"Das Obertorzentrum hätte ganz viel Charme"
Professor Gabi Jeck-Schlottmann beim "Gespräch im Rathausturm" – Kaufkraft der Studenten beläuft sich auf 12 Millionen Euro

Eine Rektorin mit Visionen: Prof. Dr. Gabi Jeck-Schlottmann möchte gerne ein Baukompetenzzentrum für die Duale Hochschule Baden-Württemberg Mosbach errichten. Foto: Alexander Rechner
Von Alexander Rechner
Mosbach. Die Geschicke der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach lenkt Gabi Jeck-Schlottmann seit vier Jahren mit viel Herzblut und großem Engagement. Sie lehrt, forscht und arbeitet seit 1987 als Professorin an der früheren Berufsakademie und heutigen DHBW Mosbach. Im Rahmen unseres Formates "Gespräch im Rathausturm" äußert sich die Rektorin über die Herausforderungen und Anliegen der Mosbacher Hochschule.
Frau Jeck-Schlottmann, wir befinden uns im Rathausturm. Von hier aus hat man einen tollen Ausblick auf das Gebäude der Dualen Hochschule. In welche Richtung soll sich die Hochschule in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Wir wollen an der sehr positiven Entwicklung der DHBW Mosbach in den vergangenen Jahrzehnten anknüpfen. Unsere Hochschule genießt eine hohe Reputation, nicht nur in der Praxis bei Unternehmen, sondern auch in der Lehre. Wir sind ein vollwertiges Mitglied im Hochschulbereich. Nun wird es unsere Aufgabe sein, unser Profil weiter zu schärfen: Wir wollen die Profilbildung in Mosbach stärken. Denn der Wettbewerb an dualen Studiengängen an anderen Hochschulen hat zugenommen. Duales Studium ist in Deutschland ein Renner: Über 100.000 junge Frauen und Männer haben sich für ein solches Studium entschieden. Alleine in Mosbach sind es aktuell 3100 Studierende, an der DHBW in Baden-Württemberg insgesamt 34.000. Wir sind Marktführer!
Eine beachtliche Zahl: Platzt die DHBW Mosbach aus allen Nähten?
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Schon seit längerer Zeit benötigt die DHBW Mosbach mehr Räumlichkeiten. Denn wir haben ein Defizit von sage und schreibe 23 Prozent. Die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten reichen uns angesichts des starken Wachstums einfach nicht aus. Zudem wären auch größere Säle wünschenswert. Deshalb wäre es schön, wenn wir mehr Personal und mehr Fläche hätten.
Die Duale Hochschule verteilt sich in Mosbach auf fünf Standorte. Wie bewerten Sie diese Situation?
Der Zustand ist nicht gut - 3100 Studierenden verteilen sich auf fünf Orte. Dabei wird ein sozialer und fachlicher Austausch zwischen den Studiengängen erschwert. Außerdem ist das auch unter finanziellen Gesichtspunkten kein idealer Zustand. Denn wir unterhalten Gebäude, die eine echte Herausforderung darstellen. Beachtliche Investitionen sind unter anderem in den Brandschutz erforderlich. Gleichzeitig ist der Status quo auch nicht wirtschaftlich. Wir benötigen beispielsweise einen Hausdienst, der Material von einem Ort zum anderen bringt, oder einen Schließdienst an fünf Orten. Das könnten wir uns sparen oder zumindest reduzieren, wenn wir nur noch zwei Campus hätten. Deshalb verfolgen wir die Zwei-Campus-Strategie mit dem Hauptcampus am Lohrtalweg.
Welche Überlegungen gibt es für den Standort an der Johannes-Diakonie?
In der Neckarburkener Straße könnten wir flexibel einen Ersatzneubau errichten. An dem dortigen Standort verfolgen wir das Ziel eines inklusiven Campus. Insbesondere unter sozialen Aspekten hat dieser Ort einen großen Vorteil für die Entwicklung der jungen Frauen und Männer, die in Mosbach studieren.
Wäre das Areal des Obertorzentrums für die DHBW Mosbach geeignet?
Das muss man genau prüfen. Das Gebäude muss letztlich für gute Vorlesungsräume und Büros geeignet sein. Aber das Obertorzentrum hätte ganz viel Charme. Es wäre ein sehr attraktiver Standort für unsere Studierenden und Dozenten. Dieser Standort wäre quasi eine Verlängerung unseres Hauptcampus. Und er befindet sich in unmittelbarer Nähe des künftigen Studierendenwohnheims. Die jungen Frauen und Männer hätten es nicht weit. Das kommt bei den Studierenden sehr gut an.
