Albert Lester ist mit 97 Jahren gestorben
Als Kind floh er vor der Shoa. Das Erinnern war ihm ein Anliegen.
Buchen/London. (pm) Jakob Mayer, der in direkter Nachbarschaft wohnte, nannte er "Onkel". Der Fotograf Karl Weiß porträtierte ihn und seine Schwester Hella mehrfach. Und seine Mutter Susi schrieb wunderbare Gedichte über Buchen, die Landschaft und deren Bewohner. Die Rede ist von Albert Lester (Foto), der am 23. Oktober 1927 als Albrecht Levi in der Marktstraße geboren wurde und dort rund um das Geschäft seiner Eltern aufgewachsen ist. Am 30. September ist er kurz vor seinem 98. Geburtstag in seiner Wahlheimat London gestorben.
Erst spät hat sich die Beziehung zu seiner Heimatstadt Buchen wieder intensiviert, nicht zuletzt durch die Freundschaft zu Walter und Mabel Jaegle. Im "Wartturm", Ausgabe Oktober 2023, ist zu lesen: "Albert Lester war ein typischer Junge, egal ob Christ oder Jude, bei dem Sport und Freizeit Vorrang hatten gegenüber dem Erlernen von religiösem Wissen." Lester selbst schreibt in seinen 2021 veröffentlichten Erinnerungen "Exodus x 3": "Sicherlich war meine Kindheit eine glückliche, bis zu den frühen 1930er Jahren, als ein gewisser Adolf Hitler sich bemerkbar machte und das Geschäft meines Vaters effektiv ruinierte."
Seine Eltern flüchteten 1939 nach Süd-Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, seine Schwester und er kamen zunächst in Internaten unter, bevor sie durch Kindertransporte nach England gerettet wurden. Albert hat später ebenfalls glückliche Jahre in Simbabwe verbracht, bevor er seine neue Heimat in London gefunden hat.
Über das Ehepaar Jaegle wurden Kontakte unter anderem auch zum Bezirksmuseum, dessen Ehrenmitglied er wurde, geknüpft. Ein Höhepunkt war zweifellos die Veröffentlichung seiner Lebensgeschichte, in der er auch seine Kindheit in Buchen und das friedliche Miteinander der Religionen beschrieben hat. Allen, die dabei waren, wird die Lesung im Bezirksmuseum unvergesslich sein, als im November 2022 Stefan Müller-Ruppert Passagen aus eben diesen Lebenserinnerungen vorgetragen hat und Albert Lester zeitgleich über Video aus London zugeschaltet war. Im Oktober 2023 schließlich war er persönlich zu Gast in Buchen und nahm im Bezirksmuseum sichtlich bewegt einen goldenen Blecker von Bürgermeister Roland Burger entgegen. Vor wenigen Monaten war Lester zu Gast bei König Charles als eines der letzten noch lebenden Kriegsverschickungskinder und auch in der BBC berichtete er über diese schwere Zeit.
In seinem letzten "Buchener" Projekt hat Albert Lester noch vor Kurzem die Lebensgeschichte seiner Tante Maria Wolf auf einem Videoclip eingesprochen, das Bestandteil des Gedenkprojekts "Buchen-gedenkt" ist und das dank des Sprechers eine ganz besondere Authentizität ausstrahlt. Die Erinnerung an seine in Auschwitz ermordete Tante war ihm ein ebenso großes Anliegen wie der Wunsch, dass die Verbundenheit zu Buchen über seine Söhne weiter bestehen möge.
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Der Öffentlichkeit vorgestellt wird das Gedenkprojekt im Beisein von Landrat Dr. Achim Brötel und Bürgermeister Roland Burger am Sonntag, 10. November, um 17 Uhr in der ehemaligen Synagoge in Eberstadt, Rathausstraße 23.
Schon vorab, am Dienstag, 5. November, wird Eveline Goodman-Thau wieder nach Buchen kommen. Die in Wien geborene Rabbinerin und Professorin für jüdische Religions- und Geistesgeschichte hat als Kind die Shoah überlebt. Sie wird um 18 Uhr der Gedenkveranstaltung anlässlich des Novemberpogroms von 1938 in der "Gedenkstätte für alle Opfer des Nationalsozialismus" in der Vorstadtstraße beiwohnen, bevor sie um 19 Uhr einen Vortrag im Klösterle hält. Tags darauf wird sie im BGB mit Schülern sprechen.