Gundelsheim

Wird der Steinbruch doch noch erweitert?

Die Gemeinderäte kritisieren einen Imagefilm mit Ministerpräsident Kretschmann. Die BWS hält an den Ausbauplänen fest.

15.09.2023 UPDATE: 15.09.2023 06:00 Uhr 3 Minuten
Wird der Steinbruch in Gundelsheim um zehn Hektar erweitert, ist der Betrieb für bis zu 25 weitere Jahre gesichert. Symbolfoto: dpa

Von Caspar Oesterreich

Gundelsheim. Das Nein des Gundelsheimer Gemeinderates war eindeutig: Mehrheitlich sprachen sich die Räte nach hitziger Debatte Ende März gegen die Verpachtung von knapp fünf Hektar Stadtwald und damit auch gegen die Erweiterung des Gundelsheimer Steinbruchs aus. Zu groß waren die Bedenken, dass der Abbau von Muschelkalk östlich des aktuellen Betriebs die Wasserversorgung der Stadt verschlechtern könnte.

Die baden-württembergischen Steinbruchbetriebe (BWS) sehen das anders und halten weiter an ihrem Vorhaben fest. Insgesamt zehn Hektar Stadt- und Staatswald sollen für die neue Abbaufläche weichen und den Betrieb in Gundelsheim für bis zu 25 weitere Jahre sichern. Laut der Interessensgemeinschaft "Wald und Wasser Gundelsheim" hatte das Unternehmen 2018 auf einer Informationsveranstaltung im katholischen Gemeindehaus zwar versprochen, sich an jede Entscheidung des Gemeinderates in dieser Sache zu halten. Doch das scheint mittlerweile vergessen.

Den Genehmigungsantrag für den erweiterten Abbau hat BWS bisher nicht zurückgezogen. Er sei "in Bearbeitung", wie das Landratsamt Heilbronn bestätigt. Und auch in einem knapp 30-minütigen, erst Mitte August veröffentlichten Imagefilm propagier(t)en die Steinbruchbetreibe das Vorhaben munter weiter – samt lobenden Worten für die regionale Rohstoffgewinnung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Aber hat die beabsichtigte Erweiterung überhaupt noch eine Chance? Immerhin hat sich die Mehrheit der Gundelsheimer Gemeinderäte klar dagegen ausgesprochen, dem Unternehmen den Abbau im Stadtwald zu ermöglichen.

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Als einzige Option bleiben aktuell die 5,2 Hektar Staatswald übrig, wobei das Areal nur über den städtischen Wald erreichbar wäre. Danach gefragt, schweigt man bei BWS: "Bitte sehen Sie es mir nach, dass wir uns momentan nicht über Pressemedien weiter äußern möchten", schreibt Christa Szenkler, Leiterin der Abteilung Umwelt und Rohstoffe bei BWS, per E-Mail. Wie weit die Verhandlungen über den Abbau im Staatswald fortgeschritten sind, konnte auch Dieter Hellmann, Leiter des Forstbezirks Odenwald bei ForstBW, nicht zeitnah beantworten. "Der Kollege aus dem Liegenschaftsamt, der das Verfahren bei uns betreut, ist noch im Urlaub", erklärt er am Telefon.

In Teilen des Gemeinderats wird derweil spekuliert, dass man bei den baden-württembergischen Steinbruchbetrieben schlicht auf Zeit spielt. Im kommenden Jahr stehen schließlich die Kommunalwahlen an. Sollten sich dann die Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament ändern, könnte Bürgermeisterin Heike Schokatz die Steinbrucherweiterung wieder auf die Tagesordnung setzen, so die Befürchtung der Kritiker.

Dass die Rathauschefin Befürworterin der Erweiterung ist, wurde bei der Sitzung Ende März mehr als deutlich: Nachdem Schokatz den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Armin Englert für befangen erklärt und in den Zuschauerraum verbannt hatte, gab sie BWS-Geschäftsführer Baptist Schneider vor der Abstimmung die Möglichkeit, die Vorteile einer Erweiterung aufzuzählen. "Das gebührt das gute Miteinander, die BWS ist immerhin unmittelbar betroffen", erwiderte Schokatz damals auf den Widerspruch aus verschiedenen Fraktionen.

Was einigen Räten mindestens genauso sauer aufstößt, sind die Aussagen von Winfried Kretschmann in dem aufwendig produzierten, mit Luftaufnahmen und emotionaler Musik unterlegten Imagefilm der BWS. Voll des Lobes spricht der Ministerpräsident über regionalen Rohstoffabbau und die damit verbundenen kurzen Transportwege.

Und auch die Aufforstung mit klimaresistenteren Bäumen nach dem Abbau sei eine tolle Sache. Ferner kommen einige als unabhängig bezeichnete Gutachter in dem Film zu Wort, die eine Gefährdung der Waldwiesenquellen ausschließen und stattdessen zahlreiche Vorteile für die Natur durch den Steinbruch betonen. Das ablehnende Votum des Gemeinderates wird allerdings mit keiner Silbe erwähnt.

"Der Streifen ist klasse gemacht, gute Werbung für unsere Stadt", sagt Gemeinderat Ulrich Heinz. Dass der Ministerpräsident trotz einer demokratisch getroffenen Entscheidung scheinbar zur Erweiterung Stellung bezieht, sei aber "ein Unding. Da fühlt man sich schon ziemlich auf den Schlips getreten."

Gemeinderat Jürgen Koß äußert sich "schockiert von den Aussagen Herrn Kretschmanns – sofern sie die BWS nicht aus dem Zusammenhang gerissen hat". Ein Ministerpräsident dürfe kommunalpolitische Entscheidungen nicht ignorieren und sich stattdessen auf die Seite eines privatwirtschaftlichen Unternehmens stellen. Faiza Schardey schrieb Kretschmann sogar direkt an: "Wie kommt es dazu, dass Sie sich hier involvieren?", wollte die Gemeinderätin wissen. Von einem grünen Ministerpräsidenten erwarte man "als Wähler und Bürger eine differenzierte Stellungnahme auch unter Einbeziehung der Werte des Naturschutzes".

Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, teilt eine Regierungssprecherin mit: "Die Aufnahmen sind im Rahmen eines Interviews am 23. September 2020 anlässlich des Jubiläums des Industrieverbands Steine und Erden entstanden. Dem Staatsministerium war nicht bekannt, dass die Aufnahmen im vorliegenden Sinne verwendet werden." Grundsätzlich stehe der Ministerpräsident zu allem, was im Interview gesagt wurde. Aber er halte es für falsch, "bei dieser regionalen Entscheidung den Eindruck zu erwecken, Partei zu ergreifen". Die BWS habe "dafür vollstes Verständnis gezeigt und angeboten, die Ausschnitte aus dem Film zu entfernen".

Am gestrigen Donnerstagnachmittag war das Video auf Youtube schon nicht mehr abrufbar. Man habe "nie die Intention gehabt, die Aussagen Kretschmanns in Bezug zur Gundelsheimer Steinbrucherweiterung zu stellen", äußert sich Szenkler dann doch noch. Vielmehr sollten sie als "überregionale Einordnung" dienen.

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