Sie sprachen das Studierendenwohnheim an. Wie ist der Stand?
Es geht voran. Derzeit wird am Fundament und an der Tiefgarage gearbeitet. Über den Bau dieses Wohnheimes freue ich mich riesig, denn es erhöht die Attraktivität Mosbachs für die Studierenden.
Vor welchen Herausforderungen steht die DHBW Mosbach?
Zu den Herausforderungen gehört auch der Trend zur Urbanisierung bei jungen Menschen. Wir befinden uns aber in einer ländlich geprägten Region, und diesen Standortnachteil müssen wir ausgleichen. Mit viel Power und Kreativität, die Attraktivität zu erhöhen, gehen wir diese Aufgabe an. Meine Kolleginnen und Kollegen zeigen hierbei großes Engagement.
Unter den Studierenden ist immer zu hören, in Mosbach sei nichts los.
Das ist ein Schlagwort. Mosbach ist zwar eine kleine Stadt im Vergleich zu Heidelberg oder Mannheim, hat aber viel Charme. Die jungen Frauen und Männer können sich hier schnell zurechtfinden, Natur und frische Luft bieten sich für viele Outdoor-Aktivitäten an, und die Studierenden können sich in Hochschulsport in Verbindung mit den vielen Vereinen fit halten. Ein weiteres Café oder eine Bar wäre sicherlich gut. Oder eine Hütte, in der die Studierenden in Maßen feiern können, ohne die Nachbarn zu stören. Diesbezüglich stehe ich mit der Stadt auch schon in Kontakt. Wir benötigen ein geeignetes Grundstück. Schön wäre es, wenn die Stadt uns bei diesem Projekt unterstützen könnte. Die Studierenden sind auch gute Kunden.
Apropos gute Kunden: Auf welchen Betrag beläuft sich die Kaufkraft der Studierenden?
Das lässt sich schwerlich sagen. Aber konservativ gerechnet, sprechen wir hier über eine Summe von rund 12 Millionen Euro. Zusätzlich generieren die Mitarbeiter der DHBW Mosbach eine Kaufkraft von weiteren 12 Millionen. Und die DHBW Mosbach vergibt jährlich Aufträge an Unternehmen aus der Region von 2 Millionen Euro. Insgesamt sprechen wir von einem Geldbetrag in Höhe von 26 Millionen Euro.
Welche Vision haben Sie für die DHBW Mosbach?
Wir möchten hier ein Baukompetenzzentrum aufbauen mit einer großen Strahlkraft. Gerade der Studiengang des Bauingenieurwesens boomt. Das Besondere daran ist: Nur in Mosbach gibt es einen solchen Dualen Studiengang. Das ist bisher einzigartig. Unsere Kapazität reicht aktuell für 210 Studierende, aber wir haben aus der Wirtschaft eine deutlich höhere Nachfrage. Diese Zahl liegt bei 400 Plätzen. Jedoch fehlen uns die Räumlichkeiten und vor allem das Personal.
Muss man befürchten, dass die Heilbronner DHBW in Zukunft dem Mosbacher Standort den Rang abläuft?
Die DHBW Heilbronn hat einen gut ausgestatteten urbanen Standort. Beide Hochschulstandorte können sich weiterhin sehr gut entwickeln, wenn sich die Studienangebote ergänzen, statt identisch angeboten zu werden. Mit Kreativität, Engagement und unserer Profilbildung - dem Baukompetenzzentrum einerseits und dem Kompetenzcluster Digital mit einer Bündelung unserer Kompetenzen und der Studienangebote im Bereich Informatik und der Errichtung einer Anlaufstelle für Unternehmen der ländlichen Region mit konkreten Fragestellungen zur Digitalisierung andererseits - geben wir eine Antwort, damit Mosbach weiterhin für Studierende attraktiv sein kann.
Themenwechsel: Wie beurteilen Sie den Fachkräftemangel im Landkreis?
Unter den kleinen und mittleren Unternehmen in der Region gibt es echte "Hidden Champions", die international agieren und technologisch aufgestellt sind. Sie weisen teilweise eine Exportquote von 80 Prozent auf. Diese Unternehmen finden in ländlicher Region zunehmend schwerer geeignete Fachkräfte. Daher ist es unser Ansinnen als kompetenter Wissenspartner in der Region, die Studierenden und die Mitarbeiter dieser Unternehmen durch ein entsprechendes Studienangebot und Weiterbildung auf den globalen Wettbewerb vorzubereiten. Damit die Unternehmen auf dem Weltmarkt erfolgreich bestehen können. Internationalisierung wird bei uns großgeschrieben.



