Castor-Transporte auf dem Neckar

Polizei wehrt sich gegen massive Kritik der Atomkraftgegner

Vor dem vierten Castortransport prangern die Gegner der Transporte Sicherheitsmängel an - Einsatzleiter Thomas Berger von der Polizei Göppingen im Interview

18.10.2017 UPDATE: 19.10.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 50 Sekunden

So massiv wie noch beim ersten Transport (unsere Aufnahme) wurde der dritte Castortransfer von Obrigheim nach Neckarwestheim vergangene Woche nicht mehr gesichert. Die scharfe Kritik, die u. a. das "Bündnis Neckar castorfrei" äußerte, weist die Polizei indes zurück. Foto: Schattauer

Von Heiko Schattauer

Obrigheim. Das Schubschiff "Edda" ankert bereits am Kernkraftwerk Obrigheim (KWO), der vierte Castortransport steht unmittelbar bevor. Wenn der Plan aufgeht, wäre dies die vorletzte Überführung von hoch radioaktivem Material aus dem Rückbau-Reaktor Obrigheim ins Zwischenlager Neckarwestheim. Mit dem fünften Transport sollen auch die letzten Brennelemente aus dem KWO verschwunden sein. Atomkraftgegner prangern indes weiter Sicherheitsrisiken und Sicherungsmängel an. Nach dem dritten Transport meldete sich vor allem das "Bündnis Neckar castorfrei" zu Wort - mit scharfen Angriffen gegen die Polizei. Die RNZ hat beim Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen - für Sicherung/Begleitung der Castortransporte maßgeblich verantwortlich - nachgefragt. Vizepräsident und Einsatzleiter Thomas Berger nimmt Stellung zu den Vorwürfen.

Nach dem dritten Castortransport werden Vorwürfe erhoben, der Transfer sei nur unzureichend gegen Einwirkungen von außen gesichert gewesen. Ein konkreter Vorwurf bezieht sich auf die Polizeipräsenz. Die sei "massiv verringert" worden. Stimmt das?

Die polizeilichen Einsatzmaßnahmen orientieren sich an der Bewertung der zu erwartenden Lage. Das Kräftekonzept wurde hieran ausgerichtet festgelegt.

Das heißt also ja, es waren weniger Kräfte im Einsatz?

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Ja, es waren weniger Kräfte im Einsatz als bei den zurückliegenden Transporten.

Machen wir mit den Vorwürfen weiter: Brücken seien zu spät gesperrt und zu früh wieder freigegeben worden...

Sperrungen von Brücken sind in allen Fällen so früh wie erforderlich erfolgt und unmittelbar nach Passieren des Transports wieder freigegeben worden. Wir haben hierbei dem Grundsatz Rechnung getragen, Beeinträchtigungen für die Verkehrsteilnehmer durch den Einsatz so weit als irgend möglich zu reduzieren.

An der Schleuse Gundelsheim habe es aufgrund der Kreisgrenze Überschneidungen und Koordinationsschwierigkeiten gegeben. Von einem Kommunikationschaos ist die Rede …

Die polizeilichen Einsatzmaßnahmen und die Absprachen mit den örtlich zuständigen Versammlungsbehörden sind koordiniert und Hand in Hand abgelaufen.

Also können Sie den Vorwurf vom Kommunikationschaos nicht nachvollziehen?

Korrekt. Nach unserer und der Bewertung der örtlich betroffenen Versammlungsbehörden gab es keinerlei Kommunikationsprobleme. Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass mit den Versammlungsbehörden vereinbart wurde, dass sich deren Vertreter am Tag des Transports direkt vor Ort bzw. auf dem Wasser auf einem Boot der Polizei aufhalten, damit eine unmittelbare Kommunikation und Abstimmung sichergestellt ist. Genau so wurde dies auch bei allen bisherigen Einsätzen praktiziert. Es waren sowohl Vertreter der Versammlungsbehörde der LRA Heilbronn als auch des Neckar-Odenwald-Kreises vor Ort.

Bemängelt wird auch die lange Zeit, die die Polizei benötigte, um die Schwimmer aus dem Wasser zu holen.

Auch bei einer derartigen Personengruppe im Wasser handelt es sich zunächst um eine Versammlung. Bevor polizeiliche Maßnahmen gegen sie ergriffen werden können, muss zunächst die Versammlung förmlich für aufgelöst erklärt werden. Dies ist in diesem Fall auch erfolgt. Unmittelbar anschließend an die Auflösung der Versammlung wurden die Personen durch die Polizei an Bord geholt.

In Gundelsheim waren noch Zivilisten auf der Brücke, während der Castor durchgeschleust wurde. So war das ursprünglich sicher nicht geplant, oder?

Der Aufenthaltsort der Personen auf der Brücke lag außerhalb eines definierten Nahbereichs, weshalb für diese Personen keinerlei Gefahr bestand. Darüber hinaus wurden zum Zeitpunkt des Aufenthalts der Personen auf der Brücke, durch die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg Referenzmessungen durchgeführt. Die Messergebnisse sind über die Homepage der LUBW öffentlich abrufbar.

Von den Atomkraftgegnern wird mehr auf eine Gefährdung verwiesen, die durch die Personen auf der Brücke möglich gewesen wäre. Gemeint ist ein Angriff/Anschlag auf das Schiff.

Die Polizei steht, wie immer, im konstruktiven Kontakt mit den Anmeldern der Protestaktionen, insbesondere durch die im Vorfeld stattfindenden Kooperationsgespräche. Welcher Gruppierung die Personen zuzuordnen waren, konnte sehr schnell vor Ort festgestellt werden. Es lagen zu keinem Zeitpunkt Erkenntnisse vor, wonach von der Personengruppe besondere Gefahren ausgehen könnten. Orientiert an dieser Bewertung, wurden die erforderlichen, verhältnismäßigen Maßnahmen getroffen, welche sich auch im Nachhinein als richtig erwiesen haben. Auch in Zeiten einer abstrakt hohen Gefährdung werden durch die Polizei nicht alle Menschen, die ihr grundgesetzlich verbrieftes Demonstrationsrecht oder andere Rechte wahrnehmen, unter einen abstrakten Generalverdacht gestellt. Warum gerade die Menschen, die an diesem Tag ihr Recht auf Versammlungsfreiheit genutzt haben, ihre Aktion in einen suggestiven Vergleich mit etwaigen terroristischen Gefahren stellen, erschließt sich uns nicht.

Wie ist die interne Aufarbeitung der Transporte. Der vierte steht unmittelbar bevor. Muss man Dinge verändern?

Die polizeiliche Lage wird vor jedem Transport neu bewertet, und die polizeilichen Maßnahmen werden hieran orientiert ausgerichtet. Zu einsatztaktischen Fragestellungen können keine Aussagen getroffen werden.

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