Anthroposophisches Heilzentrum eröffnet
In der alten Schneidmühle Hirschhorn praktiziert jetzt mit neuen Heilverfahren ein Team aus Ärzten, Psychologin, Heilpraktiker, Therapeuten.

Von Elisabeth Murr-Brück
Hirschhorn. Von der Hainbrunner Straße sind es nur ein paar Meter rechts ab über eine kleine Brücke am Finkenbach zur alten Schneidmühle. Es fühlt sich an wie der Übergang in eine andere Welt. Zeitmaschine rückwärts, Ruhe, Beschaulichkeit, Idylle. 500 Jahre war die Mühle ein wirtschaftliches Zentrum in Hirschhorn, jetzt sieht es aus, als sei die Zeit oben an der Straße an ihr vorbeigezogen. Im Winter vor drei Jahren sah der Arzt Christoph Broens das Anwesen zum ersten Mal und erkannte praktisch auf Anhieb das Potenzial dieser Liegenschaft. Am Sonntag hat er hier das Michael-Heilzentrum eröffnet. Ein Therapie-Ort für medizinische Behandlung auf der Grundlage der Anthroposophie soll es sein, erweitert um neue Heilverfahren, falls erforderlich werden schulmedizinische Maßnahmen mit einbezogen (wir berichteten).
Im schweizerischen Baden hat der Internist und Allgemeinmediziner eine anthroposophisch ausgerichtete Praxis. Besonders nachgefragt ist seine Behandlung von Tumor-Patienten mit Hyperthermie (künstlichem Fieber) in der angeschlossenen Tagesklinik, nun bietet er das Verfahren auch in Hirschhorn an. Wie die Schweizer Praxis soll das Michael-Heilzentrum schwerpunktmäßig ein Anlaufpunkt für Menschen mit chronischen und psychischen Erkrankungen sein, aber auch eine klassische hausärztliche Versorgung ist hier möglich. Angeboten wird zudem eine begleitende Unterstützung für Patienten, die den Wunsch haben, über ihre Behandlung anderenorts ausgiebig und in Ruhe zu sprechen und sich zu informieren.
Drei Ärzte mit schulmedizinischer und anthroposophischer Ausbildung, ein Medizinstudent, eine Psychologin, Heilpraktiker und ein großes Team von Therapeuten unterschiedlicher Fachrichtungen arbeiten in der Einrichtung.
Auch die Alternativ-Medizin werde immer technischer, die Distanz zu den Menschen immer größer, sagt Christoph Broens. Eine Möglichkeit für einen unmittelbaren Zugang zu den Patienten, aber auch der Patienten zu sich selbst sieht er in zwei neuen körpertherapeutischen Ansätzen, die das anthroposophische Behandlungsspektrum erweitern.
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Anthropofonetik soll Heilungsprozesse durch Klang und Berührung in Gang setzen, Logra (Logos Gradualis, der Stufenweg zum Logos=Sinn) will über Bewegungen zur Selbstfindung, zu Ruhe, innerem Gleichgewicht und innerer Kraft führen. Team-Mitglied Hartmut Endlich, der nach vielen Jahren in Krankenhäusern und als Notfallmediziner seit 28 Jahren eine Praxis als Allgemeinarzt mit integrativer anthroposophischer Medizin führt, berichtet von immer wieder erstaunlichen Heilerfolgen, die er mit der Körpertherapie erzielt.
Die anthroposophische Medizin basiert auf den Lehren von Rudolf Steiner. Zusätzlich zur schulmedizinischen Sicht auf physische Abläufe sollen "Lebenskräfte" und damit Selbstheilungskräfte gestärkt werden. Seelische Belange sind Teil der Behandlung mit dem Ziel einer Selbst-Entwicklung. Die Wechselwirkung zwischen körperlicher und seelischer Befindlichkeit ist auch in der Schulmedizin als "Psychosomatik" unbestritten, erhält hier aber durch künstlerische Ausdrucksformen einen besonderen Stellenwert.
Wenn sich jemand aber dennoch nicht auf die Gedankenwelt der Anthroposophie einlassen mag? "Wirken die Verfahren trotzdem", sagt Christoph Broens. In seiner Schweizer Praxis behandelt er häufig Männer, die nur auf Drängen ihrer Frau kommen. Manche öffnen sich, andere nicht. Über diese Brücke muss niemand gehen.
Die Behandlung muss selbst bezahlt werden, die Tarife entsprechen den Gebührenordnungen. Geplant ist aber ein Fonds für Bedürftige, bei finanziellen Schwierigkeiten werde kooperativ nach Lösungsmöglichkeiten gesucht.
Praktiziert wird in Hirschhorn vorerst nur im Erdgeschoss des ehemaligen Knechthauses (jetzt "Haus Fichte"), das Obergeschoss und vor allem das Haupthaus ("Haus Sonne") sollen im Frühjahr 1923 bezugsfertig sein. Dort, wo früher Stallungen waren, ist ein Anbau geplant. Christoph Broens geht davon aus, dass die Therapieräume sonst bald nicht mehr reichen würden. Ein Heilkräuter-Garten und einer für Gemüse nach Demeter-Richtlinien sollen noch angelegt werden, die Gemeinde will zeitnah den Finkenbach, der durch das Grundstück fließt, renaturieren. Dort sollen dann noch ein Kneipp-Becken und eine Badestelle entstehen.