Einblick in die Arbeitswelt gefiel manchem besser als Schule
Der Arbeitslohn geht an den Jugendfonds im Landkreis.

Von Ann-Kathrin Frei
Mosbach. Um 8 Uhr sind die Mädels und Jungs in ihren ersten Arbeitstag beim Autohaus Gramling in Neckarelz gestartet – der Feierabend ist noch fern, und auch der Lohn wandert woanders hin. Der wird nämlich bei der Aktion "Mitmachen Ehrensache" gespendet. Bei Gramling haben in diesem Jahr gleich sechs Jugendliche für die gute Sache gearbeitet. Schon eine Stunde früher als die "Kollegen" im Autohaus stand Marlon auf der Matte – im Metallbaubetrieb Peter Vogel begann der Arbeitstag bereits um 7 Uhr. Auch in mehreren weiteren Unternehmen in der Region brachten sich Mitmacherinnen und Mitmacher fleißig und selbstlos ein.
"In diesem Jahr haben wir überdurchschnittlich viele Jugendliche in unseren Betrieben", erzählt Sibylle Brauch vom Autohaus Gramling. Sie war es auch, die den Arbeitstag für die Schützlinge organisierte. "Es ist wirklich lobenswert, dass die Mädchen und Jungen ihren Lohn spenden. Das wollen wir natürlich unterstützen und wissen schon jetzt, dass wir nächstes Jahr wieder dabei sein werden", lobt Brauch den ehrenamtlichen Einsatz der Jugendlichen.
Ihr war es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler in alle Bereiche hineinschnuppern können, die sie interessieren. "Egal, wo sie im Betrieb sind, sie werden immer von unseren Kolleginnen und Kollegen angeleitet", betont Brauch. Allein ans Werk gehen dürfen sie noch nicht. "Aber natürlich schauen wir, wer sich gut anstellt. Und der oder die hat dann gute Chancen bei der Bewerbung um ein Praktikum bei uns."
Elano und Johannes wollten beide in die Autowerkstatt. Ihr Fazit des Tages: "Sehr cool und besser als in der Schule". Beide haben zugesehen, wie ein Turbolader ausgebaut wurde, haben beim Reifenwechsel geholfen, Luftdruck gemessen. "Wir wurden gut an die Hand genommen", loben die beiden. Das Autohaus als Arbeitsplatz ist es geworden, weil bei beiden Familienmitglieder im Betrieb arbeiten. Und auch die Zukunftspläne der Jungs gehen in diese Richtung. "Wir können uns gut vorstellen, in diesem Bereich eine Ausbildung zu machen". Die Lieblingsautomarke der beiden steht auch schon fest ...
Thomas wiederum wollte direkt in die Lkw-Werkstatt. "Mein Vater hat eine Firma und auch viele Lastwagen. Es macht mir Spaß, daran zu arbeiten", erzählt er. "Und ich will etwas lernen." Sein Anleiter ist voll des Lobes: "Er kennt sich schon richtig gut mit den Lkws aus und schafft wie ein Brunnenputzer."
Für Fabienne ging’s ins Büro des Autohauses, wo sie ins Rechnungswesen und die Buchhaltung schnupperte. Auch Ablage oder der Postversand gehörten zu ihren Aufgaben. "Hier sind alle sehr nett", lobt sie ihre Kolleginnen für einen Tag. Auch sie kann sich vorstellen, später einmal in diesem Bereich zu arbeiten.
Im Metallbaubetrieb von Peter Vogel ist erstmals ein "Ehrensache-Schüler" in Aktion. "Marlon hat bei uns nachgefragt und sich dann beworben", erklärt Vogel. Auch in Zukunft würde er sich über weitere Helfer freuen: "Wir sind immer froh, wenn sich jemand für unser Handwerk interessiert." Marlons Arbeitstag startete nicht nur pünktlich um 7 Uhr, sondern endete auch erst um 16 Uhr. Obwohl Peter Vogel ihm angeboten hatte, später anzufangen.
"Ich wollte mal wissen, wie es ist, richtig zu arbeiten. Deshalb wollte ich einen ganz normalen Arbeitstag erleben", erklärt der fleißige Schüler. Er kann bereits auf ein Praktikum im Elektrobereich zurückblicken. "Aber ich will einfach mal in jedes Gewerk reinschauen." Später will er auch in diese Richtung gehen; ob es genau Metall wird, weiß er noch nicht, "Hauptsache bauen".
