Johannes-Diakonie Mosbach

"Von Auflösung kann keine Rede sein"

Johannes-Diakonie Mosbach befindet sich im tiefgreifenden Veränderungsprozess

23.08.2017 UPDATE: 24.08.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden

Erweitertes Angebot: Auf dem Areal in Mosbach finden sich längst nicht mehr nur Einrichtungen für Behinderte.

Von Heiko Schattauer

Mosbach/Schwarzach. Die "Anstalt für schwachsinnige Kinder" gibt es längst nicht mehr. Auch die Johannes-Anstalten sind inzwischen Geschichte. Seit 2010 firmiert die 1880 gegründete Einrichtung für Menschen mit Behinderung als Johannes-Diakonie. Doch nach fast 140 Jahren des Bestehens geht es um viel mehr als um Bezeichnungen und Organisationstitel. Die Johannes-Diakonie steckt mitten in einem gewaltigen Prozess des Wandels. Der "Konversionplan 2035", für die Einrichtung der Leitfaden der Veränderung, ist schon in seiner Präsentationsversion fast 30 Seiten stark.

Hintergrund

Die Johannes-Diakonie Mosbach ist die größte Einrichtung für Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg. Neben den Komplexeinrichtungen in Mosbach und Schwarzach hält man dezentrale Betreuungsangebote in Nord- und Mittelbaden vor, insgesamt gibt es aktuell 1750 Wohnplätze

[+] Lesen Sie mehr

Die Johannes-Diakonie Mosbach ist die größte Einrichtung für Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg. Neben den Komplexeinrichtungen in Mosbach und Schwarzach hält man dezentrale Betreuungsangebote in Nord- und Mittelbaden vor, insgesamt gibt es aktuell 1750 Wohnplätze (1550 im NOK), 2200 Werkstatt-/Tagesbetreuungsplätze. Rund 2800 Mitarbeiter sind derzeit in der Einrichtung beschäftigt, die Mitarbeiterstärke soll auch in der Konversion nahezu unverändert bleiben. Veränderte Vorgaben für die Betreuung von Menschen mit Behinderung bedingen bei der Johannes-Diakonie große Veränderungsprozesse. Wesentliche Punkte sind dabei die Teilhabe Behinderter am "normalen" Leben sowie die Dezentralisierung.

[-] Weniger anzeigen

"Die Veränderungen sind tief greifend - und wir können sie nur mit möglichst großer Transparenz umsetzen", sagt Dr. Hanns-Lothar Förschler, der Vorstandsvorsitzende der Johannes-Diakonie Mosbach. Klar ist dabei schon jetzt: Die Konversion, die man bereits vor Jahren angestoßen hat, wird ein langer Prozess, der viel Geld und Anstrengungen kosten wird. "Und nicht alles, was wir machen bzw. machen müssen wird sofort Begeisterung auslösen", weiß Förschler.

Ein aktuell intensiv diskutiertes Feld des Wandels ist die "Inklusion nach innen". Gesellschaftliches Leben soll also "rein" in die Johannes-Diakonie. Mit der Dualen Hochschule am Hauptstandort ist in Mosbach schon derlei Leben eingezogen, auch das Begegnungszentrum "fideljo" oder die Jugendfarm in Schwarzach sind Teil dieser Veränderung. Mit der Ansiedlung des Pfalzgrafenstifts auf dem Areal soll nun ein weiterer Schritt in diese Richtung gemacht werden. Dem man später in Form eines kleinen, in Richtung Dresdner Straße wachsenden Baugebiets einen weiteren folgen lassen will. Damit soll dann auch räumlich/baulich die direkte Verbindung zur Stadt geschaffen werden.

Der Wandel hat natürlich vielschichtige Hintergründe. "Was sich in den letzten Jahren alles verändert hat, ist nicht immer einfach zu vermitteln", verweist Jörg Huber, Pädagogischer Vorstand der Johannes-Diakonie, auf die Komplexität der Vorgaben und Voraussetzungen. Man müht sich dennoch um Aufklärung: Als Komplexeinrichtung (die sie über viele Jahre fast ausschließlich war) hat die Johannes-Diakonie "eigentlich keine Daseinsberechtigung mehr" (Förschler). Die politischen Vorgaben sehen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention (aus dem Jahr 2009) inzwischen eine grundlegend andere Betreuung von Menschen mit Behinderungen vor. Der Paradigmenwechsel bedingt enorme strukturelle Veränderungen, gefordert werden heute gemeinde- und wohnortnahe ambulante und stationäre Angebote. Über allem soll das Normalitäts- und Teilhabeprinzip stehen, Menschen mit Behinderung sollen möglichst normal am Leben teilhaben können. Und das eben nicht mehr in einer großen, zentralen Komplexeinrichtung wie am Hauptstandort im Mosbacher Osten oder am Schwarzacher Hof.

