Theurer macht Vorgänger-Regierung für Probleme verantwortlich
Staatssekretär Theurer und Verkehrsminister Hermann wurden die Foderungspakete aus der Region vorgestellt. Bis die Frankenbahn LGVFG-Mittel bekommt, könnte es Jahre dauern.

Bauland/Möckmühl. (ahn) "Ich bin mit dem Bahnhof Osterburken aufgewachsen", erinnerte sich Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, am Dienstag an seine Modelleisenbahnzeiten zurück. Das Interesse Theurers an der Frankenbahn scheint ungebrochen, denn schließlich war er von Berlin nach Möckmühl gereist, wo in der Stadthalle ein öffentlicher Frankenbahngipfel stattfand.
Hier diskutierte er unter anderem mit Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann, Vertretern der Landkreise – darunter auch Landrat Dr. Achim Brötel – und der Stadt Heilbronn über Verbesserungsmaßnahmen für die Bahnstrecke. Im Vorfeld haben Gutachter im Auftrag des Landes, der Landkreise und der Stadt Heilbronn Verbesserungsmaßnahmen für die Infrastruktur der Frankenbahn identifiziert und in drei Forderungspakete geschnürt.
Theurers Anwesenheit zeige, dass "die Frankenbahn wichtig ist", sagte Norbert Heuser, Landrat des Landkreises Heilbronn, eingangs. Neben dem Staatssekretär und Verkehrsminister Hermann begrüßte er vor allem die Landräte Dr. Achim Brötel (Neckar-Odenwald-Kreis) und Christoph Schauder (Main-Tauber-Kreis) sowie Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel.
Anwesend waren außerdem unter anderem die Bundestagsabgeordnete Nina Warken, Isabell Huber, die Generalsekretärin der CDU Baden-Württemberg, sowie einige Bürgermeister, darunter Ralph Matousek (Rosenberg), Jürgen Galm (Osterburken) und Wolfram Bernhardt (Adelsheim).
Infrastrukturdefizite, keine Verlässlichkeit bei den Anschlüssen – dies seien Standortnachteile für die so wirtschaftlich starke Region, durch die die Frankenbahn führt, legte Heuser dar. "Der Bund und die Bahn haben mit zugelassen, dass die Infrastruktur der Frankenbahn defizitär ist", so der Landrat. "Deshalb erwarten wir, dass sie in Zukunft stärker in die Ertüchtigung der Frankenbahn investieren."
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Die Infrastrukturdefizite haben nun auch Gutachter identifiziert. Auf dieser Basis haben sie drei Forderungspakete formuliert, die Dieter Maier von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) vorstellte: Das erste Paket sieht die interregionale Anbindung der Region durch unter anderem Digitalisierung vor, im zweiten Paket wird die Verbesserung der regionalen Erschließung gefordert, im dritten sind die Stabilität und Netzresilienz für den D-Takt, also Infrastrukturmaßnahmen, Themen (siehe unten).
Die Perspektive des Bundes
Staatssekretär Michael Theurer betonte, dass es nun vorrangige Aufgabe sei, das "hochbelastete Schienennetz instand zu setzen". Dabei gebe es Strecken, die noch schlimmer dastünden als die Frankenbahn. Man müsse die Erblasten, also den Sanierungsstau bei der Bahn, anpacken. Dafür brauche es dreistellige Milliardenbeträge. "Wir müssen die Mittel für die Instandsetzungen in den nächsten Jahren verdoppeln", sagte Theurer und verwies auf die Erhöhung der Lkw-Maut, worüber man diese Maßnahmen mitfinanzieren wolle.
"Infrastruktur ist Bundesaufgabe", sagte der Staatssekretär. Auf der Schiene müsse dies auch entweder über den Nah- oder den Güterverkehr mitfinanziert werden. Zudem steuere der Bund über das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) Mittel bei.
Zu den Forderungspaketen gab es von seiner Seite eine geteilte Rückmeldung. "Kapazität und Resilienz vergrößern – dafür lohnt es sich zu kämpfen", sagte er mit Blick auf das erste Paket. "Bei der Digitalisierung kann ich zusagen, dass ich dafür kämpfe." Bei den anderen Forderungspaketen müsse man abwarten, bis die nächste Verkehrsprognose vorliege. Dabei sei mit "deutlich mehr Güterverkehr" zu rechnen.
Theurer dankte den kommunalen Entscheidungsträgern für ihren Einsatz für die Frankenbahn. "Dass sich die Landkreise zusammengesetzt haben, ist ein gutes Zeichen. Wir vom Bund kämpfen für die Schiene.