Gebaut hat Marlon bei Peter Vogel. Zusammen mit einem Mitarbeiter setzte er eine Stahltreppe zusammen, sägte Flachstahlplatten zu, bohrte Löcher. "Er darf richtig mitarbeiten. Alles, was man abgeben kann, wo die Verletzungsgefahr nicht so groß ist, darf er machen", erklärt Peter Vogel.
Wie für Marlon war es auch für Fabienne, Elano, Johannes und Thomas – und alle weiteren Aktionsbeteiligten in weiteren Betrieben – ein langer, aber auch aufregender Tag. Der noch dazu einem guten Zweck diente.
Diese Aktion trifft genau ins Schwarze
"Wir alle müssen größtes Interesse daran haben, dass Schülerinnen und Schüler möglichst früh einen Blick in die Arbeitswelt werfen", sagte Landrat Dr. Achim Brötel anlässlich der kreisweiten Aktion. Brötel ist zusammen mit Oliver Caruso Schirmherr der Aktion, deren Stärke sei, dass "dies gleich auch mit dem Einsatz für die gute Sache verbunden wird". Denn der Arbeitslohn für die Jugendlichen geht an den Jugendfonds des Landkreises. Die so generierten Mittel stehen dann vollumfänglich für Projekte der Jugendarbeit – etwa in Schulen oder Vereinen – zur Verfügung.
Einer von den Jugendlichen, die erste Einblicke in das Arbeitsleben erhielten, ist Luca Slepkowitz aus Buchen. Der 13-jährige Schüler des Burghardt-Gymnasiums schnupperte in die Arbeitswelt der RNZ-Redaktion in Buchen. "Ich habe mich schon immer für den Journalismus interessiert und bin leidenschaftlicher Leser der RNZ", verriet Luca.
"Also nutzte ich die Chance, die sich mir durch den Aktionstag bot. Die Redaktion gewährte mir einen umfangreichen Einblick hinter die Kulissen und die Produktion, und ich durfte Artikel verfassen und die Journalisten zu Terminen begleiten.", so der Schüler weiter. "Die Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht, weil ich von Anfang an in die Arbeit eingebunden wurde. Ich könnte mir auch für die Zukunft vorstellen, im Bereich des Journalismus zu arbeiten. Der Job ist sehr vielfältig, das gefällt mir."
In der Bäckerei Slepkowitz in Hettingen zeigte sich die zwölfjährige Schülerin Lena Siegert aus Buchen begeistert bei der Arbeit. "Ich wusste von Anfang an, dass ich nach Hettingen in die Bäckerei will, weil mein Opa leidenschaftlich backt und ich mich dadurch sehr für das Bäckerhandwerk interessiere. Da mir die Arbeit Spaß macht, könnte ich mir durchaus vorstellen, später in diesem Bereich tätig zu sein." Sie erhielt einen Einblick in die Herstellung von Christstollen und Brezeln und half bei der Verpackung des Gebäcks.
Auch bei der Firma HDAO aus Osterburken waren zwei Schüler: Dominik Kiss und Maxim Stecklein von der Realschule Osterburken durchliefen dabei unterschiedliche Stationen in der Fertigung von Schaltschränken. Dabei wurden zum Beispiel Kabel abisoliert und Stecker "gecrimpt", um anschließend den Schaltschrank zu verdrahten – eine Crimp- oder Abisolierzange hielt vorher noch keiner der Schüler in der Hand. Außerdem wurden Bauteile auf eine Platine gelötet. Der Einsatz des Lötkolbens war da schon etwas vertrauter, denn diesen kannten die Schüler bereits aus dem Technikunterricht in der Schule.
Ausbilderin Theresa Haaf fasst die Teilnahme als Erfolg zusammen: "Die Jungs haben uns tatkräftig unter die Arme gegriffen, indem sie viele Kabel vorbereitet und angeschlossen haben. Wenn sie damit etwas für den guten Zweck tun und sich gleichzeitig für technische Berufe begeistern, hat wirklich jeder etwas von dem Aktionstag."