Corona-Krise in Eberbach

Wenn die Mama auch zur Lehrerin wird

Um ihren Sohn zuhause betreuen zu können, müssen Sonja Herzog und Siggi Schüssler auf das Verständnis ihrer Arbeitgeber hoffen

22.03.2020 UPDATE: 23.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
Sonja Herzog muss derzeit nicht nur die Hausaufgaben ihres Sohnes kontrollieren, sondern ist wegen der Schulschließung auch noch als Lehrerin tätig. Foto: Peter Bayer

Von Peter Bayer

Eberbach. "Wir haben es schon ein paar Tage vorher befürchtet, dass sie die Schulen schließen", sagt Sonja Herzog. Vergangenen Freitag wurde es dann Gewissheit, ab Dienstag sind die Schulen dicht. Damit standen sie und ihr Mann Siggi Schüssler vor einem Problem: Was tun mit Sohn Linus? Ein oder zwei Stunden alleine lassen, ist kein Problem. Doch den ganzen Tag? Normalerweise geht er in die zweite Klasse und anschließend in den Schülerhort.

"Ich habe gleich meine Chefin angerufen, weil wir für Montag und Dienstag niemanden hatten", erinnert sich Sonja Herzog. "Ich brauche dich, das ist nicht so einfach", bekam sie zu hören. Bei ihnen herrsche grundsätzlich Pflegenotstand, auch ohne Corona. Sie arbeitet als Krankenschwester im Schichtbetrieb in der Chirurgie im St.-Josefs-Krankenhaus in Heidelberg. Da am Montag noch einmal Schule war, war es nicht ganz so schlimm. Am Dienstag musste ihr Mann, der beim Hochbauamt in Heidelberg im Büro schafft, freinehmen. Ein bis zwei Tage zum Organisieren habe ihm sein Chef zunächst einmal zugestanden.

Doch die Betreuung des bald Achtjährigen zu organisieren ist nicht so einfach, wenn man eigentlich niemanden hat, der einspringen kann. Die Kinder zu den Großeltern geben, davon wird ja abgeraten. "Ich könnte mir auch nie verzeihen, wenn mit seiner Oma oder seinem Opa durch unsere Schuld etwas passieren würde", sagt sie. Bei Freunden haben sie es auch schon versucht, aber "die haben das gleiche Problem". Die Notbetreuung ist für sie "ein Witz", weil sie nur für einen Bruchteil gilt. So sind sie auf den guten Willen ihrer Arbeitgeber angewiesen.

Bis Ende März haben sie und ihr Mann sich die Betreuung aufgeteilt. Sie arbeitet jetzt vermehrt an den Wochenenden, ihr Mann unter der Woche. "Wie es danach weitergeht, werden wir sehen." Ob beide Urlaub nehmen können oder Überstunden abbauen, steht nicht fest. Wenn sie "Unterstunden" anhäuft, müssen diese später ja wieder nachgearbeitet werden. Sonja Herzog versucht zwar das Problem mit der Betreuung auszublenden, doch ist es "ständig präsent" und hat ihr schon so manch schlaflose Stunden bereitet. Sollte sich zudem die Situation dramatisch verändern, gar Verhältnisse wie in Italien herrschen, muss sie in die Klinik. Dann muss ihr Mann sehen, dass er Urlaub nehmen kann – und dabei auf das Verständnis seines Arbeitgebers hoffen.

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Die Anordnung, die Schulen zu schließen sieht sie als richtige Entscheidung, die aber "viele Probleme für Kinder und Eltern mit sich bringt". Beschränkte sich die Aufgabe der Eltern bislang weitgehend auf die Kontrolle der Hausaufgaben, sind sie die kommenden Wochen auch als Lehrer gefordert. "Wir teilen uns den Unterricht auf", sagt sie. Wobei es schon schwer fällt und es Diskussionen mit dem Sohn gibt. "Die Lehrerin macht das anders!", bekommt die unterrichtende Mutter hin und wieder zu hören. Noch sind es einfache Sachen, teils Wiederholungen, teils Neues. Auch wenn es täglich zwei Stunden Unterricht gibt, "bleibt einiges vom Stoff auf der Strecke", fürchtet sie. "Da wird es später noch Nachholbedarf geben", ist sie sich sicher.

Auch für Linus ist es eine Umstellung. Ausflüge auf den Spielplatz oder in den Tierpark fallen weg, auch der Besuch von Freunden. Stattdessen wird zusammen für Ostern gebastelt, mit Lego gespielt oder die Carrera-Bahn wieder entdeckt. Wenn man denn ein Gutes an der Situation finden will, dann "dass man sich mehr Zeit fürs Kind nimmt".

Ihr selbst fällt die Einschränkung der sozialen Kontakte schon schwer. Etwa zum Kaffee treffen oder das Fußballtraining des Sohnes. Auch mit dem Einkaufen findet sie es schwierig. "Man muss sich gut überlegen, was man kauft." Vielleicht sollte sie doch Vorräte für ein paar Tage kaufen, falls sie erkranken? "Hamstern" will sie aber auf keinen Fall. "Die Leute sollten vernünftiger sein, dann gibt es auch für alles was", findet sie. Wie lange die Einschränkungen noch gehen, kann auch die Krankenschwester nicht abschätzen.

"Es ist eine schwere Krise mit schweren Konsequenzen, die länger anhält, als wir jetzt befürchten", ist sie überzeugt. Ein Monat sei "zu naiv gedacht, das wird länger gehen". Und dann müssen auch Sonja Herzog und Siggi Schüssler sehen, wie es weitergeht, müssen wohl Urlaub nehmen. Dann werden beide als Konsequenz daraus im Sommer ein Problem haben. Und wenn die Krise fortschreitet, kann sie als Krankenschwester nicht mehr frei nehmen. "Dann muss mein Mann zur Not unbezahlten Urlaub nehmen", sagt sie. Den Sommerurlaub haben sie noch nicht gebucht – kann sehr gut sein, dass der dieses Jahr wegen der Corona-Krise ausfällt. Doch das ist das geringste Problem. Sie fürchtet vielmehr "italienische Verhältnisse" auch bei uns, mit all den Folgen. "Am Anfang habe ich noch gelächelt, aber wir haben das Virus alle unterschätzt."

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