Zusammen im Schulterschluss bekommen wir Fortschritte auf der Frankenbahn hin. Das wäre absolut wünschenswert", so der Staatssekretär, der allerdings auch darauf hinwies, dass es "ein langer Weg" sei, bei dem man "heute den ersten Schritt" ginge.
Die Perspektive des Landes
Verkehrsminister Winfried Hermann dankte eingangs für die Studie der NVBW. Dies sei "eine sachliche Darstellung der Problemlage". Und Probleme gibt es zuhauf. "Die Frankenbahn ist ein Abbild von 30 Jahren Niedergang der Bahn. Die Bahnstrecke ist verkommen", verdeutlichte der Minister. "Wir haben zwar einige Verbesserungen erreicht, aber der Zustand der Frankenbahn ist absolut unbefriedigend."
Das Gesetz schreibe es eindeutig vor: Der Bund ist als Eigentümer verantwortlich für den Ausbau und Erhalt des Schienennetzes. Die letzte Bundesregierung habe einen Teil der Verantwortung an die Länder und Kommunen abgeschoben. Dies überfordere auf Dauer vor allem Letztere.
Dennoch werde man sich weiterhin beteiligen, auch am zweiten Forderungspaket, das dritte Paket sei allerdings "überwiegend Aufgabe des Bundes". Nebenstrecken wie die Frankenbahn seien in den vergangenen Jahren nicht saniert worden, aber auch sie gehörten zu einem guten Netz dazu.
Hermann mahnte zudem an, dass man "die Bahnstruktur ändern muss. Diese muss anders organisiert sein als der DB-Konzern. Die Bahn ist nämlich der eigentliche Bremsklotz", so der Minister, der dafür Applaus aus dem Publikum erhielt. Nun müsse man in eine "Phase des Machens" kommen.
Die Perspektive der Kommunen
Deutliche Kritik an der Bahn kam auch von Landrat Dr. Achim Brötel – und zwar am Beispiel von Osterburken, einem "überregional bedeutsamen Bahnknoten": "Es kann doch nicht sein, dass Städte und Gemeinden, wie das die Stadt Osterburken aus der puren Not heraus in wirklich vorbildlicher Weise tut, dauerhaft für die Versäumnisse anderer in die Bresche springen müssen, nur damit Bahnreisende überhaupt noch einen Warteraum und eine Toilette vorfinden."
Zum Hintergrund: Die Bahn hatte das sanierungsbedürftige und weitestgehend leer stehende Empfangsgebäude am Bahnhof zur Versteigerung freigegeben, die Stadt Osterburken hatte es 2014 für 120.000 Euro ersteigert.
"Das ist nicht nur kein Ruhmesblatt, sondern eine Schande für die Deutsche Bahn", so Brötel, der auch auf den historisch gewachsenen Fernverkehrscharakter der Frankenbahn hinwies. "Nun ist der Bund am Zug, denn Eigentum verpflichtet. Der Bund ist in der Pflicht, auch beim zweiten Forderungspaket Verantwortung zu übernehmen."
Ähnlich formulierte es Brötels Amtskollege aus dem Nachbarkreis, Christoph Schauder: "Wir werden den Bund nicht aus der Verantwortung entlassen." Der Bund könne hier mit vertretbarem Aufwand Gutes für die Leute tun, zumal die Frankenbahn nicht irgendeine Regionalbahnstrecke sei, sondern die Verbindung zwischen zwei ICE-Haltepunkten.
Gemeinsam anpacken
Die Kritik der Landräte stieß bei Theurer auf wenig Zustimmung: "Polemik trägt nicht zu einer sachlichen Lösung bei." Die Vorgängerregierung habe die Bewertung der Frankenbahn zu verantworten.
Aus dem Bundeshaushalt kämen 75 bis 90 Prozent Zuschüsse. "Wenn Sie die Linie weiterfahren und in alte Muster der Schuldzuweisung verfallen, dann machen Sie es doch ohne die Zuschüsse!" Damit auf der Frankenbahn etwas Positives passiere, dürfe man nicht in den Reflex verfallen, dass der Bund schuld sei.
Alexander Throm, Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Heilbronn und innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hielt dagegen, dass er von den Landräten keine Schuldzuweisungen, sondern Forderungen gehört habe, und konstatierte: "Was ich heute vonseiten des Bundes gehört habe, lässt mich nicht hoffen."
Valentin Abel, ebenfalls Bundestagsabgeordneter, hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben: "Wir müssen die Finanzierung bei der Schiene erhöhen. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Das funktioniert nur, wenn alle Regionen partnerschaftlich mit allen Staatsebenen zusammenarbeiten."