Auch interessant
Pfalzgrafenstift Mosbach: Stellungnahme des Seniorenbeirats zur Diskussion um den Neubau
Pfalzgrafenstift Mosbach: Oberbürgermeister Jann über den Neubau des Altenzentrums
Altersgerechtes Wohnen als Ziel: Berliner Unternehmen an Mosbacher Pfalzgrafenstift interessiert
Mosbach: Grünes Licht für Neubau des Pfalzgrafenstifts
Pfalzgrafenstift Mosbach: Neubau auf dem Gelände der Johannes-Diakonie geplant

Aber die Johannes-Diakonie Mosbach ist nun mal die größte Komplexeinrichtung für Behinderte in ganz Baden-Württemberg. "Und genau deshalb sind wir natürlich besonders im Fokus", skizziert der Vorstandsvorsitzende, dass das Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg sehr genau hinschaut, was sich in Mosbach und drumherum tut. Die Dezentralisierung ist dabei ein ganz wesentlicher Faktor. Etliche "personen-orientierte, kleinere Wohneinheiten" hat die Johannes-Diakonie in der Region schon geschaffen, weitere sind in Arbeit bzw. Planung. Der zweite Teil der Doppelstrategie ist eine Verkleinerung und Spezialisierung der Zentralstandorte in Mosbach und Schwarzach. In Zahlen bedeutet das: Bis 2020 sollen 300 dezentrale und 900 zentrale Plätze vorhanden sein. In den darauffolgenden Jahren soll dann am Ziel 600/600 (dezentral/zentral) gearbeitet werden. Geplant sind demnach weitere zwölf regionale Häuser mit je 24 Plätzen, in den Zentraleinrichtungen in Mosbach und Schwarzach soll parallel massiv in die Sanierung der Gebäude (Stichwort Landesheimbauverordnung) investiert werden. Denn die Nachfrage nach Plätzen in der Komplexeinrichtung sei "unverändert hoch", schildert Förschler.

Von einer "Auflösung" der Einrichtungen in Mosbach und Schwarzach, über die immer mal wieder spekuliert wurde und werde, könne also "überhaupt keine Rede" sein. Massive Verschiebungen wird es aber sehr wohl geben: Gab es 2009 in Mosbach noch 527 und in Schwarzach noch 800 Plätze, sollen es - in Abstimmung mit dem Sozialministerium - im Jahr 2035 nur noch 287 bzw. 399 sein. Die Angebote der Johannes-Diakonie wandern also nach draußen, die Landkarte der Standorte wird wachsen, von Mannheim über Karlsruhe bis in den Ortenaukreis.. Menschen mit Behinderung sollen möglichst heimatortnah betreut werden und leben. "Das ist die angestrebte Dezentralität", kommentiert Förschler.

In Mosbach und Schwarzach will man diese Dezentralität im Kleinen vollziehen. Mit DHBW, BBW, fideljo, Pfalzgrafenstift und möglichem Baugebiet will man "an die Stadt heranwachsen", einen kleinen "inklusiven Stadtteil" bilden. Auch in Schwarzach will man sich räumlich annähern. Für Hanns-Lothar Förschler und Jörg Huber steht dabei (ob der veränderten Vorgaben) der pragmatische Ansatz im Vordergrund, weniger ein ideologisches Idealbild. Zumal man sich durchaus bewusst ist, "dass es eine Generation braucht, bis die bei vielen immer noch vorhandene Trennung ’zu denen da draußen’ aufgeweicht wird."

Dafür wollen die Verantwortlichen der Johannes-Diakonie auch weiter selbst ihren Beitrag leisten, pragmatisch - und mit (mehr) Transparenz.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.