausdrücklich. Abseits von Standpunkten gibt es gesetzliche Regelungen und Vorschriften, die zu beachten sind. In Bezug auf das Abbaumaterial des KWO ergeben sich aus diesen gesetzlichen Regelungen und Vorschriften verschiedene Materialkategorien und jeweilige Entsorgungswege. Die EnBW hält sich an diese Vorgaben. Wir legen Wert auf die Feststellung, dass die Vorgaben nicht von uns gemacht werden.
Auch die Landesärztekammer spricht sich nun wieder gegen eine Deponierung von freigemessenem Abbaumaterial aus. Unter anderem sagt man: Auch "vermeintlich geringe Strahlenmengen" könnten schaden. Ihre Einschätzung fällt da sicher anders aus…
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Die Thematik ist jüngst in einem vom Umweltministerium BW beim Öko-Institut in Auftrag gegebenen Gutachten behandelt worden. Das Ministerium hat die Ergebnisse veröffentlicht und bewertet. Dem ist unsererseits nichts hinzuzufügen.
Wäre ob all dieser Diskussionen und zum Teil wohl auch Ängste nicht eine Deponierung vor Ort sinnvoller?
Die Faktenlage - wir verweisen auf die genannten Gesetze, Vorschriften, Gutachten und auch auf die neu eingeführte Handlungsanleitung - ist klar und eindeutig. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nicht. Eine Deponierung vor Ort entspräche nicht den Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und hätte auch darüber hinaus keine rechtliche Grundlage.
Im Zuge der Diskussion um die weitere Behandlung des Abbauschutts kam die Frage auf: Warum muss man das KWO - gemeint war das Reaktorgebäude - überhaupt abreißen?
Anders als in Verwaltungsgebäuden oder auch im ehemaligen InfoCenter des KWO wurde im Reaktorgebäude während des Betriebs mit Radioaktivität umgegangen. Eine Nachnutzung eines solchen Gebäudes für andere Zwecke erscheint damit sehr unwahrscheinlich. Gleichzeitig verfügen wir über geeignetes Personal, das einen Abriss kompetent bewerkstelligen kann.
Ähnlich großer Widerstand wie bei der Bauschutt-Deponierung ist in Bezug auf die geplanten Castortransporte von Obrigheim nach Neckarwestheim absehbar. Wäre vor diesem Hintergrund nicht doch ein Standort-Zwischenlager vor Ort (wie ja einst auch geplant) die konsensfähigere Lösung?
Bei den für die Deponierung vorgesehenen Reststoffen und bei den abgebrannten Brennelementen handelt es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Stoffkategorien, und auch die Entsorgungswege sind gesetzlich völlig unterschiedlich. Deshalb können wir hier keinen Zusammenhang erkennen.
Ganz ohne Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Stoffkategorien: Warum ist ein Standort-Zwischenlager für die Castoren keine Option mehr?
Seit 2013 befassen wir uns mit den Überlegungen zur Verlagerung der Obrigheimer Brennelemente. Im Juni 2016 haben wir informiert, den Transport per Schiff ins Standort-Zwischenlager des Kernkraftwerks Neckarwestheim (GKN) umsetzen zu wollen und damit den Rückbau in Obrigheim schneller zu realisieren. Vorbehaltlich der noch ausstehenden Transportgenehmigung haben diese Entscheidung und die hierfür genannten Gründe weiterhin unverändert Gültigkeit: Wir sind davon überzeugt, dass ein solcher Transport sicher und verantwortlich machbar ist. Der Standort Obrigheim kann schneller zu einer nicht-nuklearen Industriefläche, also der sprichwörtlichen "grünen Wiese" werden. Der Abtransport der Brennelemente unterstützt zudem maßgeblich den weiteren verzögerungsfreien Rückbau.
Also weiter mit dem Transferplan: Gibt es denn schon Neuigkeiten in Sachen Transportgenehmigung für die 342 Brennelemente von Obrigheim ins Zwischenlager Neckarwestheim?
Nein, wir warten unverändert auf den Erhalt der Transportgenehmigung.
Hintergrund
Was steckt hinter dem Begriff "Gravity Power"? Zunächst einmal ein amerikanisches Unternehmen, das eine neue Form der Energiespeicherung und -abgabe etablieren will. Im bayerischen Weilheim entsteht derzeit eine Pilotanlage: Unterirdisch soll ein 100 Meter tiefer Schacht mit
Was steckt hinter dem Begriff "Gravity Power"? Zunächst einmal ein amerikanisches Unternehmen, das eine neue Form der Energiespeicherung und -abgabe etablieren will. Im bayerischen Weilheim entsteht derzeit eine Pilotanlage: Unterirdisch soll ein 100 Meter tiefer Schacht mit knapp 10 Metern Durchmesser gebaut werden. Die Schachtwand besteht aus wasserdicht versiegeltem Stahlbeton. Zum Speichern von Energie wird ein 5 000 Tonnen schwerer Kolben hydraulisch nach oben gedrückt. Beim Abrufen der Energie senkt sich der Kolben, drückt Wasser zurück durch eine Turbine.
Beschäftigt man sich bei der EnBW denn mit Alternativmöglichkeiten der Entsorgung/Weiterverwendung von Abbaumaterial? Eine Option wäre doch das Prinzip von Gravity Power (in Bayern gibt es ja bereits ein Pilotprojekt)? Hat man darüber denn mal für das KWO oder andere Standorte angedacht?
Das Konzept von Gravity Power ist der EnBW bekannt. Aus unserer Sicht ist die Umsetzung eines solchen Konzepts noch mit großen technischen und umweltrechtlichen Herausforderungen und Unsicherheiten verbunden, so dass darin keine reale Alternative besteht.
Für den Laien klingt das doch aber recht simpel: Ein Gutteil des anfallenden Betonmaterials könnte für die neue Anlage verwendet werden, der Anschluss ans Stromnetz besteht bereits, die Art der Energiespeicherung und -abgabe klingt nachvollziehbar. Wo genau sieht man also die Unsicherheiten?
Die Technik von Gravity Power ist aus unserer Sicht noch nicht ausreichend erprobt, um von einem technisch ausgereiften, bewährten Verfahren zu sprechen. Damit ist die erforderliche Planbarkeit und Klarheit nicht gegeben, die bei dieser Thematik nicht nur für uns, sondern auch z.B. für das kommunale Umfeld nötig ist. Gleichzeitig ist die Umsetzung dieser Technik mit nicht unerheblichen Eingriffen in die Natur verbunden, so dass bei genauerer Betrachtung die gesellschaftliche Akzeptanz womöglich geringer ist als der gesetzlich definierte und von Umweltministerium und Öko-Institut als unbedenklich bewertete jetzige Entsorgungsweg.