Die konstruktive überparteiliche Kooperation stellten auch Landrat Norbert Heuser und Staatssekretär Michael Theurer in den Vordergrund. "Wir müssen überlegen, was wir gemeinsam tun können, damit wir etwas erreichen", so der Staatssekretär. Die Deutsche Bahn sei eine AG, und damit spiele Wirtschaftlichkeit bei ihr eine große Rolle. "Die können Sie nicht zwingen." Deshalb plädiere er für ein gemeinsames Vorgehen. "Sonst bin ich in Berlin auch nicht stark genug, um etwas durchzusetzen."
Auf jeden Fall werde er sich dafür einsetzen, dass die Frankenbahn LGVFG-Mittel bekomme. "Das kann ich heute hier zusagen." In Bezug auf weitere Schritte und Investitionen hielt er sich bedeckt: "Ich will keine falschen Hoffnungen wecken. Es wird ein jahrelanger Prozess werden."
Die Perspektive des Baulands
> Osterburken: Bürgermeister Jürgen Galm legte die Dinge aus Sicht seiner Kommune dar: "Man fühlt sich allein gelassen." Zudem tauche Osterburken nicht in den Forderungspaketen auf, "obwohl wir als Verkehrsknotenpunkt an die S-Bahn und die Frankenbahn angebunden sind". Besonders beim Bahnhofsumfeld mit dem Gebäude, das man aus der Not heraus erworben hatte, wünsche man sich Hilfe. Staatssekretär Michael Theurer sagte, dass die Bahnhöfe die "großen Sorgenkinder" seien, zumal sie sich nicht – wie früher gedacht – aus Mieteinnahmen finanzierten.
> Rosenberg: Bürgermeister Ralph Matousek merkte ebenfalls kritisch an, dass Rosenberg nicht im Forderungskatalog erwähnt werde. Dieter Maier von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) erwiderte, dass man Rosenberg nicht aufgenommen habe, da hier "nur" die Bahnsteige zu erhöhen seien. Er versicherte: "Wir haben Rosenberg nicht vergessen."
Machbarkeitsstudie zum Infrastrukturausbau
Im Auftrag des Landes, der Landkreise und der Stadt Heilbronn haben Gutachter von Rail Management Consultants International und der Ingenieurgesellschaft für Verkehrs- und Eisenbahnwesen aus Hannover eine Machbarkeitsstudie zum Infrastrukturausbau und zu Fahrplanlagenverbesserungen auf der Frankenbahn erstellt. Diese stellte Dieter Maier von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) im Rahmen des Frankenbahngipfels in Möckmühl vor.
> Infrastrukturdefizite: Hier erwähnte Maier unter anderem den schlanken Anschluss von bzw. zur S-Bahn Rhein-Neckar in Osterburken. Außerdem sprach er an, dass es in Königshofen nur eine Bahnsteigkante gibt, es ist kein Halt Richtung Osterburken möglich. Nur eine Bahnsteigkante gibt es auch in Boxberg-Wölchingen, der Zug nach Osterburken fährt hier über das Gegengleis. Apropos nur ein Gleis: Auch der eingleisige Streckenabschnitt zwischen Züttlingen und Möckmühl kam zur Sprache. Aufgrund dieser Defizite haben die Gutachter drei Forderungspakete formuliert:
> Forderungspaket 1: Hier geht es um die interregionale Anbindung der Region – z. B. in Osterburken und Lauda als Tore zum überregionalen Schienenverkehr. Gefordert wird eine "Gateway-Strategie", also etwa ein zuverlässigerer Anschluss an Fernverkehrsknoten, die Beschleunigung der Tauberbahn, Maßnahmen zur Steigerung der Betriebsqualität sowie die Digitalisierung des gesamten Korridors.
> Forderungspaket 2: Inhalt ist hier die Verbesserung der regionalen Erschließung zwischen Osterburken und Lauda. Im Blick hat man dabei unter anderem die Verstetigung des Probebetriebs ab dem Fahrplan 2024, die Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen, den Ausbau der Bahnsteiginfrastruktur und deren Zuwegung, die bedarfsgerechte barrierefreie Modernisierung sowie die Reaktivierung ehemaliger Stationen wie in Hirschlanden, Schweigern, Unterschüpf oder Sachsenflur.
> Forderungspaket 3: Damit sollen die Stabilität und die Netzresilienz für den Deutschland-Takt verbessert werden, indem man die Kapazität erhöht und Engpässe beseitigt. Konkret bedeutet dies u. a. den zweigleisigen Ausbau des Streckenabschnitts zwischen Möckmühl und Züttlingen entlang der Bestandstrasse und Optimierungsansätze im Bereich Lauda-Königshofen. Dies sind langfristige Maßnahmen, die nur mit großem finanziellen Aufwand umzusetzen sind. Insgesamt geht man von einem geschätzten Kostenvolumen von gut über 200 Millionen Euro aus. ahn